Grindhouse Double Feature, 15. März 2025, Cinema Quadrat Mannheim:
„Die Killer von Tokio“ / „Gyangu tai gyangu“, Japan 1962, Regie: Teruo Ishii
„Die Todesengel des Kung Fu“ / „Karateschule der Töterinnen“ / „Qiao tan nu jiao wa“, Hongkong & Südkorea 1977, Regie: Hun Choi, Hsueh-Li Pao
Panther kommt aus dem Gefängnis, und wie er die Straße entlangläuft, kommt ein Auto, und aus dem Fahrzeug heraus wird auf ihn geschossen. Er schlägt sich in die Büsche, eine Kugel im Oberarm. Und er weiß genau, wer dahintersteckt und was zu tun ist.
„Die Killer von Tokio“ ist ein Schwarz-Weiß-Japan-Noir,
mit wortkargen Figuren in einer Rachestory in der Unterwelt, und Teruo Ishii
gelingt es sehr gut, eine düstere Atmosphäre des Fatalismus zu schaffen, mit
Figuren, die in all ihrem Tun seltsam unbeteiligt wirken, einfach deshalb, weil
sie wissen, dass sie nicht anders können, und dass die anderen auch nicht
anders können, und dass damit der Lauf des Geschehens nur minimal beeinflussbar
ist.
Nach dem Shooting taucht Panther im Büro seines Bosses auf, der seine diversen Handlanger um sich versammelt hat. Vor fünf Jahren ist Panther für sie alle ins Gefängnis gegangen, um die Mafiaorganisation zu schützen, als Bauernopfer. Dafür war ihm nun eigentlich der Stellvertreterposten versprochen worden, aber daran will sich keiner mehr erinnern können. Wie er sie einzeln abfragt, wie sie halb beschämt, halb angewidert den Kopf abwenden, wie sich der Boss windet, der sowieso eine lächerliche Figur ist, sichtlich am Ende seines Weges. Wie die jetzige Zweite Hand – der direkte Rivale – erklärt, dass sich die Zeiten halt geändert haben, jetzt hat die Organisation Hotels und Immobilien, und überhaupt… Panther, die eine Hand in der Schlinge, zieht die Pistole und schießt auf den Boss, wohlgezielt: in den Oberarm, Auge für Auge, Arm für Arm. Wendet sich ab und geht. Und die anderen sehen zu: Das ist ebenfalls ein Prinzip des Films, dass er sich nicht zu Aktion – bzw: zu Aktion-Reaktion – hinreißen, sondern alles nacheinander ablaufen lässt. Wie das Tit-for-Tat von Laurel und Hardy, die jemandem ’nen Weihnachtsbaum verkaufen wollen, und am Ende sind Haus und Auto zerstört, und jede Seite schaut zu, was der Gegner als nächstes tut, bevor sie selbst zur Tat schreitet; schön eins nach dem anderen.
Der Stellvertreter – Panthers Rivale – vollendet dessen Werk und erschießt nonchalant den Boss. Was wiederum natürlich Panther in die Schuhe geschoben wird, die Unterwelt ist hinter ihm her. Aber da wartet schon dieses Auto, und ein junger Mann und eine junge Frau fahren Panther weg, in ein schönes Landhaus, und der Alte dort – wohl der Onkel der Frau und der Vater des Mannes –, der schmiedet gerne Pläne, und auch jetzt hat er einen augebaldowert: Wie nämlich die Organisation vernichtet werden kann, indem die Verteilzentren für die Drogen wie auch die Produktionsstätten Stück für Stück trockengelegt werden können. Die kann dann ihre Kredite nicht mehr bedienen, wird damit pleite und weg vom Fenster sein.
Jetzt ist dies so ein bisschen das Problem des Films: Diese
merkwürdige Familie, die Panther hilft, die wird nie hinterfragt, weder von
Panther, der mit ihr seine Rache vollzieht, noch vom Film, der Fragen
schlichtweg ignoriert: Warum machen die das alles? Was haben sie davon, wenn
die Drogen-Mafia zerschlagen ist? Wollen sie selbst einsteigen, oder geht es um
Recht und Gerechtigkeit, und wenn dies, warum wird es nicht einfach mal
erklärt? Immerhin: Das Pläneschmieden klappt soweit, als das Trio um Panther nach
und nach die verschiedenen Schuppen – die Kneipe „Eifersucht“, oder das
„Pistolen-Eck“ – ausheben. Teils, indem Panther mit einer nymphomanen,
heroinabhängigen Wirtin schläft, teils, indem Yuki – die junge Frau – sich verführerisch
zu den Drogendealern einschleicht und sie damit verblüfft, dass sie genau weiß,
wo das Rauschgift ist, was sie damit vorhaben, und wenn sie nicht alles
hergeben, dann ist es aus. Woher sie das alles weiß; welche enorme Recherche
dahinterstecken muss; wie dämlich die Drogenfuzzis sein müssen, dass sie das
alles mit sich geschehen lassen: auch dies solche offenen Fragen, die im Film
schlicht nicht vorkommen.
Aber diese Löcher in der Handlung werden durch das Geschehen
schön verdeckt, in dem sich Rädchen zu Rädchen fügt, bis am Ende nur noch ein
„Lohn der Angst“-mäßiges Finale bleibt: Bei einem Landhaus nämlich ist der
Stoff in einer Propangasflasche versteckt, mit einem gekaperten Laster der Gasgesellschaft
klaut unser Quartett um Panther diese Gasflasche, und das ist sehr schön, wie
sie uns vorher den Fluchtweg erklären. Und wie der natürlich gleich am Anfang geblockt
ist. Mit eine Masse an Propan auf der Ladefläche geht’s durch den Dschungel,
verfolgt von den Gangstern, über Steine, durch Pfützen, in Serpentinen den Berg
hinauf, und dabei Schießerei rund um die explosive Ladung drumherum! Das ist
super – und zwar auch deshalb, weil der Film, der sonst immer wieder
melancholischen Jazz als Soundtrack nutzt, hier ganz still ist, nur Fahren,
Schießen, Rufen ist zu hören. Hochkonzentriert, und sehr spannend. Ein
Gangster-Noir, irgendwie, tja, französischinspiriert, zwischen Clouzot – von
dem sie sicher abgeguckt haben – und Melville – der wahrscheinlich wohl eher
nicht von diesem Film inspiriert wurde…
Mit etwas mehr Bewusstsein für die Löcher in Dramaturgie,
Figurenzeichnung, Handlung wäre aus „Die Killer von Tokio“ sicherlich ein
Klassiker, vielleicht gar ein Genremeisterwerk geworden. Bei „Die Todesengel
des Kung Fu“ ist es gerade andersrum: Wenn es hier etwas weniger doofen
Trash gäbe, wär’s schnurzlangweilig und damit völlig uninteressant. So ist es
ja oft in der Grindhouse-Reihe, mit all den Filmen, die nur deshalb bis heute
ihr Existenzrecht besitzen, weil sie so lächerlich sind. Etwas weniger mistig,
und sie würden ins breite Loch des Mittelmaßes fallen, diesen tiefen Abgrund
des Vergessens…
Ging es in der Tokioter Unterwelt um Drogenhandel, geht es jetzt in Hongkong um Diamantenschmuggel, und zwar auf ganz besondere Weise: Junge Mädchen verstecken die Klunker im BH, das hat den großen Vorteil, dass sie sich erstmal ausziehen müssen. Dann werden sie, nach Abgabe in Südkorea, erschossen. Damit sie nicht nichts verraten können, oder so. Das ist filmisch gesehen natürlich überaus fruchtbar, weil es mit Nacktheit und Gewalt um die zentralen Elemente des Exploitationkinos geht. Handlungslogisch ist das allerdings vollkommen unökonomisch, weil die böse Bande ständig neue Schmugglerinnen anheuern muss, die erstens gut aussehen, zweitens naiv sind und drittens nicht gerade zur Polizei gehören.
Und genau da haken nun die versammelten Ordnungshüter von
Hongkong, Südkorea und Scotland Yard (!) ein: Da sind nämlich diese drei
jungen, hübschen asiatischen Polizeiagentinnen, die sich einschleichen sollen,
und dazu kommt die Schweizerin Evelyn Kraft (die ungefähr zeitgleich auch noch
„Lady Dracula“ war).
Da hat man sich beim Setting kräftig bei den „Drei Engeln für Charlie“ bedient,
aber inhaltlich halt auch wieder die unökonomischste Variante gewählt, weil
mindestens drei der vier Agentinnen sich im Lauf des Films als komplett
überflüssig erweisen. Sie sind ja noch nicht mal zur Verkomplizierung der
Handlung geeignet, sondern machen halt irgendwas, und man verwechselt die Leute
auch gerne, zum Beispiel Gangster und Polizisten.
Aber das ist egal, Hauptsache, es geht vorwärts – und erstmal geht es ins Trainingslager, wo die drei Damen (Frau Kraft guckt zu, weil sie ist ja zur Aufsicht da) ihr Können zeigen. Wieder im Blick von außerhalb des Films: Die können nicht viel, was Martial Arts angeht, haben schöne Kleidchen an, aber kaum schnelle Moves drauf. Filmintern sind sie natürlich klasse, so wird’s zumindest behauptet, und dann holen sie ein paar nette Gadgets raus, wie zum Beispiel so Explosivkörper und was weiß ich, damit Schwung aufkommt, und sie hauen und schießen die Gegner kräftig zusammen, auch wenn die nur befreundete Sparringspartner sind. Zum Glück gibt es kugelsichere Schutzwesten!!!
Die eine soll als Sängerin anheuern, die andere als
Tänzerin, die dritte weiß ich nicht mehr, aber die ist gleich drin im
Diamantenschmuggel. Während auf der höheren Ebene der Gangsterseite eine Frau
mitmischt, die sich gerne auszieht und mit verschiedenen Gangstermännern
rummacht, und sie ist auch grausam und tut jungen Mädchen weh. Es spitzt sich
zu (das ist ein Euphemismus. Es spitzt sich eigentlich gar nichts zu. Es
plätschert dahin. Nur merkt das keiner im Film und am Film, die Filmschaffenden
finden das offenbar alles super, oder zumindest in Ordnung. Naja.
Wahrscheinlich wollen sie alle nur nach Hause für’n Feierabendbier) –
jedenfalls irgendwann merken die Gangster, dass was nicht in Ordnung ist, als
die eine nämlich die gesamten Südkorea-Mannschaft auseinandernimmt, und im
großen Finale sind sie alle beisammen und schlägern. Und es war, zumindest für
mich, vollkommen überraschend, wer da alles auftaucht, auch Typen, die man
irgendwann mal irgendwie gesehen, aber kaum wahrgenommen hat, und vor allem der
Ehemann der einen Polizistin, der ihren Beruf ziemlich missbilligt. Der findet
es nämlich gar nicht gut, sie sie in ihrer Undercover-Rolle aufreizend vor
fremden Männern auftritt, und da hat er ihr mal im Nachtlokal eine Szenen
gemacht, der Komplettidiot, hat damit fast ihre Tarnung gesprengt! Ich meine,
jeder Gangster merkt doch, wenn da einer eifersüchtig wird, weil seine Frau
halbnackt rumtanzt, und weiß dann, aha, die ist eigentlich ein Spitzel. Zum
Glück ist nicht nur der Ehemann ein Vollhonk, auch die Gangster sind Trottel,
so dass der Film ungestört weitergehen kann. Dies aber war irgendwann
mittendrin, jetzt im Finale schießen sie alle, und schlagen und treten, und
immer neue Gangster, und die Polizei inkl. Evelyn Kraft kommen auch dazu, und der
Ehemann, der ist da und macht mit, und einer der Gangster sagt, was wir alle im
Kinosaal denken: Wer bist du denn eigentlich?
Ende vom Lied ist Flucht übers Meer, und zum Glück zaubert
die Kraft eine kräftige Wumme aus dem Nichts, Panzerfaust nichts dagegen, und
sprengt die wegschwimmenden Bösewichter aus dem Wasser raus hoch in die Luft,
so dass man die dicken Taue sieht, an denen die
Schauspieler/Stuntmänner/explodierten Puppen hängen.
Harald Mühlbeyer