Berlinale-Retro 2025: „Männer sind zum Lieben da“ von Eckhart Schmidt

„Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“ – so hieß die Retrospektive der Berlinale 2025. Harald Mühlbeyer hat sich alle Filme angesehen

 

„Männer sind zum Lieben da“

BRD 1970, Regie: Eckhart Schmidt, mit Isi ter Jung, Horst Letten, Barbara Capell, Diana Nisbeth, Les Olvedi, Arthur Brauss


Frauen erscheinen in einem See, schön und weißgekleidet. Bis auf eine, Atlantis, in schwarz, sie schaut in die falsche Richtung, stolpert den anderen hinterher, ist ein bisschen off. Ein Mann lehnt am Baumstamm, sieht die Szene, ein lüsternes Lächeln umspielt seinen Mund. Die Frauen verfolgen ihn, halten ihn fest, Hose runter, und beim Liebesspiel wird der Mann däumlingsgroß und in einen der kleinen Handkoffer gepackt, die die Frauen alle bei sich haben.

Schon der Anfang von „Männer sind zum Lieben da“ ist unglaublich komisch, in den vielen Details, mit denen Eckart Schmidt seinen Debütfilm schmückt; das Lächeln des Mannes, und wie er sich lächerlich hinter einem mickrigen Strauch versteckt, und wie die Frauen kühl über die Verführung reden, überhaupt: dass sie da auftauchen, aufgetaucht von Fargo, dem Kontinent der Frauen, wo Männermangel herrscht. Und wie Schmidt ganz nonchalant dieses Szenario etabliert, von den schönen Frauen, die „das Geschlechtsspiel spielen, um die Männer zu erobern“. Denn jede muss 30 Exemplare verführen, beschlafen, so verkleinern und im Koffer mit runternehmen.

Atlantis ist anders; erst hat sie kein Glück, dann kommt auch noch das Pech dazu, sich zu verlieben. Liebe ist nicht vorgesehen, aber was will man machen… Erst gerät sie an einen Schwulen, und das ist dem Film hoch anzurechnen, dass er ihn nicht desavouiert; vielmehr als als ganz selbstverständlichen Kontrast der filmischen Dramaturgie hernimmt. Denn er, der an Frauen kein Interesse hat – und Atlantis‘ Avancen abwehren muss – wird von einem alten Mann im Dorf erwartet, er ist nämlich überraschenderweise Vertreter von Dr. Müllers Sex Boutique, mit erstklassiger Ware direkt aus Dänemark: dicke Pornobücher, die er stapelweise verkauft. Auch an den Herrn Bürgermeister, mit seinem kleinen Hütchen als Trottel vor dem Herrn charakterisiert, mit Übergabe der heißen Ware im Wald. Atlantis scheint mit ihm ein neues Opfer gefunden zu haben, diesmal ein williges, und er ist ja so gerissen, schlägt die Pornos in Plastik ein, hängt sie oben im Baum auf, und dann, hehe, das Schäferstündchen – gestört von der Tochter, und der herrischen Ehefrau.

Ein Pfarrer – Arthur Brauss, schon wieder –, auf dem Weg nach München, Atlantis eng im Schlepptau, und noch einer ist ihnen hinterher, der sich nur mühsam hinter der Zeitung versteckt, ein Ermittler, ein Beschatter. Abgelenkt durch die schöne Frau verpasst er den Banküberfall des falschen Priesters. Und sieht sehr wohlwollend Atlantis‘ Körper an, als sie vor ihm duscht, als sie ihn verführen will, aber ganz klar: Beruf vor Frau, schon ist er weg.

Im Biergarten ein Ehepaar, die Frau fordert Atlantis auf, mit ihrem Mann zu schlafen, eine Empfehlung von Oskar Wald, Seitensprung als Korrektiv einer dysfunktionalen Ehegemeinschaft, um die Partner wieder zusammenzubringen. Das ist eine der Thesen dieses berühmten Aufklärungspädagogen. Und spätestens bei dessen Auftritt etwas später ist klar, dass Schmidt nicht zuletzt eine Parodie betreibt auf die aufkommende Sexwelle im Kino der 70er, die ja mit Oswalt Kolle ihren Anfang genommen hat. Oskar Wald jedenfalls hat die Körperpartien aufgeteilt, EZ 3 ist der Nacken, EZ 6 ist die Brust, die erogenen Zonen müssen tunlichst nach seinen Anweisungen von zwei nackten Damen aneinander ausprobiert werden, während er hektisch und hippelig protokolliert. So geht Forschung, meine Damen, vor allem, wenn die Praxis nicht mehr funktioniert (Viagra ja erst 30 Jahre später…)

Frauen, die per Beischlaf Männer schrumpfen und einpacken: Schmidt spielt sein Spiel mit einer besonderen Variante der Vagina Dentata, Schreckgespenst der Männlichkeit – aber nicht, um die sexuell aktive Frau zu denunzieren, oder um der Frauenbewegung, der Gleichberechtigung der Geschlechter in den Karren zu fahren. Nee: Was kann ich dafür, wenn er mit mir schlafen will?, heißt es einmal, und das buchstabiert Schmidt immer wieder aus, wie die geilen Männer auf jeden kleinen Reiz reinfallen. Und so kleingemacht werden.

Dieses Geschlechtsspiel, das Schmidt treibt, ist wunderbar inszeniert, sommerlich leicht, als Schwabing-Komödie. Zu der natürlich auch der Nichtstuer, der Verweigerer gehört, Raoul, in den sich Atlantis verliebt. Ohne mit ihm schlafen zu dürfen, er würde ja verkleinert! Ein hartes Schicksal, das Schmidt ganz elegant und charmant durchspielt.

Raoul ist ein Hallodri: statt ordentlich bürgerlich Geld verdienen sich zu bemühen, durch ordentlich bürgerliche Arbeit, mietet er lieber ein Zimmer direkt an einer schönen, lärmenden Baustelle. Beschwert sich wegen dem Krach beim Oberbürgermeister, bei der Obersten Baubehörde, weil klar: Entschädigung! Das ist ein Weg zum Geld, und als er dann die Behörde aufsucht, um seiner Forderung nochmal Nachdruck zu verleihen, da stellt er klar, dass es auch um etwas anderes geht, und das scheint mir ein Schlüsselsatz für die antiautoritäre Gegenkultur zu sein, die sich die Obrigkeit, jede Obrigkeit zum Feind erkoren hat, und die ironisch-spielerisch ihre Verweigerung lebt: „Es geht nicht ums Geld. Man muss die Typen schädigen, wie man nur kann.“

 

Harald Mühlbeyer


Die weiteren Filme der Berlinale-Retrospektive 2025 „Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“:

 

„Blutiger Freitag“ von Rolf Olsen

„Deadlock“ von Roland Klick

„Einer von uns beiden“ von Wolfgang Petersen

„Fleisch“ von Rainer Erler

„Fremde Stadt“ von Rudolf Thome

„Hut ab, wenn du küsst!“ von Rolf Losansky

„Jonathan“ von Hans W. Geißendörfer

„Lady Dracula“ von Franz Josef Gottlieb

„Mädchen mit Gewalt“ von Roger Fritz

„Nelken in Aspik“ von Günter Reisch

„Nicht schummeln, Liebling!“ von Joachim Hasler

„Orpheus in der Unterwelt“ von Horst Bonnet

„Rocker“ von Klaus Lemke

„Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von Ulli Lommel