Berlinale-Retro 2025: „Lady Dracula“ von Franz Josef Gottlieb

„Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“ – so hieß die Retrospektive der Berlinale 2025. Harald Mühlbeyer hat sich alle Filme angesehen

 

„Lady Dracula“

BRD 1978, Regie: Franz Josef Gottlieb, mit Evelyne Kraft, Stephen Boyd, Brad Harris, Eddie Arent, Theo Lingen

 


Franz Josef Gottlieb ist, man kann es nicht sagen, einer der miesesten Regisseure der deutschen Filmgeschichte. Ungefähr jeder seiner Filme – und es sind viele! – ist schlecht, das heißt: unfreiwillig, das heißt: Trash. Zugleich ist Gottlieb sicherlich einer der stärksten Genreregisseure, schlicht, weil er genau das verkörpert, was Genre ist: Das abliefern, was draufsteht, und in seinem Film im doppelten Dutzend, am Fließband, ohne Qualitätskontrolle.

„Lady Dracula“ ist sein Beitrag zum Vampirfilm, der schon am Anfang irre beginnt, wenn der Sargdeckel quasi weggesprengt wird und Graf Dracula mit steifen Gliedmaßen (no pun intended) heraussteigt. Um mit lüsternem Gesicht am Fenster des Mädchenpensionats zu kleben, sich eine zu holen, und von einem fetten Pfarrer gepfählt zu werden.
So weit so gut in der Vorgeschichte, wir springen ins Jahr 1976, Bauarbeiten, Roberto Blanco als Baggerfahrer, der den Sarg von Barbara von Weidenstein ausbuddelt. Und hier nun die Gottlieb-Spezialität, die eines der Hauptelemente dafür ist, warum seine Filme so mies sind: Dieser Ausbund an dem, was Gottlieb für Humor und Komik hält! Diskussion um den Sarg, um Leichenfledderei, und zwei Bier wären besser, und Eddi Arent als Polizeiassistent am anderen Ende der Telefonleitung, der seine Dussligkeit auslebt, als gäbe es kein Morgen.

Das Ende vom Lied: Der Sarg wird einem Antiquar vertickt, der alsbald der Lady Dracula zum Opfer fällt. Zunächst noch ein Teenagerin (Marion Kracht), die beißt zu, verbirgt ihr Gesicht mit den blutverschmierten Händen, und verwandelt sich in die Erwachsene Evelyne Kraft, die fortan Leute aussaugt.

Der Clou des Films ist, dass der Kommissar – Brad Harris – sich in Barbara verliebt, während er in der geheimnisvollen Mordserie ermittelt.

Das ist ja nun ein schöner take auf das Vampirgenre. Ein Großteil der Handlung aber spielt rund um das Bestattungsinstitut von Herrn Marmorstein ab, den Theo Lingen mit der linken Arschbacke durchnäselt. Zeit für den Slapstick: mit zwei trotteligen Sargträgern, deren Trotteligkeit Gottlieb auslatscht bis zum Gehtnichtmehr. Seine Komik – sprich: die Komik des deutschen Schenkelklopfers – besteht darin, Gags zu bringen, sie zu erklären, sie so auszubeulen, bis garantiert keine Pointe mehr rauskommen kann. Haha, sie müssen einen Verstorbenen abholen, ganz steif erstarrt mit ausgebreiteten Armen und Beinen, und fallen dann die Treppe runter, und zwar, falls es wer nicht mitbekommen hat, zu Klamaukmusik, und dann liegt der lebende Leichenträger unterm Sarg, aber das Hausmädchen meint er wär der Tote!

Oder: Vollbremsung mit dem Leichenwagen, und die Leiche fliegt vom Kofferraum bis zur Windschutzscheibe, und die beiden Leichenträgergesellen erstmal Schnaps, und dann hintenrein und den Toten wieder in Sarg ziehen und nach vorne klettern und losfahren und die Leiche fliegt aus dem Auto auf die Straße! Auf die schlechteste Weise unpointiert. Roberto Blanco hat nochmal einen Auftritt und findet wieder den Sarg, aber das ist kein Running Gag, weil das Konzept „Gag“ nicht existiert.

Zugleich will der Film sowas wie Horror, mit vielen Leichen, darunter Herbert Fux als schmieriger Geilhals. Wobei die Lady durchaus human ist: Nur wenn ihr die Blutkonserven ausgehen, geht sie auf die menschlichen Halsschlagadern los. Der Kommissar wiederum ist blind vor Liebe, dafür, dass der gesuchte Mörder wie auch Barbara gelb tragen… Ach, was solls.

An der Hotelrezeption verkneift sich Gottlieb gottseidank allzu schlimme Liliputanerwitze mit einem Kleinwüchsigen, der auf dem Koffer steht und sich als Dr. Kannoft vorstellt: „Mein Name ist nicht nur ein Name, er ist Realität. Ich kann oft.“ Das wird erklärenderweise hinzugefügt. Vorher schon, Dialog zwischen dem Kommissar und Barbara:

    Es gefällt mir viel zu viel an Ihnen!

    Herr Kommissar werden doch nicht weich werden?

    Im Gegenteil!

Man darf nicht vergessen: Die 70er waren schlüpfrig, und an dieser Schlüpfrigkeit hat Gottlieb einen gewissen Anteil. Wobei in diesem Film Nacktheit nicht vorkommt, ich weiß auch nicht warum…

 

Harald Mühlbeyer

Die weiteren Filme der Berlinale-Retrospektive 2025 „Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“:

 

„Blutiger Freitag“ von Rolf Olsen

„Deadlock“ von Roland Klick

„Einer von uns beiden“ von Wolfgang Petersen

„Fleisch“ von Rainer Erler

„Fremde Stadt“ von Rudolf Thome

„Hut ab, wenn du küsst!“ von Rolf Losansky

„Jonathan“ von Hans W. Geißendörfer

„Mädchen mit Gewalt“ von Roger Fritz

„Männer sind zum Lieben da“ von Eckhart Schmidt

„Nelken in Aspik“ von Günter Reisch

„Nicht schummeln, Liebling!“ von Joachim Hasler

„Orpheus in der Unterwelt“ von Horst Bonnet

„Rocker“ von Klaus Lemke

„Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von Ulli Lommel