SUNDANCE FILM FESTIVAL 2014: Viermal Adoleszenzkino, viermal Mut und Unbändigkeit?

Jährlich lädt das Sundance Film Festival in Utah zur Feier des weltweiten Independentkinos ein. Stets finden hier horror flicks und comedies ebenso ihren Platz wie Arbeiten, die sich jedweder Genreeinordnung zu widersetzen scheinen; von Bedeutung ist bei der Programmauswahl einzig und allein, dass die Produktionen jeweils einen innovativen Ansatz und eine frische Perspektive erkennen lassen – dass sie unbändig und mutig sind: „Because we all seek something more than the same old story“ (so das offizielle Sundance-Motto). Auch in diesem Jahr war die Bandbreite der gezeigten Werke – und, damit einhergehend, der Sujets, Dramaturgien und Ästhetiken – beeindruckend: Während sich einige Beiträge als „Arthouse-Mainstream“ rubrizieren lassen, können andere ohne Übertreibung als „cineastische Avantgarde“ bezeichnet werden.

Hier findet Sundance statt. (Bild (c) Köhnemann)
Vier Vertreter des Programms von 2014 sollen in diesem Text besprochen werden: HELLION von Kat Candler, YOUNG ONES von Jake Paltrow, 52 TUESDAYS von Sophie Hyde und GOD HELP THE GIRL von Stuart Murdoch. Erzählerisch und optisch verfahren die vier Filme höchst unterschiedlich; sie eint jedoch ein Thema, das seit jeher ein gewisses Maß an jener vom Sundance Institute geforderten Unbändigkeit verlangt: nämlich das coming of age ihrer jungen (Anti-)Helden. Identitätssuche und Selbstwerdung werden in ihnen narrativ und visuell zur Darstellung gebracht – wobei sich wiederum die Adäquatheit der Begriffe „Identität“ und „Selbst“ durchaus anzweifeln lässt (wie dies insbesondere 52 TUESDAYS demonstriert). Es gilt nun zu fragen: Was haben jene vier ungleichen Entwicklungsgeschichten über die condition juvénile mitzuteilen? Und inwiefern sind Innovation, Frische und Mut in ihren Konzepten und Ausführungen vorhanden?

Als erstes Werk sei HELLION vorgestellt – eine Schöpfung aus der Austin/Texas-film scene, von Regisseurin und Autorin Kat Candler, die hier ihr gleichnamiges, sechsminütiges short movie aus dem Jahr 2012 ausgebaut hat. Der titelgebende „Teufelsbraten“ ist der 13-jährige Jacob (Josh Wiggins), der mit seinem Vater Hollis (Aaron Paul) und seinem drei Jahre jüngeren Bruder Wes (Deke Garner) im ländlichen Raum lebt. Seit die Mutter bei einem Unfall starb, ist der working class-Vater sowohl gedanklich-emotional als auch physisch oft abwesend; die beiden Söhne sind somit häufig unbeaufsichtigt.

Jacob ist ein Hitzkopf, ein troublemaker, der Schmerz, Zorn und Konfusion der Adoleszenz in denkbar destruktivem Verhalten ausagiert: Man lernt ihn kennen, als er gerade gemeinsam mit seinen Freunden ein fremdes Fahrzeug mittels Baseballschlägern und Farbspraydosen beschädigt. Seine ratlose Rebellion gegen alles und jeden wird in einer späteren Sequenz auf den Punkt gebracht, in welcher Jacob nach einem Streit (mit Vater Hollis) den Restaurantschauplatz wutentbrannt verlässt und dabei ein trotziges Fuck all of you!“ an sämtliche Anwesenden herausschreit. Kat Candler widmet dem jugendlichen Ungestüm ihres Protagonisten viel Aufmerksamkeit – sie taucht tief in dessen Gedankenwelt (etwa in die Leidenschaft für Motocross) ein. Rowdytum und Vandalismus spiegeln sich – ebenso wie das juvenile Verständnis von Coolness – in den wilden inszenatorischen Methoden des Werks wider, z.B. in der unruhigen Kamera oder dem laut-lärmenden Sound. Die Streetwear der Kids (Caps, Shirts von Metal-Bands, Fetzenjeans etc.) mutet nie wie überspezifische Filmkostümierung an, sondern wirkt absolut glaubwürdig.

Camron Owens, Dylan Cole, Deke Garner, Josh Wiggins aus HELLION
(Bild (c) Köhnemann)
Was den gewiss nicht neuartigen youth in revolt-Stoff letztlich zu mehr als einem soliden Indie-Drama (und zu etwas anderem als der „same old story“) macht, sind zwei Dinge. Zum einen sind alle zentralen Charaktere – auch die Erwachsenenfiguren – differenziert (mit durchschimmernden, individuellen Hintergrundgeschichten) gestaltet, sodass HELLION die zwei gröbsten Fehler, die eine Milieustudie begehen kann, erfreulicherweise vermeidet: Weder werden die Handelnden (bzw. die nicht / selten / zu spät Handelnden) in Form eines moralischen Lehrstücks verurteilt, noch wird hier in Sozialkitsch-Manier Betroffenheit evoziert. Candlers Drehbuch ermöglicht es dem Zuschauer, Anteil am Schicksal des gesamten Personals zu nehmen, ohne die Figuren dabei simplifizierend als „Opfer der Umstände“ darzustellen.

Hollis, der Vater, hat den Tod seiner Frau nicht verkraftet; durch seine Mittel, mit der Trauer umzugehen (Rückzug, Alkohol, Festhalten an Verlorenem), erlegt er seinem Sohn Jacob ein zu hohes Maß an Verantwortung auf. Der 13-Jährige zieht wiederum den Bruder in seine (klein-)kriminellen Aktionen des Aufbegehrens mit hinein – bis das Jugendamt einschreitet und die Familie auseinandergerissen zu werden droht. Es folgen fatale Fehlentscheidungen von nahezu allen Beteiligten – und zugleich wird ein Einblick in deren durchaus begreifbare Absichten geboten. Dass Letzteres so gut gelingt, ist neben der Autorin auch den Schauspielern zu verdanken: Der Debütant Josh Wiggins ist ein beachtenswertes Nachwuchstalent, das über die nötige Intensität verfügt, um den Aufruhr von (v.a. aber in) Jacob beglaubigen zu können; und BREAKING BAD-Star Aaron Paul (als Vater) sowie die wunderbare Juliette Lewis (als Tante) vermitteln in sensiblen, klischeefreien Interpretationen, dass das coming of age – die mit größter Unsicherheit einhergehende persönliche Reifung – im Grunde niemals gänzlich abgeschlossen ist.

Dies führt auch unmittelbar zur zweiten Stärke, die HELLION vom youth cinema-Durchschnitt abhebt: Zwar hat Jacob am Ende message movie-mäßig gelernt, dass man für seine Taten einstehen muss – dennoch ist die Zeit, in der Fehler gemacht und Verletzungen zugefügt werden, mit dieser Einsicht eben höchstwahrscheinlich nicht einfach vorüber. Jacob ist am Ende (noch) nicht der, der er gern wäre – denn das glückt ausschließlich den Helden trivialer Teenagerfilme.

In Jake Paltrows YOUNG ONES – dem nächsten Sundance-Beitrag, der hier kurz betrachtet werden soll – gibt es gleich zwei adoleszente Hauptfiguren. Der writer-director Paltrow offeriert in seinem ambitionierten Werk eine Geschichte um Mord und Vergeltung in geradezu epischer Anlage. Er erzählt die Saga der Familie Holm in Gestalt einer Science-Fiction-/Western-Verschränkung, in welcher dystopisches MAD MAX-Feeling und John Ford’sche territory-Dramatik ineinandergreifen. Der Film – gedreht in Südafrikas Nordkap-Provinz – spielt im Amerika der nahen Zukunft. Aufgrund einer extremen Dürre ist Wasser zu einem raren, wertvollen Rohstoff geworden, derweil es in der Medizin sowie in der (Kommunikations-)Technik zu gewaltigen Fortschritten gekommen ist. Das detailreiche cinematic universe, das Paltrow und sein Kameramann Giles Nuttgens in überwältigend komponierten Einstellungen auf die Leinwand bannen, zeugt (noch unterstützt von Nathan Johnsons wuchtiger Musik) fraglos von Kreativität – gar von einem gewissen Größenwahn, welcher in der Welt des Kinos ja durchaus zu begrüßen ist, insofern er nicht zu einem reinen Effektspektakel führt (was hier eindeutig nicht der Fall ist).

Während YOUNG ONES inszenatorisch ohne Zweifel außergewöhnlich ist, ist das in drei Kapitel aufgeteilte Epos in der Charakterzeichnung wiederum recht klassisch. Ehe die jungen Figuren und deren coming of age in den Mittelpunkt rücken, tritt in chapter one der Familienvater Ernest Holm (Michael Shannon) als Protagonist in Erscheinung. Der Farmer wartet bzw. hofft auf Regen – und versucht, die Existenzgrundlage seiner Familie durch den Verkauf von Alkohol zu sichern. Das zweite Kapitel widmet sich dem Motorrad fahrenden Draufgänger Flem (Nicholas Hoult), der mit Holms Tochter Mary (Elle Fanning) zusammen ist (und diese später heiratet); im dritten Kapitel rächt Holms Sohn Jerome (Kodi Smit-McPhee) schließlich ein feiges Verbrechen. Näheres zur Handlung soll an dieser Stelle nicht verraten werden, da dies dem Werk vieles von seiner (emotionalen) Spannung rauben würde.

Flem und Jerome sind als Typen angelegt (wiewohl es ein paar kleine, reizvolle Brüche gibt): Jerome wird als zurückhaltender, empfindsamer Junge konturiert, der jedoch – um die Unmoral zu strafen und um in die Erwachsenenwelt überzutreten – zu Mitteln der Grausamkeit greifen muss; der bad boy Flem steht indes in der Tradition jener Rebellen, die die US-Schriftstellerin Susan E. Hinton  in den Sechziger- und Siebzigerjahren (als sie selbst noch sehr jung war) erdacht hat und die v.a. dank der Francis-Ford-Coppola-Verfilmungen THE OUTSIDERS und RUMBLE FISH auch als Gestalten des Kinos Kultstatus erlangt haben. Es ist äußerst interessant zu sehen, wie eine Hinton-eske, Motorcycle Boy-ähnliche Figur nun von Jake Paltrow in ein postapokalyptisch anmutendes Wildwestumfeld transferiert wird; schade – und leider allzu konservativ – ist allerdings, dass diese gesetzlose und doch anziehende Figur auch hier (wie schon ihre Vorgänger in den Hinton-Büchern) letztlich scheitern muss. Eine (weitere) Individuation wird ihr nicht zugestanden – bzw. darf ihr wohl nicht zugestanden werden.

HELLION und YOUNG ONES werden – trotz der Beteiligung veritabler Superfrauen wie Juliette Lewis und Elle Fanning – von den männlichen Charakteren und von deren Entwicklungsprozess(versuchen) dominiert. In 52 TUESDAYS und GOD HELP THE GIRL stehen hingegen junge Frauen im Zentrum. Zwar geht es in 52 TUESDAYS – der auch auf der Berlinale lief, in der „Generation 14plus“-Reihe – ebenfalls um eine Mannwerdung – aber nicht um das Werden vom Jungen zum Mann, sondern von der Frau zum Mann: Zu Beginn des australischen Werks von Sophie Hyde erfährt Billie (Tilda Cobham-Hervey), dass sich ihre Mutter (Del Herbert-Jane) einer Geschlechtsumwandlung unterziehen wird. Billie – die seit der Trennung ihrer Eltern bei der Mutter lebt – soll für ein Jahr zum Vater (Beau Travis Williams) ziehen, da die female-to-male transition einige Zeit (und Energie) beanspruchen wird. Ihre Mutter – die sich fortan James nennt – will sich in jenem Jahr des „Übergangs“ jedoch jeden Dienstag mit ihr treffen; und so begleitet der Film Billie und James durch 52 Dienstage – durch Veränderungen des Körpers sowie der Gefühlslagen.

Zwei Punkte sind in Bezug auf 52 TUESDAYS von besonderem Reiz. Zum einen sind dies die Bedingungen, unter denen gedreht wurde. Denn auch das Filmteam fand sich über ein Jahr hinweg jeden Dienstag zusammen, um (in chronologischer Reihenfolge) Material für jeweils einen der 52 Tage zu drehen (wobei die Schauspieler stets erst eine Woche vorher ihr Script für den folgenden Dreh erhielten, sodass sie – wie die Figuren, die sie zu verkörpern hatten – nicht wussten, wie sich die Dinge auf lange Sicht entwickeln würden). Auf diese Weise konnte ein Lebensjahr der Charaktere in Echtzeit mitvollzogen werden. Die originelle Methode wurde im Rahmen des diesjährigen Sundance Film Festivals (und des Berlinale-Wettbewerbs) leider ein wenig von Richard Linklaters Vorgehensweise bei seinem Großprojekt BOYHOOD in den Schatten gestellt, da Linklater gar über ganze zwölf Jahre hinweg die Geschichte eines Heranwachsenden gefilmt hatte. Bemerkenswert ist Sophie Hydes Ansatz – und v.a. das authentisch wirkende Ergebnis – aber zweifelsohne trotzdem.

Zum anderen ist die Figur „Billie“ erfreulich facettenreich – und wird von Tilda Cobham-Hervey mit Verve und starkem Ausdruck interpretiert. Glücks- und Unglücksmomente werden mit äußerster Jugenddramatik durchfühlt: another week, another drama! Während James eine Beziehung mit einer Arbeitskollegin (Danica Moors) eingeht (diese aber vor Billie geheim hält) und sich mit anderen Transgenderpersonen austauscht, lernt die Teenager-Tochter in der Schule das Pärchen Jasmine und Josh (Imogen Archer und Sam Althuizen) kennen und beginnt mit den beiden eine experimentierfreudige ménage à trois, die sie mit ihrer Videokamera einfängt. Durch jene von der Heteronormativität abweichende Form der Dreiecksliebe, in welcher das Begehren zwischen Billie und Jasmine alsbald ebenso intensiv ist wie das zwischen Billie und Josh bzw. zwischen Josh und Jasmine, behandelt 52 TUESDAYS neben James’ transition diverse gender- und queertheoretisch interessante Aspekte; und auch Billies éducation sentimentale (et sexuelle) ist – wie jene von Jacob in HELLION – am Ende des Films keineswegs zum Abschluss gekommen.

Um besagte „Erziehung der Gefühle“ filmisch zu erkunden, wird in GOD HELP THE GIRL (ebenfalls auch im Berlinale-Generation 14plus-Programm gezeigt) wiederum das traditionsreiche Feld des Musicals bespielt. Die Geschichte um die musikalischen Ambitionen eines Jugendtrios in Glasgow ist das Drehbuch- und Regiedebüt von Stuart Murdoch – Gründungsmitglied der Indie-Pop-Band Belle and Sebastian. Es basiert auf Murdochs gleichnamigem Konzeptalbum von 2009.

Der Film wirkt, als hätte sich der (leider bereits verstorbene) französische Kinonostalgiker Jacques Demy (LES PARAPLUIES DE CHERBOURG) an eine Neufassung der Susanna-Kaysen-Autobiografie GIRL, INTERRUPTED gewagt. Die Heldin des Werks ist Eve (Emily Browning), eine einsame junge Frau, bei der einem zuerst einmal unwillkürlich das Adjektiv „zerbrechlich“ einfällt. Sie folgte einst ihrem Ex-Freund von Australien nach Schottland – und fand sich (nachdem ihr Leben völlig außer Kontrolle geraten war) in einer Klinik wieder. Dort wird Eves Anorexie nun noch immer behandelt.

Regisseur Stuart Murdoch (Bild (c) Köhnemann)
I wanna go back to life“, erklärt Eve – und so versucht sie, aus dem Schreiben und Performen von Songs neue Kraft zu schöpfen. Mit dem ungelenk-charmanten James (Olly Alexander) und der flatterhaften public school-Prinzessin Cassie (Hannah Murray) gründet sie eine Band – und muss neben Unbeschwert-Fröhlichem (wie z.B. kayaking im Clyde oder einem GREASE-würdigen Auftritt im Seniorenheim) auch Enttäuschungen und Rückschläge erleben. Zum einen zelebriert GOD HELP THE GIRL die Schönheit Glasgows sowie den Hipster-Chic seiner Figuren und animiert mit einigen Nonsens-Momenten zum Lachen; zum anderen nimmt er die Probleme von Eve, James und Cassie aber sehr ernst – und macht deutlich, dass zwischen der young and fun-Welt, die sich das Trio zu konstruieren versucht, und der Realität eine erhebliche Lücke klafft. Dieser Lücke gilt es sich letztlich zu stellen.

Alles in allem lässt sich sagen, dass HELLION, YOUNG ONES, 52 TUESDAYS und GOD HELP THE GIRL vier ansehenswerte Werke sind, die mit erkennbarem Herzblut entstanden sind. Während sich in HELLION v.a. in der Differenziertheit der Protagonisten- und Konfliktdarstellung Mut und Frische bekunden, sind es in 52 TUESDAYS nicht zuletzt die aufgeworfenen Fragen der Gender- und Queer-Theorie, die den Film herausheben. YOUNG ONES weist einen vergleichsweise konventionellen dramatischen Bogen auf, beweist jedoch einen starken Gestaltungswillen und hat in seinem Weltentwurf (über-)zahlreiche Ideen zu bieten; GOD HELP THE GIRL weiß hingegen in erster Linie aufgrund der Auslotung jener Diskrepanz zwischen einer juvenilen Gegenwelt und der Wirklichkeit zu überzeugen.

Andreas Köhnemann

Deutsches Kino auf der Berlinale (I) - KREUZWEG

Um den deutschen Film ist es gut bestellt. Sicher, dieser Schluss ist subjektiv und, zugegeben, nicht alles habe ich sehen können. Aber die Filme mit Kennzeichen D, die ich gesehen habe, die können sich – nun ja – sehen lassen. Auch zahlenmäßig lässt sich ein positiver Trend ausmachen, zumindest wenn man auf die Haupt- und Vorzeigesektion der Internationalen Filmfestspiele, den Wettbewerb, blickt. Waren darin letztes Jahr lediglich Thomas Arslans GOLD und LAYLA FOURIE von Pia Marais vertreten, sind es 2014 doppelt so viele Anwärter auf den Goldenen Bären gewesen. Mehr noch, wenn man George Clooneys verunglückten MONUMENTS MEN als deutsche Co-Produktion mit einrechnet. Man müsste dann allerdings auch Wes Andersons gefeierten Berlinale-Eröffner und Grand-Jury-Preisträger GRAND BUDAPEST HOTEL, der u.a. vom Medienboard Berlin-Brandenburg und der baden-württembergischen MFG bezuschusst und in Babelsberg, Görlitz und sonst wo in Sachsen gedreht wurde, mitberücksichtigen. Außerdem Lars von Triers überraschend witziger und berührender NYPHOMANIAC VOL. 1 sowie STRATOS (bzw.: TO MRKO PSARI), den Beitrag von Yannis Economides, der von einem Auftragsmörder im von der Finanzkrise zerrütteten Griechenland handelt (was den deutschen Unterstützersummen der FFA und der Film- und Medienstiftung NRW für diesen Film durchaus etwas Ironisches verleiht).

Aber hier sei nicht von schnödem Kraut-Funding mit Regionaleffekt oder dergleichem die Rede, sondern von genuinen deutschen Filmen (wie immer man die im Detail als solche definieren mag, etwa über den/die RegisseurIn oder die Themen). Neben JACK (HIER besprochen) sind das im Wettbewerb der Berlinale 2014 Dominik Grafs DIE GELIEBTEN SCHWESTERN, KREUZWEG von Dietrich Brüggemann und Feo Aladags ZWISCHEN WELTEN. Daneben präsentierte die Sektion Panorama Entdeckungen und Empfehlenswertes, darunter Maximilian Erlenweins hard-boiled Thriller STEREO und ÜBER-ICH UND DU von Benjamin Heisenberg (SCHLÄFER, RÄUBER); außerdem – der Name sagt es – die Perspektive Deutsches Kino, in der vor allem ZEIT DER KANNIBALEN von Johannes Naber (DER ALBANER) ein schwarzkomisches Muss war und ist.

Sicher sind nicht alle diese und der andere hiesigen Werke (gleich) gelungen. Insgesamt jedoch zeigte sich der aktuelle deutsche Film in Berlin als überraschend vielfältig, weniger festivalgenerisch bieder und darin auch noch erstaunlich profund und gelungen. Nach Saarbrücken also setzt sich die Glückssträhne, wohl mehr aber noch der Entwicklung in Sachen Vielfalt und Güte des heimischen Kinos fort. Eines, das sich anschickt, nicht zuletzt im Ausland an Beachtung und Renommee (hinzu) zu gewinnen.

1.         KREUZWEG
Dietrich Brügge zum Retter des jüngeren deutschen Kinos, quasi zum „Brügge Man“, auszurufen, der die Gräben zwischen Anspruchskino, Festivalkino und Unterhaltungskomödie jenseits der gereihten Gags schließt, dürfte etwas hochgegriffen sein. Ein Hoffnungsträger scheint er aber allemal, hat er doch mit seinen letzten beiden Filmen, RENN, WENN DU KANNST und vor allem dem einnehmenden DREI ZIMMER/KÜCHE/BAD durchaus etwas zu sagen und zu zeigen gehabt, was das Leben und vor allem die Lebensstimmungen und -findungsschwierigkeiten der Anfang-, Mitte-20-Jährigen betrifft. Gerade im letztgenannten Film, der die Generationsstimmung in der Situation des wiederkehrenden Wohnungsumzugs so symbolisch wie szenisch-narrativ und ganz konkret aufgriff und einfasste, war Brüggemanns Botschaft, laut Rüdiger Suchsland auf Artechock, eine „sympathische Verteidigung der Vorläufigkeit“. Brüggemann als Chronist wäre an sich aber nicht so spannend ohne seine Handschrift und dem damit verknüpften, kindlich-entdeckungsneugierigen, aber nicht pubertären Humor, der sich stets durch ein Moment des Arrangierten, des Gestellten und Gesetzten auszeichnet. Die Bilder sind klar und mit dem Hang (wenn nicht: Liebe) zur Geometrie komponiert, ebenso die Figuren, die – das überrascht – darin nicht ihre Lebendigkeit verlieren, sondern erst behaupten, erstreiten, erlangen. Brüggemann ist kein Komiker, aber seine Weltsicht ist selbst im Drama eines trocken-sarkastischen Querschnittsgelähmten (Robert Gwisdek in RENN, WENN DU KANNST) eher die eines Jaques Tatis oder Buster Keaton denn eines Chaplins.

Diese einfallsreiche, zugleich virile und bisweilen sehr pointierte „Steifheit“ hat den einen oder anderen Kritiker zumindest im Trailer zur KREUZWEG aufs Glatteis geführt. Denn Brüggemann hatte letztes Jahr einiges Aufsehen erregt, als er auf seinem Blog zur letztjährigen Berlinale gegen die „Berliner Schule“ und dabei auch Arslans GOLD wetterte. Und nun erweckte er mit KREUZWEG (der nun – auch so eine Ironie der Festivalgeschichte – selbst im Wettbewerb lief) bei dem einen oder anderen Schreiber vorab den Eindruck, sich selbst auf das gleiche filmische Terrain zu begeben. Der Verdacht war unbegründet. Zusammen mit seiner Schwester und Co-Autorin, der wunderbaren Schauspielerin Anna Brüggemann, ist er formal, gar formalistisch zurückgekehrt zu seinem ersten Spiel- und HFF-Potsdam-Abschlussfilm NEUN SZENEN von 2006. NEUN SZENEN: In acht langen, statischen, ununterbrochenen Einstellungen und einer ebenfalls ungeschnittenen Plansequenz (eine Fahrt durch den Park) wird episodisch, die Figuren ablösend und ihre Wegen überschneidend, von Orientierungslosigkeit und den Beziehungssorgen der Post-Abitur-Zeit erzählt. Das hatte inhaltlich wie formalästhetisch noch etwas von Experiment mit unverkünsteltem Appeal und gelungener Übung. Entsprechend spannend ist es nun, wie sich Brüggemann mit dem selben Ansatz einem ganz anderen, ernsteren Thema in KREUZGANG widmet. Aus neun sind vierzehn Szenen geworden (gedreht in ebensovielen Tagen), die Stationen des Weges Jesu zum Kreuz und darüber hinaus eben, die als solche im Film selbst jeweils (und bisweilen boshaft) kapitelhaft tituliert sind. „Jesus wird zum Tode verurteilt“ (der Firmungsunterricht), „Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern“ etc. in starren Halbtotalen, in Räumen, einmal im Auto, schließlich eine Fahrt in der Kirche, eine Kamerakranfahrt ganz am Ende.


KREUZWEG ist, so Brüggemann, kein Religions-Bashing, aber es fehlt schwer, gerade in der gewählten Form (oder aus ihr heraus) zumindest keine bissige Ironie zu verspüren und sie bei aller Tragik der Geschichte zu genießen. Ein bisschen erscheint KREUZWEG wie ein Gegenentwurf zu und doch entfernter Geistesverwandter von Katrin Gebbes an die Nieren gehenden TORE TANZT. Es ist eine Opfergeschichte eines jungen Menschen, der seinen religiösen Glauben (zu) ernst nimmt und in voller Konsequenz leidend durchexerziert. Wobei sowohl Gebbe wie Brüggemann – die eine mehr, der andere etwas weniger – den Zuschauer wahlweise spöttisch oder unbequem Berechtigung dieses Passionswegs qua bestätigender Erfüllung und Sinn mit kleiner Geste beigeben.

In KREUZWEG (dessen Kinoplakat ebenso frech überzogen ist wie das von NYMPHOMANIAC), geht es freilich um keinen „Jesus-Freak“, der in der Gartenlaube drangsaliert wird, sondern um die vierzehnjährige Maria (eindrucksvoll: Lea van Acken) die mit ihrer Familie den Lehren der (im Film umbenannten) konservativ-traditionalistischen Pius-Bruderschaft folgt. So wächst das Mädchen, befeuert vom attraktiven, schwungvoll beseelten Pater (Florian Stetter), in der Gewissheit auf, dass moderne Musik wie Soul und Rock ebenso des Teufels ist wie es ihre Pflicht, den modernen Verlockungen zu wiederstehen, immerzu wachsam, tugendsam und mithin verzichtsvoll zu sein. Die gestrenge, dominante Mutter tut im Elternhaus das übrige in puncto katholischer Ordnung, und weil der kleine Bruder nicht spricht, sich Maria quasi für ihn aufopfern will, geht sie ihren Weg, auch wenn sie ein freundlicher Schulkamerad oder der durchsäkularisierte Alltag, etwa des Schulsports, quasi in „Versuchung führen“.

Die Brüggemanns diffamieren mit KREUZWEG Religion und katholische oder sonstwelche Lebensführung nicht, sie führen weder den jungen Priester vor, noch stilisieren sie die von Franziska Weisz fabelhaft gespielten Mama zur fanatisch eifernden Mutter einer CARRIE, im Gegenteil. Aber sie nehmen klar Partei, zeigen zumindest unaufdringlich Mitleid für die Seelennöte ihrer jungen Protagonistin und üben darüber deutlich, wenn auch „unausgesprochen“ und zwangsweise Kritik an der Erziehungsbeengung und Indoktrination von ungeschützten jungen Seelen, denen, wie eben hier in Marias Fall, leider keine reelle negative Religionsfreiheit zukommt. Eine Freiheit eben nicht nur für, sondern auch gegen den oder zumindest ein Stückweit vor dem reglementierenden Glauben. Eine Freiheit, die im Privaten unterhalb des Radars von Erziehern, Jugendämtern, Ärzten, allzu leicht, blind und dummerweise in bester Absicht fatal verwehrt wird.

Umso mehr schmerzt es, zuzusehen, wie diese Opfer-Figur Maria nicht nur in dem clever und dicht gewebten Netz dogmatischen Argumentationen und einer Selbstreflexivität, die zur permanenten Skepsis der eigenen Beweggründe noch im Handeln unter den Vorgaben des Gebotsregimes auffordert, eingewickelt ist, sondern wie sie dieses selbst noch letztlich über die Maße hinaus weiterspinnt, all die Forderungen und die Hingabe übererfüllt. Und zwar so, dass sie praktisch nichts macht. KREUZWEG ist damit auch eine kleine, recht einfache und deshalb so wirksame Parabel über die Mechanismen des Fundamentalismus und einem schnell verlorenen Kampf dagegen, einer, der selbst einen für Gott gegen die verderbte Welt befiehlt. Und es ist ja nicht so, dass diese blasse, schlaksige Maria nicht aufbegehren oder wenigstens einen Ausweg suchen, besser gesagt: andenken und ausprobieren würde. Doch auch der kleine und harmlose, mit einer Notschwindelei beförderte Versuch, den Kirchenchor des netten Schulkameraden zu besuchen, endet schnell und das erbsündige Schuldbewusstsein ins Konkrete, den Familienbund hinein, steigernd, finalisierend. Und so wird Hingabe zur Aufgabe, Buße und Eigen-Geißelung zur Ich-Entsagung. Ach, hätte sie sich doch als die missionarische Vorkämpferin gegenüber der Mutter geriert, die gegen den Gospel des Mitschülers ankämpfen will, so wie es ja der Priester anmahnte – vielleicht wäre sie durchgekommen. So aber wird sie in eigener Sache zur eifrigen Avantgarde, die inneren Augen zum Himmel gerichtet.

Das erscheint alles in seinem Thema vielleicht etwas bemüht, auch anachronistisch, zu irrelevant zumindest in der Blickrichtung. Hätten Dietrich und Anna Brüggemann, selbst (wenn auch moderat) katholisch erzogen, vielleicht in gleicher Form, in ähnlicher Weise, von Taliban und Jihadisten erzählen sollen oder können? Auf dass am Ende nicht das Grab, sondern der Sprengstoffgürtel wartet? Wäre das möglich, erlaubt gewesen, ein gänzlich anderer Film geworden? Der böse Fremde mit der Bombe statt einer jungen, keuschen Dulderin? Aber auch im sogenannten Westen ist die religiöse (mithin natürlich: christliche) Religion und ihr Freiheits- und Gestaltungsanspruch wieder auf dem Vormarsch. Und insbesondere dahingehend KREUZWEG ist eine generelle Auseinandersetzung mit dem Geltungsrang und dem Gültigkeitsraum von Überzeugungen im modernen, pluralistischen Alltag und den Verwerfungslinien und Reibungspunkten dazwischen. Wie viel Toleranz muss da, darf da sein, wie viel an Partikularrecht? Der Film selbst reißt die Frage an, wenn im Sportunterricht die Lehrerin für Maria die Popmusik ausschaltet und hernach ihre Not an mit den kecken Buben, die es jetzt aber wissen wollen: Was, wenn meine Religion es verbietet, am Sport teilzunehmen? So wie übrigens bei den muslimischen Mitschülern?   

Gerade aber was die spezifische Religiosität Marias angeht, bekommt die Auflösung der Szenen in einzelne, wenige Tableaus, die in NEUN SZENEN eher noch selbstzweckhafter wirkte, weil ohne zwingenden thematischen Widerhall, in KREUZWEG eine bemerkenswerte formale Bedeutung und entfaltet besondere Wirkung. Das ästhetische Konzept mag sich für einen oder anderen in sehr den Vordergrund drängen. Doch selbst das lässt sich KREUZWEG und Brüggemann gar nicht vorwerfen, denn das Ikonische, das eigentliche oder metaphorische Bild(nis)hafte selbst ist dem Film ohnehin ebenso einreflektiert wie dem Christentum und besonders dem Katholizismus, so dass sich Spott- und Andachtsgemälden hier ineinanderschieben – nicht nur das des „Genres“ Kreuzweg oder des Passionsspiels, sondern auch des Kinos selbst. Wenn also in der letzten Einstellung das Grab schnöde mit einem kleinen Schaufelbagger in der Herbstsonne zugeschüttet wird, lässt sich das lesen als letzter ironisch banalisierender Kommentar, ein Seitenhieb, aber auch als verwahrende Abkehr von jener filmischen Anrührungssprache, die Beerdigungen gerne und häufig mit schwarzgewandeten Trauernden im Regen besetzt.     
    
Nicht zu Unrecht also wurden Anna und Dietrich Brüggemann für ihr KREUZWEG-Drehbuch mit dem Silbernen Bären 2014 ausgezeichnet. Am 20. März kommt der Film im Verleih von Camino in die Kinos.

zyw

BERLINALE 2014: Malen nach Zahlen

Monuments Gähn: George Clooney und sein dreckiges halbes Dutzend haben in Berlin nicht nur die ordentlich die Herzen der Deutschen gestohlen, sondern mit MONUMENTS MEN leider auch Geduld und Lebenszeit des Publikums. Sicher, die Crew, die der von Clooney selbst gespieltem Kunsthistoriker Stout da um sich schart, sechs Kollegen in Uniform und im Auftrag des Weltkulturerbes (damit quasi im Namen des Humanismus per se, wie wieder und immer wieder, gerne auch aus dem Off vorgebetet wird), sie sollen zum Ende des Zweiten Weltkriegs von Nazis geraubte Kunstschätze wiederfinden und vor allem vor der Vernichtung schützen. Und sind selbst eigentlich kostbar, verheißt wenn auch nicht großes Kino, so doch erhebliche Unterhaltung: Matt Damon, John Goodman, Bill Murray, Jean Dujardin und Bob Balaban, dazu noch Hugh Bonneville als britischer Major Donald Jeffries. Dazu noch eine fesselnde historische Randepisode des Zweiten Weltkriegs – ein zünftiger Kriegsabenteuerspaß sollte da zumindest drin sein.

Und, sicher, Ausstattung, Kamera, Musik, alles ganz ordentlich. Woran es aber krankt, ist das Skript, mithin die Story. Dafür zuständig ist ebenfalls Clooney, zusammen mit Grant Heslov, der schon an GOOD NIGHT AND GOOD LUCK, MEN WHO STARE AT GOATS oder IDES OF MARCH mitgewirkt hat. Diese Filme waren dramaturgisch alle auch nicht der große Wurf, funktionierten aber halbwegs. MONUMENTS MEN hingegen kann sich zwischen Kriegsdrama, Abenteuer und Guido-Knopp-Doku nicht nur nicht entscheiden, der Film versucht es erst gar nicht und glaubt stattdessen, sich mit einigen müden Griffen in die Drehbuchkiste durchmogeln zu können. Wird schon klappen, versendet sich in Georges Strahle-Grinsen. Schön wär’s.

Schnauzer-Clooneys Stout versammelt seine Mannschaft, nach kurzem Training geht es in den Einsatz. Was dann passiert ist ein episodisches Stückwerk, dessen Zusammenhang in sich und untereinander allzu fadenscheinig – etwa der Brügge-Michelangelo-Madonna-Handlungsstrang: Für diese gibt Jeffries sein Leben und Stout sucht sie fortan wie Tom Hanks seinen Private Ryan oder Indiana Jones den Gral, nur weit biederer und überdeutlicher Würzung des geschichtlichen Auftrags mit emotionaler Symbolkraft. Menschlich drameln darf es denn auch sporadisch und oberflächlich, Matt Damon und Cate Blanchett als französische Kunstsammelstellen-Sekretärin im ehemaligen Dienst des „Dritten Reichs“ etwa ergebnislos um einander herumscharwänzeln, Goodman seinen gefallenen Kameraden betrauern. Aber MONUMENTS MEN nimmt sich weder Zeit, noch sonderliches Interesse für seinen Figuren. Bestenfalls wird eine Backstory-Wunde behauptet, meistens nicht mal das. Und weil sich die „Monuments Men“ dann auch noch in kleine Grüppchen auf- und in Europa verteilen, ist auch aus dem Zusammenspiel der beachtlichen Charakterköpfe nichts zu gewinnen.

Außer Kalenderweisheiten zum hehren Menschheitswert der Kunst allgemein und im Speziellen gibt es für die Darsteller nichts zu tun, so dass sie, alleingelassen, sich selbst imitieren, Ausdrücken, Gesten und Posten zum Besten geben, die man von ihnen erwartet, die immer gut ankommen. Jean Dujardin grinst weiß und brav sein OS-117- und THE-ARTIST-Grinsen, als er das erste Mal ins Bild kommt – warum bloß; ach egal. John Goodman kuckt lustig-mürrisch oder betreten, wobei sich vor allem bei letzterem der Mund um Knautschgesicht zum einem großen umgedrehten „U“ verzieht. Matt Damon ist wieder der dumpfbackige „aufrechte Kerl“, für den ihn die SOUTH-PARK-Macher (und nicht nur sie) veralbert haben. Und Bill Murray gibt Bill Murray, eine Routine, die immerhin passt, weil das ein Bill Murray ist, der sich und den Quatsch um sich herum eh nicht ernst nimmt. Ein Bill Murray, wie ihn Bill Murray in LOST IN TRANSLATION selbst ja mal brillant und ergiebig vorgeführt und dekonstruiert hat. Kurzum, ein Uwe Boll hätte ein solches Schauspielerpotenzial nicht ärger her- oder hinrichten, und der hat ja wenigstens wenig Geld und seine Darsteller die Ausrede, dass sie es nur wegen jenem mal kurz, einen Drehtag zwischendurch, gemacht haben.

MONUMENTS MEN, ausgehend von Robert M. Edsels romanhaftem Sachbuch mit dem pompösen Titel The Monuments Men: Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest Treasure Hunt in History ist sicher nicht in allem geschichtlich akkurat. Da sei ihm verziehen. Schwerer wiegt, dass er allzu oft bemüht launig wird oder abwegig ohne Gewinn (etwa in jener Szene, in der Matt Damon auf eine Miene tritt und sich seine Kameraden sich heldenhaft-solidarisch weigern, in Deckung zu gehen, nachdem sie das Ding notdürftig gesichert haben und Damon den Fuß vom Zünder nimmt). Ohne Not präsentiert Clooney hohle Pappgesellen, deren „Ungewöhnlichkeits“-Verheldung umso dürftiger erscheint, je mehr patriotistisch und selbstüberzeugt sich der Film geriert.

So langweilt Clooney mit der stolpernden Geschichtslektion  und -lektiönchen. Die letzte halbe Stunde besteht gefühlt aus einer langen Reihe von Entdeckungen toller Kunstschätze, auch Gold (und, soviel, Schrecken muss dann doch sein: Goldzähnen) in irgendwelchen Höhlen und auf Neuschwanstein. Als Computerspiel hätte MONUMENTS MEN besser funktioniert. Oder, ach, hätte Clooney nur statt der comic-vordergründigen Zelebrierung seines spannenden Themas wirklich einen reinen, echten Dokumentarfilm gemacht. So jedenfalls sind sogar die beiden Dan-Brown-Verfilmungen ansprechender, dabei ebenso lehrreich und niveauvoll.

Aber die Deutschen freut’s, diese verplemperte Zeit zwischen Vor- und Abspann, nicht nur weil Clooney samt Mannschaft sich ein Stelldichein auf der Berlinale gab und dort eine dank den JournalistInnen peinlich nichtssagende, schwärmerische Pressekonferenz bereiten ließ. Sondern auch weil MONUMENTS MEN ordentlich mit deutschen Geld ausgestattet wurde und gehörig in Deutschland, vor allem natürlich in Babelsberg, entstand. Daher darf auch Justus von Dohnányi einen typischen Nazi, lustvoll nah an der Grenze zur Parodie, geben – und MONUMENTS MEN eher aus Prestigegründen und Glamour denn aus Güte im Wettbewerb laufen.

Ob themengerecht das Produktionsprojekt ein erneutes Zeichen der US-deutschen Bewältigungs- und Aussöhnungsgeschichte ist, eine Form später perfider Revanche oder umgekehrter Fortsetzung der Unsitten von einst: statt unschätzbare Werke zu verschleppen oder zu vernichten nun drögen Mist mitherstellen und in die ganze Welt verteilen? Zugegeben, das ist jetzt sehr harsch geurteilt, so rundum und durch und durch ist MONUMENTS MEN ja nicht missglückt. Versteckt in einer Heilbronner Salzmine hätte man dem Film freilich auch nicht groß nachspüren müssen...

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BERLINALE 2014: Hit the Road ...


Daniel ist zehn Jahre alt, und hat es nicht leicht. Denn nicht nur wächst er in liebvollen, aber ungeordneten Verhältnissen in Berlin auf, sondern heißt darüber hinaus auch gar nicht Daniel. Sondern Jack. So wie der Film. Beziehungsweise: der Film nach seiner kleinen, gebeutelten Hauptfigur, eine, die umso gebeutelter ist, als sie es gar nicht merkt. Ivo Pietzcker (wirkt irgendwie wie ein junger Hanno Koffler) spielt den kleinen Kerl überzeugend, aber das muss nichts heißen – oftmals sind Kinder einfach vor der Kamera. Punkt. Keine Kunst, keine Technik, sondern: Sein. Das kann schief gehen, hier ist es geglückt. Auch wie sich die Regie von Edward Berger in JACK nicht nur die filmischen Mittel auf Augenhöhe halten, sondern, zudem, immer ein klein wenig darüber, emotional, verständnistechnisch.  Das hat den großen Vorteil, dass wir nicht nur dumm mitfühlen müssen, sondern dass wir das Hundsgemeine, das Gedankenlos-Gemeine auch kühl erkennen, ein- und abschätzen können. Das hat den Nachteil, dass wir, dramaturgisch, erzählerisch geschult, immerzu voraussehen, was da uns und dem jungen Helden blüht. Zugleich aber schätzen wir umso mehr den geglückten Schluss, in dem Jack selbst – sowohl endlich wie leider – begriffen hat, wie es um ihn herum zugeht. Was er zu tun hat. Was er sich abzuschminken hat. Und welche Verantwortung er übernimmt. Ein optimistischer wie pessimistischer Schluss, umso beeindruckender weil: von leichter Hand.

Aber warum Jack jetzt Jack heißt und mithin JACK eben JACK – ich weiß nicht. Ein verunglückter Angloamerikanismus, der schielt und verweist? Vielleicht aber auch: weil Jacks Mama (gelungen besetzt: Luise Heyer), die selbst noch recht jung ist, eben so drauf war und ist, ihren Sohn so zu benamen. KEVIN wäre auch allzu unmöglich heute. Überhaupt ist Mama vielleicht nicht nur Schuld am Titel, sondern überhaupt an der Misere, von der er handelt. Jack muss auf seinen kleinen Bruder Manuel (Georg Arms) aufpassen, zeigt sich schon in der Auftaktszene, in der er Papa und selbst Kind zugleich ist, durch die Wohnung hetzt, sich eilig anzieht, rudimentäres Frühstück macht, hilflos und abgeklärt zugleich. Die Mutter ist, mal wieder, nicht zu Stelle. Aber der Film (Drehbuch Berger u. Nele Mueller-Stöfen) denunziert sie nicht, zeichnet sie als Frau, die selbst bewusstseinsmäßig noch nicht ganz ausgereift ist. Man glaubt ihr gerne, dass sie Jack und Manuel von ganzen Herzen liebt, sieht sie mit ihnen herumtollen, wie sie sich alle drei quasi gegenseitig wärmen. Aber es ist eben auch eine Frau, die ihr altes Mädchen-Leben, die Partys, die Freunde, die freiheitliche Verantwortungslosigkeit nicht aufgeben will – oder eher: kann. Es ist eine überforderte Frau, hinter deren Glück immer schon dessen Illusion und der Absturz hervorschimmert. Eine Mutter, die im Amt auf keinen Fall ihr Kind fortgeben will, die es aber dann auch im Heim lässt, wenn es ihr halt nicht passt, es vergisst. Was, so gesehen, natürlich auch so ein erzählerischer Kunstgriff ist, der leicht gebraucht das Publikum anzurühren. Andererseits: ein Drama, vielleicht auch Tragödie mit eigenem Recht und eigener Dimension.

Aber hier, in diesem Film, ist es vor allem Jacks Geschichte, und die funktioniert wie sie ist. Der kennt die Schattenseiten der Mama, aber als er den Bruder, der ihn klaglos als Erziehungsberechtigten akzeptiert, in die zu heiße Badewanne steigen lässt, ist Schluss mit dem (auferzwungenem) freien "Schaffst-du-schon"-Leben. Ob trotz oder wegen Mama (und ihrem erratischen Wesen) – Jack kommt ins Kinderheim. Dort hat ihn ein Älterer auf den Kiecker (auch so ein Plot-Device), bis ihm Jack, pädagogisch natürlich unlauter und moralisch völlig daneben, gleichwohl emotional ausgleichstechnisch durchaus befriedigend und gerechtfertigt mit einem Ast Eins überzieht. Jack türmt, schlägt sich durch und zurück in die Stadt, wo er Mama daheim nicht findet, wenigstens dann aber seinen Bruder bei einer Bekannten, sodass sie zu zweit durch die Stadt wandern, auf der Parkbank oder in einem kaputten Auto in der Tiefgarage nächtigen, immer wieder vor der Mietshauswohnung aufkreuzen. Der Schlüssel im Schuh auf dem Flur ist nicht da. Das vielleicht in mehrfacher Hinsicht traurigsten Bild, dass das Drama des verblüffend zwingend auf den Punkt bringt.

JACK ist die Geschichte einer Odyssee kleiner Menschen, auf der Suche, auf der Flucht. Dass es nicht nur in Kriegs- und Entwicklungshilfegebieten, sondern hier, bei uns, Kindern dreckig geht – und wie einfach und schnell das passiert –, ist leider nicht nur allgemein keine Neuigkeit mehr, sondern auch schon im Kino thematisiert (ja ja, wie DER JUNGE MIT DEM FAHRRAD von den Dardennen). Daraus aber eine solch kleine und zugleich existenzielle Erzählung (Trinken, Essen, Schlafen) zu schaffen, ohne ins Melodramatische abzudriften, ist eine Kunst, die Berger beherrscht – einfach deshalb, weil er das Melodramatische nicht einfach anti-betroffenheitsschulmeisterlich leugnet und zu negieren sucht, sondern etwas im Soundtrack etwa mit kurzen, pointierten Streichereinsätzen eingesteht und annimmt, ohne ihm zu verfallen. Damit fängt er nicht nur die Weltdimension der Erlebnisse für Jack ein, sondern nimmt und selbst mit der (traurigen) Gewissheitserfahrung von Erwachsenen sowohl ernst wie an die Hand. Zwischen Überwältigung und ebenso kalkulierter, noch enervierender weil manipulativer Lakonik und Distanz: Diese gelungene, ungewöhnliche Gradwanderung in Einklang mit seinem „Blickwinkel“ macht den in Vielem sozialproblemfilmkonventionellen, zugleich derart vorzüglich einfachen JACK so bemerkenswert und, denkt man darüber nach, absonderlich nachhaltig im eigenen sozialproblematischen Gefühlshaushalt. Ein Film, wie Jack selbst, der vor allem dann wächst, erwachsen und erwachsener wird, vor allem, wenn man ihn gesehen hat und - wie Jacks Mutter - nicht hinschaut.

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Grindhouse-Nachlese Januar 2014: „Re-Animator“ und „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“

„Re-Animator“, USA 1985, Regie: Stuart Gordon.


„Doomsday Machine“ / „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“, USA 1972, Regie: Harry Hope, Lee Sholem.



Stichwort Leben nach dem Tod. Stichwort Wissenschaft. Stichwort Fortschritt. Stichwort Selbstzerstörung. Summa summarum: Ein Grindhouse-Themenabend!

Und ein lustiger noch dazu. Denn auch Staatsanwälte, Gerichte, Anwälte und sonstige Moral- und Rechts- und Gesetzesvertreter können sich irren, auch diejenigen, die die Jugend schützen und der Zügellosigkeit ihre Schranken weisen, können fehlgehen. Und so kann es passieren, dass ein Film auf dem Index landet und lange Jahre unter Verschluss bleiben muss, der zwar durchaus brutal, eigentlich aber lustig gemeint ist, und es kann gottseidank auch passieren, dass dieses Urteil revidiert wird, dass damit das Richtige, das Wahre, das Gute siegt. Und dass also dass „Re-Animator“ freigegeben, einer 4K-Abtastung unterzogen und auf BluRay veröffentlicht wird. Und dass wir das jetzt alle völlig legal sehen dürfen, diese Lovecraft-inspirierte Story um Herbert West, der den Tod nicht akzeptieren will.

Herbert West ist ein junger Mann mit steifen Bewegungen und verkniffenem Gesicht. Wir können ihn uns als eine Art Prototyp eines JU-Kreisvorsitzenden vorstellen, zumal die Werte von der Schutzwürdigkeit des Lebens und vom Erhalt der Schöpfung im Grunde durchaus von JU wie von West geteilt werden. Nur in letzterem Falle etwas extremer: Wir erleben ihn erstmals an der Uni in Zürich, im Labor von Professor Gruber, und die Polizei tritt die Tür ein. Innen West, fanatisch exaltiert, und Gruber, frisch verzombiet, dessen Augen demonstrativ aus den Höhlen pluppsen, was die klare Diagnose des Todes provoziert – „Nein! Ich habe ihn WIEDERBELEBT!!!“

Ende der Pre-Title-Sequenz. Und wir schwenken um zu Daniel Cain am Schulkrankenhaus von Arkham, Massachusetts – eine Art Mischung von „Grey’s Anatomy“ und Lovecraft, im knallbunten Ambiente der typischen amerikanischen Film-Highschool der 1980er. Tatsächlich dreht sich alles um eine Teenie-Liebe: Daniel fummelt nämlich heftig mit Megan, die die Tochter des Dekans ist, der diese Liaison sehr missbilligt… Dazu kommt nun das Herbertchen, dieser unscheinbar-unheimliche Typ, der in Daniels WG einzieht und gleich Gefallen am Gewölbekeller findet. Und den Megan auf den Tod nicht ausstehen kann.

Dritter Pol neben Daniel/Megan und Herbert West ist Dr. Carl Hill, Professor in Sachen Leichenschau und Gehirnspezialist. Beim Sezieren einer frischen Damenleiche inklusive Hirnbetrachtung geraten sich Herbert und Hill in die Haare – der nämlich noch der altertümlichen Betrachtungsweise nachhängt, die Hirnfunktionen würde nur noch sechs bis zwölf Minuten nach dem Tod weiterlaufen, um dann endgültig jede wie auch immer geartete Wiederbelebung zunichte zu machen. Ha, lächerlich! Und Beweis für das völlig fiktive und wissenschaftlich unhaltbare Konzept von „Source Code“. Ph. Zurückreisen in die Gehirnströme des Toten, aber dann nur acht Minuten, da kann ich nur lachen.

Denn: Herbert West hat zwar Daniels süße Miezekatze auf dem Gewissen – aber auch nach längerer Lagerung im Kühlschrank kann er sie mit Hilfe seines selbstkomponierten giftgrünen Serums wieder zum Leben erwecken. OK. Das Kätzchen ist dann sauer. Geriert sich eher wie ein Monster, attackiert blutrünstig den Retter vor dem ewigen Tod. Aber Herbert hat recht! Und Daniel wird Zeuge dieser Revolution, wird als Mitwisser auch Spießgeselle. Jetzt geht’s also in die Leichenhalle…

Nicht leicht, einen Kandidaten mit intaktem Gehirn, aber totem Körper zu finden. Nicht leicht, das Serum richtig zu dosieren. Nicht leicht, den entmenschten Aggressionen des Wiederbelebten zu entkommen, bei dem nur die einfachsten Basishirnregungen aufgeweckt wurden, der nun in der Pathologie wütet und schließlich den Herrn Dekan killt… Ein wüstes Gemetzel mit dem bärenstarken Untoten, der wie ein nackiger Derwisch dreinhaut, was das Zeug hält…

Nun. Damit ist die Kacke einigermaßen am Dampfen. Denn der Dekan wird schwuppdiwupp wiederbelebt. Wird aggressiv. Und kommt in die Obhut von Dr. Hill, als psychiatrischer Fall. Dem ist natürlich nicht entgangen, was die beiden Herren Studenten so treiben, und er hat ganz eigene Pläne. Weil er nämlich sowieso schon lange geil auf Megan ist. Und weil er seine Hirnforschungen weitertreiben will als jeder zuvor. Dass er zwischendurch mittels eines Spatens geköpft wird, ficht ihn nicht an. Er hat Herbert und Daniel mit all ihren Morden zum Zwecke des Wiederbelebens am Wickel… 
Und legt jetzt so richtig los, der lebende tote Körper mit dem lebenden toten Kopf im Arm. Zack: Hat er sich Megan geschnappt. Die er nackt auf seinen Seziertisch legt, lüstern leckt die Zunge über die Lippen, sein Kopf neben dem Ihren, er in einer Petrischale, sie für die Erfüllung all seiner Phantasien präpariert… Der Körper, eine unglaubliche Szene, nimmt den Kopf, hält ihn über das nackte Gesicht, die nackten Brüste von Megan, mit wild-blutigen Küssen bedeckt er ihren jungen Leib, wird dann, leckerlecker, zwischen ihre Beine gehoben…

Danach ein ziemliches Inferno im Krankenhaus mit vielen Zombies, einigen Innereien und Nebel (woher auch immer), ein Riesenspaß für den, der auch schon über „Braindead“ gelacht hat.
Wobei letzterer, aus Peter Jacksons Frühwerk, ja die Bebilderung des Bibelwortes aus 1. Mose 2, 24 ist: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch.“ Während „Re-Animator“ eher weniger an monogamen Gelüsten und der Loslösung vom Mütterlichen interessiert ist, sondern direkt an den Begierden schmutziger alter Männer, von Dr. Hill, der Megan totficken will, oder von ihrem Vater, der sie eifersüchtig für sich behalten will. Und über Herbert West, dem die körperliche Reproduktion wurscht ist, solange der Tod aufgehalten werden kann.

Verklemmte Sexualität, die ihre Bahn bricht – so etwas gibt es auch in „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“, allerdings ist der Film selbst verklemmt. Und sieht doof aus. Und ist völlig blödsinnig.
Das alles liegt daran, dass er schon 1968 gedreht wurde, weitgehend. Bis auf das Ende. Weil Geldmangel, keine Lust, zuviel Stress… Man hat dann 1972 nachgedreht, mit anderen Darstellern (!) in anderen Kostümen (!) in anderen Kulissen (!), um den Film irgendwie zuende zu bringen.

„Der Weltraum, unendliche Dimensionen“ – so fängt der Film an, zu Sternenbildern erläutert ein freundlicher Kommentar die Situation: Wir befinden uns im Jahr 1992, die Welt ist überbevölkert, West- und Ostblock arbeiten zusammen an verschiedenen Raumstationen, doch China ist eine Bedrohung. Und dann sehen wir etwas Dolles: Wie man nämlich in ein streng bewachtes Gebäude einbricht. Eine Frau – offenbar eine Agentin – wirft eine Katze über die Mauer, der der Wachhund eifrig nachspringt – der Weg ist frei, sie dringt ein, durchs Foyer in einen Aufzug, was der Aufzugsführer nicht überlebt. In einer Umkleidekabine zieht sie sich um, eine zufällig daherkommende Frau überlebt auch dies nicht – sie wird mit ihren eigenen Zöpfen erwürgt. Treffen mit einem befreundeten Agenten, Fahrt im Aufzug ins oberste Stockwerk, und dort finden wir sie: Die Weltuntergangsmaschine, die dem Film ihren Originaltitel gegeben hat.

Auf Kubrick-Gelände befinden wir uns freilich nicht, dafür springen wir jetzt zur Nasa auf Cape Canaveral. Pressekonferenz. Ein Flug zur Venus wird geplant. Langweiliges Info-Geplapper – bis wir die Astronauten kennenlernen. Die sich gerne von ihren Frauen scheiden ließen, um zwei Jahre durchs Weltall fliegen und einen Planeten auf Bewohnbarkeit hin erforschen zu dürfen.

Frauen finden diese Macho-Spacemen nicht so gut. Der reine Horror für sie, als Alarm losgeht, der geplante Start um eine Stunde vorverlegt wird (weshalb gewissen Sicherheitsüberprüfungen unterlassen werden) – und als mit direkter Order aus dem weißen Haus drei Astronauten ausgetauscht werden mit – weiblichen Dingsbumsen! Das gibt nur Komplikationen! Frauen im Weltall? Wie soll man da vernünftig arbeiten! Was denken sich die da oben eigentlich?!? So lauten die Beschwerden. Ein kleiner Einwand – „vielleicht können Frauen ja auch nützlich sein?“ – wird weggebügelt: Ja, wenn’s ums Sockenwaschen geht.

Drei Frauen an Bord: Wir als Zuschauer wissen natürlich, was das soll. Denn: Die Welt wird zerstört werden, wenn die Chinesen ihre Riesenwasserstoffbombe zünden. Das wird eine unkontrollierbare Kettenreaktion allen spaltbaren Materials überhaupt nach sich ziehen, die Erdkruste wird aufgesprengt werden… und unsere paar Raumfahrer sind auf einer Art Arche unterwegs zu neuen Welten. Nukleus einer neuen Menschheit.

Bis die Astronauten das kapieren, dauert es eine Weile. Wiewohl im Weltall sofort versucht wird, zu baggern – das sind die vorhergesagten Probleme, vor denen die Männernauten gewarnt hatten. Die Fraunauten jedenfalls werden als Freiwild angesehen, Küsse werden aufgezwängt – und in der verklemmten Moral des Films, die direkt aus den 50er Jahren genommen wurde, ist klar, dass dies Chiffren sind für brutale Vergewaltigungen.
Aber alles ganz natürlich, so ist es halt, wenn die Hormone ins Spiel kommen!

Es passt nicht zusammen. Nichts in dem Film. Die Kulissen sind billig, die Darsteller mies, das Weltall offenbar aufgebaut aus Ausschnitten anderer Science-Fiction-Filme. Die Moral ist von vorgestern – was würde an Frivolität drinstecken, wäre der Film tatsächlich anno 72 gedreht worden! (Wobei die Frauenfeindlichkeit natürlich gleich geblieben wäre, aber mehr Spaß gemacht hätte…)
Das alles macht das Vergnügen aus, das der Film bereitet – man stelle sich vor: Die Windschutzscheibe der Rakete weist Nord-Ost-Süd-West-Richtungspfeile aus! Im Weltall!!! Noch dazu ist alles schön bunt, als hätte Mario Bava ein paar Mal aufs Set geniest.

Ein toller Moment: Wenn die Erde explodiert. Das sehen wir alles, ein Aufschrei von Millionen gequälter Seelen, aber kein Todesstern in der Nähe, sondern alles selbstgemacht! Ein durchaus kritischer Film also; der dann aber auch ins Spirituelle sich wandelt. Venus ist unbewohnbar, das Raumschiff macht sich auf nach, ich glaube, Omega 3 oder so. Aber, Drama: Nur drei können mitreisen, die Rakete ist zu schwer (im Weltall!!!). Spätestens zu diesem Zeitpunkt fragt man sich, wofür man eigentlich vier Männer für drei Frauen benötigt, jeder Hühnerzüchter weiß um den Wert des einen Hahnes für seine hundert Hennen… Aber es ist ja klar: Wenn eine neue Zivilisation aufgebaut werden soll, müssen die Urväter und -mütter anständig monogam miteinander verheiratet werden.

Soweit freilich kommt es nicht. Der Computer als neutrales Superhirn wählt die aus, die weiterreisen dürfen – wobei sich zwei der Astronauten schon selbst erledigen, als in einer der vielen Vergewaltigungen des Films sich versehentlich die Luftschleuse öffnet und beide ins All geschleudert werden, als Strafe (er hätte sich zurückhalten können; sie hat sich zu aufreizend angezogen; sprich: beide sind des Todes!)

Von Hand (!) muss eine verklemmte Raketenstufe abgelöst werden, das übernimmt der Jüngste der Crew. Unterstützt wird er von der russischen Kosmonautin an Bord: „Warum tust du das?“ – „Weil ich dich liebe!“ – „Das verstehe ich. Aber es ist Wahnsinn!“ Kurz: Die beiden verirren sich im All, finden aber zufälligerweise die vermisste Raumkapsel einer vorherigen Weltraumunternehmung, jetzt wird es vollends wirr, weil ab hier die Darsteller wechseln und man offenbar verzweifelt nach einem Filmende gesucht hat. Das darin besteht, dass man nichts sieht, aber vieles erklärt bekommt – nämlich als Voice Over der Omega-Weltenbewohner, die im molekularen Bereich einer Superintelligenz frönen und die Spreu vom Weizen trennen – einige werden – zack! – getötet, die beiden anderen aber aufgenommen in die spirituelle Gemeinschaft.
Heißt: Sie sind auch tot. Die Menschheit ist ausgelöscht. Und das ist ja auch was Schönes.

Den unglaublich trashige Science-Fiction-Film gibt es kostenlos und legal in der Originalversion auf archive.org zu sehen (wobei ich mich hier auf die deutsche Synchro beziehe).

„Re-Animator“ ist jüngst in einer 3-Disc-Edition bei Capelight / Alive erschienen.


Harald Mühlbeyer

MOP 2014: DER BLINDE FLECK (D 2013)

(von unserem Partner-Dienst "Terrorismus & Film")

Daniel Harrichs DER BLINDER FLECK – TÄTER, ATTENTÄTER, EINZELTÄTER? ist kein gelungener Film, aber, zumindest und nicht zuletzt, ein durchaus wichtiger. Den Bogen in die Gegenwart schlägt der Film selbst, zu den NSU-Morden und dem Versagen (oder Schlimmeren) der verschiedenen Landes- und Bundessicherheitsbehörden. So blickt der Radio-Journalist Chaussy gegen Ende des Films auf die Gesichter der drei Rechtsradikalen auf dem Fernsehschirm seines Bayerischen Rundfunk, als Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe als Terrorbande entlarvt sind – eine Art „Hab ich’s doch gesagt“-Moment, Bestätigung und Grausen zugleich für die Hauptfigur, den findigen, unbeirrbaren Reporter. Doch was genau der Film hier sagen will, bleibt merkwürdig unzwingend. 

Während gerade über Beate Zschäpes Schuld in München verhandelt ist, ist dort auf dem Oktoberfest vor vierunddreißig Jahren eine Bombe explodiert. Dreizehn Menschen starben, über zweihundert wurden teils schwer verletzt – praktisch der schlimmste Anschlag in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands. Wie kann es sein, dass dieses Ereignis so in Vergessenheit geraten ist? Dass, wenn von hiesigem Terrorismus die Rede ist, man fast ausschließlich an die linke RAF und Co. denkt oder an gegenwärtige militante Islamisten?

Auch Ulrich Harrich hat sich gewundert. Der junge Filmemacher, der hier seinen zweiten Langfilm vorlegt, zuvor schon für das Fernsehen gearbeitet hat, tat sich zusammen mit Chaussy, der seinerzeit und darüber hinaus Widersprüche und Ungereimtheiten entdeckten, nicht an die immer noch offizielle Version glauben mochte, jene, die von einem Einzeltäter ausgeht: Gundolf Köhler, der selbst seiner Bombe zum Opfer fiel und der Verbindungen zur rechtsradikalen, verbotenen „Wehrsportgruppe Hoffman“ hatte. Und vielleicht liegt darin ja das Geheimnis um die relative kollektive Vergessenheit der Terrortat. Die verdauliche Geschichte vom einzelnen Extremisten, eine Art Wahnsinniger – das ist schlimm und unheimlich, zugleich aber politisch halbwegs unproblematisch. Solche Spinner gab es immer, wird’s immer geben; ist halt nichts zu machen. So könnte man meinen und denken und wegerklären und tatsächlich: Wird es nicht wirklich „ernst“, gedanklich und emotional aufschreiens- und einschreitenswert, wenn aus der individuellen Verwirrtheit Ideologie wird, aus dem Spinner eine Bewegung (damit der Spinner zu einem, der sein Weltsicht kommunizieren, gar teilen kann, der Teil einer Gemeinschaft Gefährlicher)?

Ist „der deutsche Staat“ oder zumindest die Organe, die ihn schützen sollen, immer noch oder schon wieder „auf dem rechte Auge blind“? Der Film impliziert das ein wenig, wenn zu Beginn Chaussy mit seiner WG als „Linke“ von der Polizei behelligt, Neo-Faschisten hingegen als Männer, die halt mal im Wald Krieg spielen, verharmlost werden. Recht schematisch lässt der DER BLINDE FELCK auftreten, führt an und vor: das bayerische Urgestein und Schreckgespenst (und damaligen Kanzlerkandidaten) Franz Josef Strauß (nur von hinten gezeigt), die CSU-Regierungsnachsichtigkeit gegenüber der quasi viel zu spät verbotenen Wehrsportgruppe und eine kooperierende Boulevardpresse, die unter der Hand vorab mit Informationen gefüttert wird ... Als „Gegenspiel“ Chaussys tritt der von Heiner Lauterbach gespielte Dr. Hans Langemann, Staatsschutz-Chef des Freistaats auf, der aus diversen Gründen „seine“ Version zum Anschlag aufrechterhalten will. 

Zum einen aber taugt die attraktive Verbindung zwischen Oktoberfestattentat hier und der NSU dort nur bedingt, schaut man sich Art und Ausmaß der staatlichen Verfehlungen und Pannen an. Wie den „Döner-Morden“ begegnet wurde, ist, nicht zuletzt angesichts von Kompetenzrangeleien zwischen den einzelnen Diensten gelinde gesagt eine Schande, und auch was Anfang der 1980er in Bayern (und vielleicht auch Karlsruhe) ermittlungstechnisch, aufklärungsmäßig, politkalkulatorisch und sonstwie geschah, war auch alles andere als in Ordnung. Doch – immerhin – war schnell klar und öffentlich, wer der (vermutliche) Täter, war, ebenso sein Rechtsradikalismus und seine Verbindungen ins Neonazi-Milieu. Damit zusammengeht – zum anderen – eine ganz merkwürdige Unverhältnismäßig von der DER BLINDE FLECK. Es mag zynisch klingen, ist aber keineswegs so gemeint: Die Affäre, das Vertuschen, skandalöse Wegschauen und Nicht-Wissen-Wollen, wie sie der Film ausbreitet, darlegt, scheinen seiner Enthüllungs- und Empörungshaltung nicht angemessen, vor allem die Spannungshuberei als knackiger Mainstream-Politthriller (bei aller auch historischer, politischer und moralischer Bedeutung des enormen Engagements und Resultaten Chaussys auf der Suche nach der Wahrheit). Am Schluss (eine finale Texttafel verrät es) ist Schurke Langemann diskreditiert und verurteilt (wenn auch nicht wegen seiner Rolle in Sachen Anschlag), der „Held“ Chaussy wird, siehe NSU, irgendwie, traurig bestätigt. Wichtige Beweismittel – so erzählte es auch der reale BR-Journalist nach der Vorführung in Saarbrücken – wurden in den 1990ern in Karlsruhe vernichtet, eine Hand, die zu keinem der übrigen Opfer gehörte. Freilich: Warum nicht, wenn der Fall abgeschlossen war? Es drängt Chaussy nicht zur Verschwörungstheorie, aber der Film selbst bewegt sich sehr, vielleicht zu wohlig im Gestus des entsprechenden Genres. Gerade so, dass Schlampereien (oder die kühlen Verfahrensregularien) automatisch in den Ruch der Vertuschung geraten, jede andere Perspektive als die des Film-Chaussys (bei aller legitimer, gar gebotener weil kritischer Tendenz) bestenfalls als amoralische Ignoranz erscheint. 

Da hilft es eben nicht, dass man auch die Gegenseite (eben Langemann) als zweite Hauptfigur etabliert, die, ein Pluspunkt, durchaus hätte eindimensionaler angelegt und gespielt sein können. Nichtsdestotrotz ist dieser Langemann einer, der klar falsch handelt, vielleicht aus Überzeugung, aber in klarem Bewusstsein. Und es stimmt schlicht nicht, was Eckhard Fuhr in der WELT schrieb: „Der Film gewinnt ungemein dadurch, dass er der Versuchung widersteht, die Geschichte Ulrich Chaussys als Reporter-Heldenepos zu erzählen.“ Denn das genau tut DER BLINDE FLECK eben in gewisser Weise (selbst wenn dieser Held am Ende nicht triumphiert), vielleicht aus zu großer Nähe zu Buchautoren Chaussy heraus, dem, nochmals, für seine Arbeit großen Respekt gebührt und der auch in Saarbrücken als ein überlegter, sachlicher Mensch auftrat.

Der Kino-Chaussy, den Benno Führmann mit standardisierten Gesichtsausdrücken (engagiert, nachdenklich-stirnrunzelnd) präsentiert, ist mehr noch ein Heldentypus, den man nicht zuletzt in Hollywood unzählige Male gesehen hat. In Oliver Stones JFK etwa, aber auch im weniger politischen ZODIAC von David Fincher, in dem Jake Gyllenhaal den titelgebenden und historischen Serienkiller zu identifizieren trachtet. Wohl bekannt ist diese heroische Figur: Ein Passionierter, Getriebener, der es wissen will, nein, muss, der sich in die Akten frisst, nicht locker lässt, alles seiner Mission unterordnet. Entsprechend verleitet DER BLINDE FLECK zum Unterhaltungspolitthriller-Versatzstückabhaken: nächtliches Treffen mit dem geheimen Informanten – check. Verfolgung von Finstermännern – check. Die Gattin, ihn anfangs noch unterstützt, stellt Chaussy vor die „Ich oder der Fall!“-Wahl – check. Und verlässt ihn – check (Nicolette Krebitz allerdings verleiht hier dem Klischee Dimension).          

Handwerklich ist DER BLINDE FLECK solides Kino, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Dabei ist Harrich, zugleich, hoch anzurechnen, dass er den Anschlag als solchen, dass er die Explosion nicht zeigt, sich nicht daran weidet. Die Besetzung des mit Langemann verbandelten Journalisten und des Bundesanwalt mit den Münchner TATORT-Kommissardarstellern Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec wiederum tut dem Film nicht gut, zu ironisch-pointenhaft wirken sie. Großartig hingegen und wie stets ein Genuss ist Jörg Hartmann, der den Opferanwalt gibt (und sonst den wunderbar gestörten, zugleich unverbrauchte und unbayerische Hauptkommissar Peter Faber im Dortmunder TATORT).

Letztendlich jedoch funktioniert DER BLINDE FLECK als Film nicht, weil er in seiner „Skandalisierung“ zu groß daherkommt und zugleich nicht groß genug ist. Insbesondere in seiner typisierten oder generischen Form. Und wie aufmerksamkeits- und kritikwürdig sein Thema und die Realität dahinter auch unzweifelhaft sein mögen, sind wir doch längst und aktueller nachgerade schlimmer dimensionierte, gravierendere weil unaufbereitete und zugleich weithin bekannte, unversteckte Staatssauereien jenseits der CSU-Lande „gewöhnt“, mithin erregungstechnisch verwöhnt und womöglich abgestumpft: das globale Spitzelsystem von NSA u. Co., Menschenrechtsverletzungen im Namen des globalen Anti-Terror-Kriegs, Einmärsche in Länder aufgrund erfundener Massenvernichtungswaffen und, hierzulande, dann gerade die hinsichtlich der Grausamkeiten des NSU und dem fatalen Umgang damit. Bei aller Tragik, bei allem Recht auch auf diese Wahrheit und deren Bedeutung: Was – zynisch gefragt – schert es da noch, ob seinerzeit Gundolf Köhler alleine handelte oder nicht?

Nochmals: Natürlich schert es. DER BLINDE FLECK aber hat als Film – dramaturgisch, ästhetisch – wenig Anteil an dessen Verdeutlichung. Da hilft es auch nicht, dass DER BLINDE FLECK ein „Nachwuchsfilm“ ist bzw. als solcher nun auf dem Max Ophüls Preis 2014 im Wettbewerb lief. Denn ein Jahr zuvor hat in Saarbrücken Stefan Schaller mit FÜNF JAHRE LEBEN gezeigt, wie so etwas eben anders geht, auch als/im Nachwuchsfilm. Die kinoreife Behandlung der „Affäre“ Murat Kurnaz, jenem Deutschtürken, der in Guantanamo gefangen gehalten und gefoltert wurde, der letzten Endes einfach Terroristen sein sollte, dieser Film hat das Rad in Sachen filmischem Erzählen zwar ebenfalls nicht neu erfunden. Er belegt aber, wie gerade mit den klassischen Mitteln, über Figuren und ihre Konstellationen und Konflikte, die Dramaturgie, die emotionale Ansprache und die formalen Verfahren (Doku-Fiktion-) Kino ein Mehr bieten kann gegenüber Enthüllungsreportagen und Sachbüchern. FÜNF JAHRE LEBEN liefert einen ganz eigenen Beitrag, der auf einer anderen Ebene aufrüttelt, im besten Sinne empört und veranschaulicht, der mitfühlen lässt – legitime, wichtige Leistungen und Funktionen, weil Problemblicke unter die Oberfläche des Politischen.

So besehen ist DER BLINDE FLECK kein guter Film – und doch ein „guter“ (oder wichtiger). Denn der Film ist zwar nicht sonderlich geeignet, einer der nicht mehr als interessierend, vielleicht auch anrührend Informationen transportiert, die zum Skandal und seine Verfehlungen ein eigenes zusätzliches menschliches Drama benötigen (das des Helden Chaussy, das so ja nur mittelbar das der Wiesn-Bombe und der nachfolgenden „Affäre“ ist). Aber der Film hat – als Politikum – etwas bewirkt: Nachdem DER BLINDE FLECK nicht nur auf dem Münchner Filmfest lief, sondern auch im Bayerischen Landtag gezeigt wurde, wurden Akten endlich ungeschwärzt freigegeben. Dem Ruf nach Wiederaufnahme der Untersuchungen verleiht er enormen Nachdruck. Das ist an und für sich schon ein eigener Wert, der Filmkunstkritik relativiert.

Inwiefern (ein gewisses Maß an) Konventionalität für einen solchen Erfolg Voraussetzung ist, sei es, weil Beamte und Politiker selbst „affiziert“ werden, sei es, weil sie eine entsprechende Wirkung beim Volk annehmen (Stichwort Agenda-Setting und Third-Person-Effekt) und darauf „proaktiv“ reagieren, ist überlegenswert, jedoch auch ein eigenes Thema für sich.



DER BLINDE FLECK – TÄTER, ATTENTÄTER, EINZELTÄTER? läuft seit dem 23. Januar im Kino. Die aktualisierte Neuauflage von Ulrich Chaussys Buch, Oktoberfest – Das Attentat. Wie die Verdrängung des Rechtsterrors begann, ist dazu begleitend gerade im Verlag Ch. Links für 19,80 Euro erschienen.


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