Grindhouse Double Feature, Samstag 29. April 2023, Cinema Quadrat Mannheim
„10.000 PS – Vollgasrausch im Grenzbereich“ / „Fast Company“, Kanada 1979, R: David Cronenberg
„Nackt unter Affen“ / „King Kong und die braune Göttin“ / „Eva, la Venere selvaggia“, Italien 1968, R: Roberto Mauri
Man lernt viel. Über die richtige Treibstoffmischung, die
sich jeder Fahrer selbst austüftelt, über die verschiedenen Klassen: Fuellers
und Funny Cars, über den Rennzirkus überhaupt und wie man dabei die
Viertelmeile in sagenwirmal sechs Sekunden runterreißt. „Fast Company“ heißt
der Film, das trifft es, der deutsche Verleihtitel „10.000 PS – Vollgasrausch
im Grenzbereich“ trifft es auch, und irgendwie passt das alles vielleicht sogar
rein in die Filmographie von David Cronenberg. Ja, der Cronenberg mit
seinem Body Horror, dessen „Brut“ – ebenfalls von 1979 – vor vielen Millionen
Jahren auch schon einmal in der Grindhouse-Reihe gelaufen ist, der Cronenberg,
der inzwischen etablierter Kunstfilmer geworden ist mit seinen
Underground-Themen.
In „Fast Company“ haben wir keinen Horror. Wir haben
Geschwindigkeit. Wir haben Autofetisch. Wir haben Fahrer und Mechaniker, die
sich liebevoll ihren Fahrzeugen widmen, die so lange schrauben, bis noch ein
paar PS mehr rausgekitzelt sind, die aufgehen in dieser irrealen Blase auf der
Tour von Race-Track zu Race-Track. Für ein paar Sekunden Höchstbeschleunigung.
Und natürlich für FastCo-Motoröl, Sponsor des Dragster-Stars Billy, genannt
„Lucky Man“. Warum? Wir sehen’s am Anfang: zu viel am Motor getüftelt,
Explosion mitten auf der Strecke, und er steigt aus, als wär nix. Für Anderson,
Vertreter des Motorölunternehmens, ist das zu viel, die Fahrer sollen nicht
gewinnen, nur mithalten, nicht unter allen Umständen teuer Autos verschrotten,
sondern die Marke schön präsentieren! Anderson ist ein Arschloch, das sehen wir
gleich, aber er hat natürlich betriebswirtschaftlich einen Punkt. Ist aber
trotzdem ein Arsch, fliegt mit Privatflugzeug, will Miss FastCo besteigen, und
kassiert von der Rennleitung privat Geld dafür, dass er seinen Star überhaupt
starten lässt.
Zur Korruption kommen Neid und Intrigen und generelle
Fiesheit – ihm gegenüber Lucky Man mit seinen Mechanikern und dem Junior im
Team, der bei den Funny Car-Rennen mitmacht. Weil, also: Das Fuel-Fahrzeug ist
für den Senior und viel viel schneller, das Funny Car ist angelehnt an ganz
normale Straßenautos, aber natürlich auch schneller, aber nicht sooo. Junior
jedenfalls bekommt Miss FastCo ab, und Lucky Man’s Freundin taucht auch auf,
und es gibt einmal kurze Verwirrung, weil sie im Bett von Lucky Man eine Nackige
sieht, aber kein Problem, ist nur Junior mit seinem Girl, alles
Friedefreudeeierkuchen. Nur dass Anderson erst Junior ausbootet, und dann auch
Lucky Man hintergeht, indem er ihn durch den Konkurrenten ersetzen will, nicht
nur das, er nimmt ihm das Auto ab, und so weiter und so fort, die Handlung ist
jetzt nicht sooo interessant. Sabotage, Mordanschlag, das Finale hat es in
sich, überzieht dann aber mit einer Verfolgung des startenden Flugzeugs,
Absturz und Feuerball – aber was solls!
Trotzdem ein super Film, weil Cronenberg voll Liebe darauf
schaut, wie Menschen die Maschinen zu zähmen versuchen, wie sie sie pflegen und
streicheln und ihnen Gutes tun, und wie die Maschinen ihnen etwas zurückgeben,
in der Währung Miles per Hour. Und wir hören das Spottern und Krückeln und
Krachen und Brutzeln und Schnarren und Knurren und Röhren und Tönen der
Motoren! Cronenberg bietet uns authentische Einblicke in die Szene, gedreht
wurde offenbar bei echten Dragsterrennen, oben im kanadischen Alberta, wiewohl
der Film im US-Nordwesten spielt.
Unterwegs ist Lucky Man mit seinem Team in zwei Trucks, veredelt mit dem Star-Spangled Banner, wenn‘s übern Highway geht sitzt Lucky Man hinten drin, der Truck ist ausgebaut zu Wohn- und Schlafzimmer, vor allem aber in ein Konstrukteursbüro, Schreibtisch, Pläne, Modelle, alles, was ein schaffenswütiger Ingenieur braucht, der das Objekt so sehr liebt, an dem er rumtüftelt.
Geradezu läppisch dagegen, und ein schöner Kontrast: ein
Film namens „Nackt unter Affen“, dessen Titel schon alles enthält, was
der Film dann auch ist. Afrika, Söldner, ein Überfall auf die Kasse des
Militärs, Tote, ein Oberbösewicht unter den Ganoven, der alle abknallt. Jahre
später: Der Oberschurke ist im Urwald verschwunden, und in einem post- oder gar
altkolonialen Kneipe in, ich glaube, Angola taucht dessen alter Komplize auf,
er hat wider Erwarten überlebt. Die Frau des Wirts, mit der hat er mal was gehabt;
die Tochter macht ihn auch an. Außen, unter Palmen, wird er mal angegriffen und
er kämpft ganz dolle und ein anderer Mann hilft ihm, der hat ihn vorher schon
so angeguckt, wer ist er?
Jedenfalls: Die Tochter geht das erste Mal auf Safari mit, der Bruder will sie beschützen, der Ex-Söldner will von all dem nichts mehr wissen, was genau er da eigentlich macht ist unklar. Safari, das bedeutet: Die fahren durch die Landschaft und sagen: Oh, was schöne Tiere! Elefant, Giraffe und so, und die Tiere sehen wir auch, weil Gottseidank jemand anderes für irgendeinen anderen Film seine Kamera tatsächlich nach Afrika mitgenommen hat, um Nilpferd und Löwen und Antilopen zu filmen, und dessen Filmmaterial hat man hier nun locker geklaut, damit alles echt wirkt. Da! Ein Leopard! Schnell schießen! Aber die Schwester trifft nicht, und der Bruder auch nicht, und wieder ein paar Minuten Film wegerzählt mit spannenden Episoden aus dem Busch.
Naja, sagen sich die Filmleute, wäre jetzt wirklich langweilig, wenn wir nur die Leute durch den Urwald stolpern lassen, und das Fremdmaterial, irgendwann merken das die Leute! Komm, hopp, wir lassen mal die Affen ran! Und tatsächlich: Der Oberschurke ist vom Geldräuber inzwischen zum Mad Scientist mutiert und setzt einem Affen einen Computerchip in die Schläge, keine Kosten und Mühen wurden gescheut, um diese chirurgischen Nahaufnahmen hinzubekommen! Nein, wirklich, die Affenmasken sind hervorragend, sie stechen wirklich hervor aus all dem anderen Zeug, was wir in diesem Film vorgesetzt bekommen.
Affen: Das ist die Erfüllung des ersten Teils der Verheißung
durch den Filmtitel; der zweite Teil, den Regisseur Roberto Mauri (alias Robert
Morris, soll keiner glauben, man hätte es mit Italoschund zu tun!) und seine
„Drehbuchautoren“ in den Film reingepappt haben, das ist die Legende der
„weißen Göttin“. Beziehungsweise der im Originaltitel versprochenen „Eva, die
wilde Venus“. Nun ist die keine weiße Göttin, sieht eher südamerikanisch
aus: jau, Darstellerin Esmeralda Barros ist Brasilianerin, und wohl auch keine Göttin,
sondern mehr so eine Art Tarzanin, aber wurscht. Die jedenfalls haust im
Urwald, und die Ureinwohner – wahlweise als Wilde oder Schwarze oder N***
benannt – gehen da nicht hin, weil sie von Affen bewacht wird. Tatsächlich hat
sie nur so einen Trigema-Schimpansen bei sich, den trägt sie rum und tätschelt
ihn und führt ihn spazieren, aber die wirklichen wilden Affen sind mannsgroße
Gorillas (damit Männer ins Kostüm passen), robotermäßig gehorsam wegen des
Chips, und die entführen die Tochter mit dem schönen Namen Ursula.
Der Bruder steckt‘s dem Ex-Legionär, und sein Papa raunt ihm
zu: „Gut gemacht“, und da wissen wir, dass alles Schmu ist, und der Rest des
Films ist, dass der Söldner sich ermannt, Ursula zu suchen, und darauf freut
sich der
Oberschurken-Exsöldnerchef-verrückterWissenschaftler-Möchtegernweltbeherrscher,
und unterwegs begegnet der Söldner der weißen Göttin und sie verstehen sich
super, und die Affen greifen an, und.
Nee, man kann nicht erzählen, was da alles los ist. Das
Internet würde gesprengt wegen zu viel Inhalt! Er badet und sie guckt zu und
gibt ihm Bananen. Sie – oben ohne, den ganzen Film über – springt in einem
Einsprengsel auch mal in Zeitlupe durch die Landschaft, und da ist sie ganz
nackt, das ist so’n bisschen Playmate, und doch ganz erstaunlich für einen
Film, der vor den 70ern gedreht wurde. Weil hier die kindliche Unschuld, die
der Film die sonstige Zeit von seiner Eva-Göttin erzählt, heftig erotisiert wird.
Man muss ja was bieten. Also noch mehr als Kampfaffen und ein Grottensystem und
gefangene Jungfrauen und einen großen Computer, der mit einem hellen Licht, Auge
genannt, die Affen kontrolliert, und mit einem höchst eifersüchtigen Wirt, der
aber nach außen so freundlich tut, wie es im Wirtsleutestand nun mal gang und
gäbe ist, und dann ist da noch der geheimnisvolle Mann, der vorher mal dem
Exsöldner geholfen hat und wieder auftaucht und nämlich von Interpol ist und
schon ganz lange hinter dem Bösewicht her, und eine Minute später ist er tot,
und wieder ein paar Meter Film durch die Kamera gerattert! Absoluter Höhepunkt
ist eine Boa, vor der alle zurückschrecken, was ne Würgeschlange, und die ist in
derselben Einstellung wie die Schauspieler zu sehen! Heißt: Die müssen in
den botanischen Garten, in dem sie gedreht haben (sicher nicht in Afrika!)
tatsächlich eine echte Schlange um einen Ast gewickelt haben. Production Value!
Am Ende kommt großer Showdown in der
Computerkontroll-Gefängnis-Höhle, alle tauchen auf, jeder erklärt, was los ist,
alle merken, dass alles miteinander zusammenhängt, nach und nach ist jeder tot.
Das ist im Grunde Shakespeare pur!
Und die weiße Göttin nimmt ihren Schimpansen, und wir sehen sie zum Abschied nochmal nackig durch den Busch tanzen, und freuen uns, dass die Dudelmusik nun auch ihr Ende hat.
Harald Mühlbeyer