Grindhouse-Nachlese März 2019: "Dolemite" und "Hi-Riders"


Grindhouse Double Feature, Cinema Quadrat Mannheim, 30. März 2019



"Dolemite", USA 1975, R: D'Urville Martin


"Hi-Riders – Jungs lasst die Fetzen fliegen" / "Hi-Riders", USA 1978, R: Greydon Clark


Dolemite – ja, da klingelt's! Im Jahr 2010, da gab es eine ganze Doppelnacht mit Rudy Ray Moore; von den Filmen selbst weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr viel (könnten also auch nochmal laufen im Grindhouse Double Feature…), aber der Körper, dieser Körper von Mr. Moore: irgendwie vollkommen unproportioniert, zu dick, mit Plautze und Brüsten, ein ungestalter Leib, der so gar nicht zu dem passen will, was Moore darzustellen vorhat: Ein ladies' man, ein Pimp, dem die Weiber freiwillig zu Füßen liegen, ein hartgesottener Ghetto-Bursche, ein Kungfu-Kämpfer vor dem Herrn…

"Dolemite" war sein erster filmischer Versuch. Ziemlich vollkommen missglückt. Gerade deshalb sehenswert: Man muss ja auch gerade im retrospektiven Blick das Scheitern schätzen lernen können. Gleich in der ersten Szene, Dolemite sitzt im Gefängnis und hat seine Mitgefangenen offenbar schon lange zu Kumpels gemacht, da ist oben links was zu sehen, ziemlich direkt vor der Kamera, wahrscheinlich 'ne Lampe oder so, irgendwas Filmtechnisches vom Drehort auf jeden Fall. Später, das ist mit das Lustigste, redet Dolemite mit einem Junkie auf der Straße, und unten rechts hockt der Tonmann mit seinem Mikro – und man sieht ihn!!! Es war wohl tatsächlich so, dass Kameramann Nicholas Josef von Sternberg – jawoll: Sohn des Josef von, der Marlene Dietrich zu der machte, die sie war! –, dass dieser junge Filmenthusiast überhaupt nicht wusste, wie eine Filmkamera funktionierte, weil er wie die Jungfrau zum Kind zu dem Job gekommen war, und so hat er das Bild zu sehr aufgezogen und man sieht Mikros, Beleuchtung und alles das, was eigentlich ausgespart bleiben sollte…

Wobei dies ja nur ein handwerkliches Versehen ist. Kann passieren, wenn Amateure einen Film drehen. Und Amateure warense wohl alle, die bei "Dolemite" mitgemacht haben, Amateure im Filmbereich zumindest. Rudy Ray Moore, Mastermind hinter diesem Film, wiederum war durchaus Profi – Profi im Bereich von Underground-Standup-Comedy, der schon einige Tourneen und einige Platten hinter sich hatte. Und der in den Jahren zuvor die Dolemite-Figur erschaffen hat, als Plattform für komische, gereimte Stories, die er aufgeschnappt hat und die er nun aufpeppt, eine Art Oral History schwarzer Urban Legends; so 'ne Art Proto-Rap-Speech. Man muss also verstehen: Dolemite, die Figur, und "Dolemite", der Film, sind uneigentlich gemeint, als nahezu parodistisch konzipiert, komisch gemeint. Nur, dass diesem ersten Film – im Gegensatz zu "The Human Tornado", dem Nachfolger – es nicht so recht gelingen mag, die ironische Ebene rüberzubringen. Weil er halt viel zu läppisch daherkommt, als dass man irgendwelche Feinheiten erkennen oder gar nur vermuten könnte.

Handlung: Nullachtfuffzehn. Dolemite war zwei Jahre im Knast, aber der Knastchef und Dolemites Freundin Queen Bee wissen, dass er unschuldig ist, weil er von Cops reingelegt wurde, die ihm gestohlene Pelzmäntel und zwei Packen Rauschgift im Kofferraum untergejubelt haben. Das sehnwer in einer Rückblende und auch Dolemites Kampf, sich der Verhaftung zu entziehen: Weil er kann ja Kungfu, oder vielleicht auch Karate, ist alles nicht so richtig auszumachen, zumal die Schläge ja weit von den Körpern der Gegner entfernt bleiben, die aber trotzdem umfallen, und natürlich sind die Kämpfenden viel zu unbeholfen, um irgendeine Art von Choreographie hinzubekommen. Im Abspann immerhin ist als erstes der Martial Arts-Einweiser genannt, und ein nettes Dankeschön an die Chuck Norris-Karateschule gibt es auch.

Jedenfalls soll Dolemite rauskommen und rausfinden, wer an Schulkinder Drogen und Waffen verkauft, einen Mord hat es auch gegeben, und außerdem hat der böse Widersacher Willie Greene – gespielt vom Regisseur des Films, da hat er sich was zugetraut! – ihm einen seiner Clubs weggeschnappt und auch eine seiner Huren, bzw. Mädels. Vor dem Knastausgang erwarten ihn gleich vier, fünf nette Girls, die ihm im Wagen auch ihre Brüste zeigen, dann gibt es einen Mordanschlag, ein missglücktes Drive-By-Shooting führt dazu, dass Dolemite seine Schießkünste zeigen kann, und schon wieder sind ein paar Bösewichter tot. Er hat sich auch gleich nach dem Knast seine schönen bunten Pimp-Klamotten angezogen und steigt wieder ins Geschäft ein, sprich: Mädchen bumsen und Schurken verkloppen und zugleich den Club retten. Zwischendurch erzählt er Stories, gereimt, so, wie Mr. Moore es auf seinen Dolemiteplatten tut, Zuschauer applaudieren, und in diesen Momenten kommt der Film komplett zum Halten.

Wie er ohnehin sehr langsam ist, mit einigen langen, langweiligen Szenen, bis dann wieder der eine oder andere Knaller kommt. Immerhin schaffen's die Filmemacher, dramaturgisch sich zu steigern bis zu einem Eröffnungsabend im Club mit Musik und Tanz, einer Rudy Ray Moore- aka Dolemite-routine, Schlägerei und Schießerei und einem Cop, der Dolemite glaubt, dem einzigen, der nicht korrupt ist. Hatte ich erwähnt, dass während Dolemites Knastaufenthalt seine Girls Karate gelernt haben? Nun geht es aber noch weiter, im Krankenhaus nämlich, wo Killer ihre Aufwartung machen und der gerade noch schwer verletzte Dolemite sie alle abfertigt. Und die Oberkorrupten unter den Bullen tauchen auch auf! Der Bürgermeister wiederum, der hinter allem steckt, wäre vorher schon beinahe bei 'nem Flotten Dreier von einem seiner Betthäschen erschossen worden, war aber selbst zu schnell und killt stattdessen sie; und es gibt einen radikalen Pfarrer, der für den Kampf der Nigger gegen die Weißen Waffen sammelt und der Damenwelt gegenüber auch sehr aufgeschlossen ist. Kurz: Ist alles dabei, was man haben muss für einen Blaxploitation-Actionknaller. Wenn er allerdings besser gemacht wäre, wär's besser – aber zum Glück ist der Abend ja noch nicht zuende!

Denn als Zweites gab es Autoaction. Mark und Lynn kommen neu in die Stadt, sie sind auf der Durchreise, aber sie suchen nach "Action". Ein paar der Kids weisen ihnen den Weg – nachdem ein paar Mädels ihre nackten Hinter- und Vorderseiten aus dem Autofenster gestreckt haben, das ist für die Einheimischen die Action –, Mark und Lynn jedenfalls finden sich bei einer Wette wieder: Ein Autorennen, wer gewinnt, kriegt 50 Dollar. Natürlich verlieren sie. Ja, einer der "Hi-Riders" ist nicht zu schlagen! Mark und Lynn fordern Revanche: Diesmal geht's um 500 Dollar. Natürlich gewinnen sie. Sie sind ein eingespieltes Team, sie haben Bill reingelegt, jetzt ist der sauer. Prellt sie um denn Wettgewinn, und so kommen Mark und Lynn zum Village der Hi-Riders, das sind die Merry Men von Kalifornien, die sich auf einem Filmset, einer alten Westernstadt, niedergelassen haben, da gibt's Bier, da gibt's Autos, sie leben in einer Art motorisierten Hippiekommune, und der Boss findet Mark und Lynn sofort gut.

Die beiden sind so was wie die pärchengewordene Variante des Fahrers und seines Mechanikers aus "Two-Lane Blacktop", wie der Film sich ohnehin aus dem ganzen Individualisten- und Freiheitstopos speist, den das sagenwirmal semi-undergroundische, newhollywoodische US-Kino der vorvergangenen zehn Jahre, also seit Ende der 60er, hervorgebracht hat. Die ganze Bande von "lost boys" (inklusive ein paar weiblicher Anhängsel) macht sich auf zu einem großen Wagenrenn-Festival, bleibt aber in einer Kneipe am Wegesrand hängen. Dummerweise. Denn Billy, der ja ohnehin gerne wettet und ab und zu unfair fährt, fordert einen Einheimischen raus. Zweimal. Das zweite Mal geht's schlecht aus. Die beiden krachen in eine Baustelle, da, wo die Gastanks stehen, und es gibt enorme Explosionen, und damit fängt der Ärger an.

Und man merkt: Ja, der Film hat was. Denn dass bei diesem Unfall die Feuerbälle in die Höhe schießen – klar. Aber, und das ist das Gute: Wenn später Autos kaputtgehen, durch die Luft fliegen etc., dann explodieren sie nicht. Ganz gegen jede Gewohnheit dieses Filmgenres – und das spricht definitiv für die Qualität des Films. Zweites Qualitätsmerkmal: Ein guter Kameramann – im Gegensatz zum "Dolemite"…! Dean Cundey fotografierte später "Halloween" und weitere Carpentersachen, "Zurück in die Zukunft" und weiter Spielberg-Produktionen… Regisseur von "Hi-Riders" ist Greydon Clark, von dem kennen wir den Blaxploitationreißer "Black Shampoo"; hier scheint er sehr viel ernsthafter mit seinem Film umzugehen.

Die Hi-Riders bekommen es mit dem Daddy des verunfallten, verbrannten einheimischen Buben zu tun. Der nämlich hat seine Gang an alten Hinterwäldlern, das sind ungefähr die, die zehn Jahre vorher Dennis Hopper und Peter Fonda von ihren "Easy Rider"-Bikes geschossen haben: Rednecks, die die jugendlichen langhaarigen Autorebellen grundsätzlich scheiße finden und nun einen Anlass gefunden haben. An einer Tankstelle gibt es ein Massaker, fast alle Hi-Riders sind tot. Und schnell beseitigt, so dass der Sheriff wenig Grund zum Eingreifen sieht. Die alten Spießer sind gut organisiert in ihren Pick up-Trucks, immer wieder sehen wir einen in einer Ecke stehen, der beobachtet und die anderen via Funksprechgerät instruiert – Mark, Lynn, der Boss und ein Barmädchen sind übrig, einerseits geschockt, andererseits romantisch infiltriert, an einem schönen Felsenweiher sitzen sie und beginnen mit Liebesszenen, bevor sie gegen die Proto-Trumpwähler Recht und Ordnung wieder herstellen.
Was heute ein bisschen aus der Zeit gefallen scheint, wenn inzwischen – m. E. zurecht – junge, rücksichtslose als Mörder verurteilt werden, die hier aber die Guten sind.

Kein großer Film, das Budget nur minimal höher als beim Low-Budget-Dolemite – aber effektvoll inszeniert, ohne grobe Fehler, wenn man mal von der Softrock-Musikberieselung absieht, wo sehr mau bei Fahrtszenen Einfach-Riffs eingesetzt werden, die sogar Status Quo-Fans beschämt weggucken lassen, und zwischendurch, bei Romantik, säuselt die Akustikgitarre… Aber sonst: Gutgut.
Und: Sehen wir da nicht mal eines der Hi-Riders-Autos mit "Dolemite"-Aufdruck…? Göttliche Fügung, würde ich sagen.

Harald Mühlbeyer