Grindhouse Double
Feature, Cinema Quadrat Mannheim, 24.11.2018:
"Mannaja – Das
Beil des Todes" / "Mannaja", ITA 1977, R: Sergio Martino
"Die
Bestien" / "Blackout", USA 1978, R: Eddy Matalon
"You're --- alone, a sol-itar-y maaan", weiß die
tiefsonore Stimme im Titelsong zu singen über unseren Helden: Der jagt in der
Anfangsszene einen Mann, der ein bisschen zu sehr an Kinski angelehnt ist, um
nicht vermuten zu lassen, dass dieser für diesen Film zu teuer war. Durch Fluss
und Nebel hetzt der, hebt schließlich die Pistole gegen seinen Verfolger, der
aber mit schneller Bewegung sein Beil wirft und ihm die Hand abschlägt. Daher
nämlich der Titel des Films: "Mannaja
– Das Beil des Todes", und Mannaja ist ein Indianer-Wurfbeil. Weil halt
Helden im Italowestern, vor allem im fortgeschrittenen Stadium des Genres, eine
originelle Waffe brauchen.
"Mannaja" krankt ein bisschen daran, dass der Held
zu sehr Held ist. Aber dabei nicht wirklich so aussieht. Die Pausbacken werden
vom Dreitagebart verdeckt, wie ihn später Walker, Texas Ranger tragen wird,
ansonsten bleibt er immer sauber. Auch, wenn er sich gegen den Bösewicht und
dessen Handlanger einer Schlägerei im knöcheltiefen Matsch liefert, wirkt er
hinterher nicht dreckig. Mannaja ist zwar Kopfgeldjäger und schnell mit Colt
und Beil, aber er ist von vornherein der Gute, ohne Fehl und Tadel. Ein
bisschen wie jener andere arme und einsame Cowboy, weit weg von zuhause (der
schneller schießt als sein Schatten), der am Ende seiner Abenteuer ein Lied
singt, das textlich dem von Guido und Maurizio De Angelis a.k.a. Oliver Onion
für diesen Spät-Italowestern komponierten durchaus ähnelt (Ihr wisst schon.
Oliver Onion. Die Spencer-Hill-Filme!)
Mannaja ist der Gute, der Minenbesitzer McGowan ist der Böse,
aber noch böser ist dessen rechte Hand Waller. Mannaja bekommt's mit denen zu
tun, die Fronten sind klar, keine Ambivalenzen, was den Film etwas zu simpel
gestrickt erscheinen lässt, geradezu klassischer Westernstoff. Und zwischendrin
gibt es eine Aussprache zwischen den Feinden, zwischen Mannaja und McGowan, in
der die ganze Backstory erklärt wird, weil natürlich auch Rache mit im Spiel
sein muss; und Mannaja wird genregemäß nach seinem wahren Namen gefragt – der
bisher nie als wirkliches Geheimnis geführt wurde –, jedenfalls weiß McGowan
nach Identifizierung seines Gegenübers gleich, worum es diesem geht und warum
Mannaja hinter ihm her ist. McGowan scheint also nicht allzu viele
Familienväter auf dem Gewissen haben, kann sich jedenfalls gut erinnern, denn die
Erinnerung nagt eben nicht nur an Mannaja, sondern auch an dem Bösewicht, der dadurch
plötzlich gar nicht mehr sooo böse wirkt…
Die Bilder aber sind ganz klar Italowestern, darauf legt
Regisseur Sergio Martino auch ganz offensichtlichen Wert. Im Saloon, in einer
der ersten Szenen, gibt's ein Kartenspiel, Waller spielt falsch, Mannaja macht
alles richtig, die Leute gucken sich böse an, ziehen schnell, und natürlich
schiebt sich das Gesicht des Bösewichts von rechts im Profil ins Bild; dazu
spielt stilecht eine Mundharmonika, und eigentlich müsste Morricone wegen
Plagiat klagen. Später gibt es Hinterhalte, Schlägereien, zwei Wagenladungen voller Huren, und ein Massaker an
einer Postkutschengesellschaft ist wirklich übelst! Mannaja fällt in die Hände
der Bösewichter und wird bis zum Hals im Sand eingegraben, und damit beginnt
die interessanteste und effektivste Sequenz des Films. Ausgedörrt ist sein Kopf
der Sonne ausgeliefert, und dann kommt einer und rettet ihn, ganz unvermutet,
nur um dann in einem zweiten Oliver Onion-Song überdeutlich charakterisiert zu
werden: "Son of a devil, you're a traitor, you deserve a nasty ending,
something's gonna happen very soon."
's Passiert dann auch was – und zwar hat Mannaja, blind
wegen der Sonne, in einer Höhle versteckt, aus Ästchen und Steinen ein paar
seiner Hackebeilchen gefertigt, und da er verraten ward nehmen seine Feinde ein
schlimmes Ende, und es ist Heulen und Zähneklappern beim schlangenhaften
Verräter. Das ist wirklich eine tolle, originelle Szene, wie der Blinde sich in
der Höhle zurechtfindet im Gegensatz zu den Verfolgern, die da herumtasten und -tapsen,
bis das Beil sie erreicht. Und auch der finale Showdown ist cool: Im Nebel
nämlich wartet Waller, und das ist – ohne dass der es wüsste – ein großer
Vorteil für Mannaja, der ja kurz zuvor noch blind war. Keiner sieht was, aber
man trifft. Aber wie so oft in dem Film, der so viele gute Ideen hat, haut die
Regie dann wieder mit dem Hintern ein, was sie mit klugen Händen so schön
aufgebaut hat. Weil Waller an seinem Ende dann so theatralisch herumwirbelnd
stirbt, dass – ach, sagen wir so: Man findet "Mannaja" nicht wirklich
gurkig, freut sich aber auf den zweiten Film des Abends.
Und der stellt sich als super heraus: "Die Bestien" – auf deutsch, im Orginal: "Blackout", in der
Hauptrolle: Jim Mitchum, Sohn des großen Robert – unverkennbar: Jim sieht dem
Papa dermaßen ähnlich, sagenhaft. Gleich zu Beginn zeigt er seine moralische
Integrität, wenn er auf den Straßen New Yorks einem Handtaschenräuber
hinterherjagt. Und der Film zeigt, wie Moral und Integrität eine erschöpfende
Sisyphusarbeit ist, vergeblich, aber notwendig – der Räuber entkommt, Mitchum
ist erschöpft, aber ungebrochen.
Geschickt springt Regisseur Eddy Mantalon dann von
Schauplatz zu Schauplatz, von Wohnung zu Wohnung, wir lernen die Figuren
kennen, mit denen wir es im weiteren Lauf zu tun haben werden, ohne zu wissen,
wer diese Figuren sind, welche Funktion sie haben werden und was mit ihnen
geschehen wird. Hängen bleiben wir in einem Psychiatriegefängnis, wo ein
Transporter gefüllt wird mit allerlei schlimmen Fingern, ein Pyromane, ein
Serienvergewaltiger, ein Super-Psychopath, der gar mit dem
Hochsicherheitshubschrauber angeliefert wird (wobei unklar bleibt, warum der
Hubschrauber diesen von Robert Carradine gespielten Brutaloirren nicht einfach direkt
zu seinem Bestimmungsort fliegt…)
Egal. Die sind also alle versammelt in der Grünen Minna, und dann beginnt der Film so richtig. Mit einer Schalte ins Elektizitätswerk nämlich, wo sie eines herannahenden Sturmes nicht mehr Herr werden können, weshalb überall der Strom ausfällt.
Egal. Die sind also alle versammelt in der Grünen Minna, und dann beginnt der Film so richtig. Mit einer Schalte ins Elektizitätswerk nämlich, wo sie eines herannahenden Sturmes nicht mehr Herr werden können, weshalb überall der Strom ausfällt.
Und da kommen wir in den Bereich, den damals jeder kannte:
Denn 1977 war in New York tatsächlich nach einem Unwetter der Strom
ausgefallen, und die Produzenten hängten sich mit diesem Film an das reale
Trauma an – es kam in der Dunkelheit des kriminalitätsgeplagten New York zu
diversen Plünderungen, "marodierende Horden plünderten über 1600 Geschäfte
und legten mehr als 1000 Feuer", wie Spiegel Online
2007 zu berichten wusste.
Mantalon legt recht schnell seinen Fokus von der
episodenhaften Einführung in die Filmhandlung aus auf einen Appartementblock.
Von dem wissen wir, dass beispielsweise im obersten Stock eine große fette
jüdisch-griechische Hochzeit gefeiert wird. Dass eine Frau ihren Sohnemann fürs
Einkaufen kurz alleingelassen hat. Dass in der Ehe eines superreichen Paares
(Ray Milland brillant als Millionärsarschloch) in gewohnter Weise Geld über
Liebe herrscht; und so weiter. Außen vor dem Gebäude kommt's zum Unfall; die
Psycho-Schwerverbrecher kommen frei. Und sie dringen in das Gebäude ein, nicht
ohne den Portier vorher schön effizient aufzuhängen.
Stockwerk für Stockwerk erobern sie das Mietshaus, auf der
Suche nach Geld und weiteren Wohltaten. Der Sex-Maniac bleibt alsbald hängen
bei einer Blonden, die er in ihrem Bett brutal vergewaltigt – was wir im Off
erleben. Da aber eilt Jim Mitchum als Polizist Dan Evans herbei, einziger Bulle
weit und breit, der zumindest diesen Gangster ausschaltet. Und das
Vergewaltigungsopfer erstmal tröstet, dann gleich rekrutiert. Sie ist
überraschend schnell auf den Beinen, noch überraschender sofort bereit, als
Hilfskohorte den Kampf gegen das Böse aufzunehmen, indem sie, während Evans
deren Spuren folgt, hintenrum aufräumt. Leute aus dem festsitzenden Fahrstuhl
rettet, beispielsweise. Oder diverse Opfer das Treppenhaus runterführt.
Dan Evans dagegen geht an die Gangster ran; freilich ohne zu
wissen, wer genau die sind. Und geschickt schneidet Mantalon zwischen den
Verbrechern und ihrem Verfolger hin und her, baut so eine großartige Suspense
auf, die sich aus verschiedenen kleinen Spannungselementen, aus einer klaren
Informationsökonomie und aus den schrecklichen Untaten, die wir miterleben
müssen, zusammensetzt.
Und das wirklich Faszinierende in "Blackout" ist
der Oberschurke Christie – nicht ganz falsch, dass der deutsche Verleihtitel
"Die Bestien" den Fokus auf ihn und seine Gang wirft. Während der
eine geil wird bei allem Weiblichen, und der andere bei Feuer, und der dritte,
ein großer, starker Bär von einem Mann, schweigend mitläuft, heckt Christie
alle Pläne aus. Aus einem tiefen inneren Sadismus heraus; oder vielleicht eher
nicht Sadismus, das würde ja so etwas wie Lust und Leidenschaft, wenn auch
pervertiert, tief in seinem Inneren bedeuten. Völlig gefühllos benutzt er
Menschen, um mit ihnen, ja: im Grunde zu experimentieren. Sowohl seine
Mit-Irren als auch seine Opfer: Er setzt sie ein, um zu sehen, was passiert. Ein
Psychopath in absoluter Reinform – und weil der Bösewicht so gut ist, und dabei
(wie auch alle anderen Filmfiguren) psychologisch nachvollziehbar bleibt, ist
das nun wirklich ein Film, der in seiner handwerklichen Perfektion und seiner
effektiven Story zu den Top-Angeboten in der Grindhouse-Reihe zählt.
(Und die Bösewichtigkeit ist denn auch das, was den ersten
Film des Abends, "Mannaja" ausmachte: Weil die Schurkerei dreigeteilt
ist. Da ist der kapitalistische Ausbeuter McGowan, der die Dorfbewohner in
seiner Silbermine schuften lässt und mit puritanisch-prüden Gesetzen die Moral
im Dorf hochhält und jede Triebhaftigkeit brutal unterdrückt; sein Erster Mann
Waller ist ein Brutalo, wie er im Buche steht, der auch nicht davor
zurückschreckt, gegen seinen Brotherren vorzugehen; und seine Tochter ist an
Niederträchtigkeit nicht zu übertreffen, ach, sie wirkt so unschuldig…)
Harald Mühlbeyer