Berlinale-Retro 2025: „Rocker“ von Klaus Lemke

„Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“ – so hieß die Retrospektive der Berlinale 2025. Harald Mühlbeyer hat sich alle Filme angesehen

 

„Rocker“

BRD 1972, Regie: Klaus Lemke, mit Gerd Kruskopf, Hans-Jürgen Modschieder, Paul Lys


„Rocker“ ist der deutsche Bikerfilm; und viel über den Film – und über und von Klaus Lemke – habe ich schon protokolliert bei einer kleinen Filmhommage in München 2014. Jetzt wiedergesehen, und wieder von seiner Wucht beeindruckt, mitgerissen. Die Sprüche, unglaublich! Vor allem aber der Plot, der dahinmäandert, von den Rockern wechselt in den Knast zu Gerd, der entlassen wird, außen an der Gefängnismauer wartet, dann kommen die Kumpels auf ihren Maschinen, er macht kehrt, wieder rein, und dann raus, die stehen Spalier, er inszeniert seinen Auftritt, seine Rückkehr. Und im Hintergrund ein paar Leute, die zugucken, was da wohl passiert bei diesen Dreharbeiten… Dann plötzlich zu Uli, gespielt von Paul Lys, der Geld zu machen versucht, einen geklauten Wagen vertickt, von Zuhältern gelinkt wird; der bei der Schwester Geld holen will, und wie er sie bedrängt, weil er den Macker spielt, immer große Töne spuckt, seine Männlichkeit herausstellt (Männlichkeit, das wäre in Bezug auf Lemke ohnehin mal ein eigene eingehende Untersuchung wert). Und ihm hängt sich Mark an die Fersen, der später auch mal seinen richtigen Namen nennt, Hans-Jürgen Modschiedler. Die beiden haben einen tollen Tag und eine tolle Nacht, mit Weibern und Suff und Zigaretten: „Du rauchst? Na, wennde rauchst, kannste auch saufen!“ – „Mach mal‘n ordentlichen Lungenzuch! Ist doch kein Rauchen, wasde da machst!“

Und dann ist Uli tot, totgeschlagen von den Zuhältern, und der Film schaltet wieder weiter, von Mark zu Gerd, zu Sonja, die Ex von Gerd, die Aktuelle von Uli, in einer Diskothek an der Zeppelinstraße, Endhaltestelle nahe am Flughafen, da treffen die Handlungslinien zusammen, und Mark wechselt vom verstorbenen realen Bruder Uli zum Ersatzbruder Gerd – das ist super, wie sich der Plot verquirlt, und wahrscheinlich nicht unbedingt im Vorhinein geplant.

Der Kameramann Bernd Fiedler jedenfalls hat sich vor dem Screening auf der Berlinale zurückerinnert, wie er 1969 in München erstmals mit Lemke gearbeitet hat, „ich hatte einen guten Ruf, weil ich kurz vorher von der Filmakademie geflogen bin.“ Jedenfalls war „Rocker“ seine schwierigste Produktion überhaupt, die Rocker, die Zuhälter, die Nutten, das waren echte Rocker, Zuhälter, Nutten. „Man konnte Szenen nur einmal drehen, und man drehte auch Szenen, die nicht vorgesehen waren.“ Eine Lieblingsszene hat er nicht – wie er überhaupt den Eindruck hinterlässt, nicht unbedingt an diesem Film zu hängen –, aber: bei Lemke hat er etwas Wichtiges gelernt, nämlich zu improvisieren. Die Prügelei zwischen Rockern und Zuhältern am Schluss, die konnten sich ja wirklich nicht ausstehen, und Lemke zwischendrin, wenn es zu arg wurde, rief er „Schluss“. Und zwischendrin mit der Handkamera filmen, was geht… „Es ist ein Zeitdokument“, sagte Fiedler, „irre, was sich in Hamburg abgespielt hat damals. – Was man nicht sieht im Film: wie das Team betrunken und unter Drogen war. Außer meine Assistentin und ich.“

 

Harald Mühlbeyer

 

Die weiteren Filme der Berlinale-Retrospektive 2025 „Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“:

 

„Blutiger Freitag“ von Rolf Olsen

„Deadlock“ von Roland Klick

„Einer von uns beiden“ von Wolfgang Petersen

„Fleisch“ von Rainer Erler

„Fremde Stadt“ von Rudolf Thome

„Hut ab, wenn du küsst!“ von Rolf Losansky

„Jonathan“ von Hans W. Geißendörfer

„Lady Dracula“ von Franz Josef Gottlieb

„Mädchen mit Gewalt“ von Roger Fritz

„Männer sind zum Lieben da“ von Eckhart Schmidt

„Nelken in Aspik“ von Günter Reisch

„Nicht schummeln, Liebling!“ von Joachim Hasler

„Orpheus in der Unterwelt“ von Horst Bonnet

„Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von Ulli Lommel