Berlinale Retrospektive 2022: Carole Lombard: „No Man of Her Own“

No Man of Her Own

USA 1932. Regie: Wesley Ruggles, mit Clark Gable, Carole Lombard, Dorothy Mackaill

 

„No Angels: Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard“ heißt die Retrospektive der 72. Berlinale vom 10. bis 20. Februar 2022. Die Retrospektive blickt damit auf drei Beispiele von Schauspielerinnen, die die Hollywood-Komödien der 1930er bis 1940er geprägt haben. Begleitend dazu ist bei Edition Text + Kritik ist  ein von Rainer Rother verfasster Band mit drei Essays zu den drei Darstellerinnen erschienen:

Rainer Rother: No Angels. Mae West, Rosalind Russell & Carole Lombard. Edition Text + Kritik, München 2021. Text deutsch und englisch. 162 Seiten, viele Abbildungen. 15 Euro.

 

Connie Randall lebt in der Kleinstadt, und es ist langweilig. Wie kann sie hier geheiratet werden, wo doch die Mutter gar die Festlichkeit am See verbietet? Da taucht Clark Gable auf. Er spielt Babe Stewart, seines Zeichens Falschspieler und Frauenheld, und wie er die Bibliothekarin Connie anmacht, wie er Grenzen überschreitet, wie er sie gegen Regale drängt, wie er ihr unter den Rock linst, als sie für ihn auf eine Leiter steigt, wie er ihr dann einen Kuss aufzwingt, das ist nicht lustig.

Aber letzteres ist, zumindest in der Logik eines Hollywoodfilms, ohnehin schon Liebe, denn zuvor hat Connie ihrer Kollegin von diesem unverschämten Rüpel berichtet und gestanden, wie sie auf ihn steht. Es ist halt Not am Mann in der Provinz, Babe kommt aus New York – sie flirten heftig, und als er sie in Zeitnot bringt, weil er am nächsten Tag abreise, und sie nötigt: „Stop kidding around“, da hält sie dagegen, fest und selbstbewusst, aber nicht spitzzüngig: „I’m not kidding“. Er könne ja nicht einfach irgendein Mädchen aufreißen und am nächsten Tag verschwinden. Sie will die Heirat. Sie bekommt die Heirat.

Carole Lombard spielt die romantische Rolle; ihr geht es darum, den Mann zu finden, der ihr Leben verändert. Das Feld, auf dem sie spielt, ist das der sozialen Klassen und des Aufstiegs durch Liebe; und es geht um den Lebenswandel, um die Veränderung, die eine Beziehung bringt. Sie ist das Mädchen aus der Provinz mit gutem Herzen, die das Zweifelhafte aus Clark Gables Charakter vertreibt, oder es zumindest überdeckt. Lombard erscheint gerne in Nacht- oder gar Unterwäsche, hell und seidig glänzend: erotische Versuchung und zugleich reine Unschuld.

Als Unschuldige lebt sie in New York mit dem Halunken Babe Stewart, und es ist ein gutes Leben. Sie glaubt, er arbeite tagsüber und würde nachts zum Spaß pokern; tatsächlich sichert das Pokerspiel – abgesichert durch Komplizen – den Lebensunterhalt, Babe kümmert sich nicht um Moral und Gesetz und nimmt die Reichen aus. Connie ahnt bald einiges, und als es zur Gewissheit wird, da hat sie Babe schon geändert. Er wird es ihr – und sich – nicht eingestehen, geht aber doch ins Gefängnis, um sich reinzuwaschen. Connie hat es geschafft, ihr Gutsein hat sein Bösesein ausgeschwemmt.

 

Harald Mühlbeyer

 

Bilder (c) Universal Studios