Grindhouse-Triple-Feature, 23. Juli 2016, Cinema Quadrat
Mannheim
"Un condé" / "Ein Bulle sieht rot" /
"Eiskalt und ohne Gnade", Frankfreich/Italien 1970, Regie: Yves
Boisset.
"Delirio caldo" / "Das Grauen kommt
nachts", Italien 1972, Regie: Renato Polselli.
"The Six Thousand Dollar Nigger" / "Super
Soul Brother", USA 1978, Regie: Rene Martinez Jr.
Der Verfasser dieser Zeilen muss eine Erklärung abgeben.
Dies nämlich ist nicht mehr der gewohnt objektive Bericht über Trash im
Filmkunstkino von neutralem Standpunkt aus, den Sie gewohnt sind. Nein: Der
Verf. hat sich kaufen lassen und arbeitet
nun im Cinema Quadrat, diesem Leuchtturm mit seiner hellen Fackel der
Filmkultur, die Mannheim erhellt. Er wird von nun an überaus wohlwollend und
ohne jede kritische Distanz über diese allmonatlichen grandiosen
Veranstaltungen berichten, die die Kinematographie in ihrer ganzen Bandbreite
vor einem begeisterten Publikum ausbreitet.
Sprich: Für Sie als Leser wird sich nicht viel ändern –
haben wir doch auch in all den bisherigen Grindhouse-Nachlese-Texten all das, was in der
Filmemacherkunst durch den Gulli gefallen ist, emporgehoben als kleines Wunder
– beispielhaft zu sehen an diesem warmen Juliabend, der eine hervorragend
konzipierte Antiklimax bot.
Und so freuen wir uns, hier nun ein Loblied auf den miesen
Film singen zu können – und zwar auf gleich drei dieser Sorte, die hier im sommerlichen
Triple-Feature gelaufen sind.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjehhK2axxehZyj3FCG8aLxh_BmCjY1_8WakrAf8w5ac60Ep1WLUFMq76VcbPpDMZsFSZ9_leTX6AUzAP10P8PGyG1YQ6oWZ7X9KYyYt5lvVO83-yjTUxSU6AIhd8bfgagE2WRSijP0OliI/s320/Grindhouse-Ein+Bulle+sieht+rot+Plakat.jpg)
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiRsIXa13gVYjCHC-ALspGcXP1gqRpuaCeHZUCwQxZm11wemDJLRNNrYqqKV8JyR4BcY3E_-2vSBtQmt4JbicbfYZoFQEpUBl5d6Xzy-4DtEf8A8acHVGx_ngurv3cIXvsidJob4l9NyZcN/s320/Grindhouse-Ein+Bulle+sieht+rot+1.jpg)
Und nun wechseln wir wieder die Hauptperson, denn Inspektor
Favenin tritt nun auf den Plan, um aufzuräumen. Sprich: Sowohl Mandarins
Organisation zu zerschlagen als auch seinen Kollegen Barnero zu rächen. Beides
gelingt mit eiskalter Konsequenz. Dabei verdrängt er auch Dan Rover, der
alsbald im Gefängnis landet, weil Favenin natürlich weiß, was los war, es nicht
beweisen kann, von seiner Inspektorenposition aber leicht jeden in den Knast
bringen kann mit ein paar Falschaussagen… Den Lächelnden, der so brutal
vorgeht, den bringt er schlicht um, mit einer Luger, die er lässig
zusammenschraubt, pengpeng, und der Komplize des Lächelnden sitzt in der
Patsche, weil er in die rächenden Hände des allmächtigen Polizisten gefallen
ist… Wie Favenin mit seinem unbewegten Spießergesicht sich durch diesen Film
geht, ohne Regung, dead pan stone face:
sagenhaft. Weil hier alles in Macht und Gewalt aufgeht, ohne Ausweg.
"Ein Bulle sieht rot" ist hohe Kriminalkunst – von
hier aus kann es qualitativ nur noch bergab gehen. Aber natürlich geht es im
Grindhouse-Kino – dem der erste Film des Abends nicht wirklich zuzurechnen ist
– nicht um Qualitätsmaßstäbe, sondern um den Spaßfaktor. Der auch und gerade
dann besonders hoch ist, wenn es um brutale Gewalt, um sinnloses Leiden und
Quälen geht – zumal, wenn diese Faktoren in eine ungeheuer kruden Story
gesteckt werden, durchsetzt mit einigen (sprich: vielen) unmotivierten Szenen
nackter Haut, und ganz speziell dann, wenn die deutsche Synchronisation billig
daherkommt, so dass stimmliches Timbre und darstellerischer Ausdruck gar nicht
mehr zusammenpassen – nicht nur wegen Albernheiten im Inhalt der Dialoge,
sondern auch beispielsweise, weil gerne mal bayrischer Dialekt durchklingt. Und
wenn dann noch der unglaubliche Effekt hinzukommt, dass all diese Elemente, die
so gar nicht zusammenpassen wollen, all diese Divergenzen und Inkonsistenzen
zusammengepappt etwas ergeben, was viel mehr ist als die Summe seiner Teile;
wenn also der Quatsch sich genau deshalb potenziert, weil es sich um
Quatschigkeiten ganz unterschiedlicher Kategorien handelt, die einander
ungewollt ergänzen und einen höherwertigen Überquatsch bilden: Dann haben wir
schon so etwas ähnliches wie ein Meisterwerk, eines, das sich nicht aus
Positivem, sondern aus vielen reinen Negativpunkten zusammensetzt, weil nun mal
minus mal minus plus ergibt. Es handelt sich um, tataa, "Das Grauen kommt nachts", dessen Originaltitel wörtlich
übersetzt "heißes Delirium" lautet und den Film so ziemlich gut
umreißt.
Am Anfang stehen die langen Beine einer miniberockten
Schönheit – wobei das mit der "Schönheit" nicht wirklich verifiziert
werden kann, weil wir ja nur ihre Beine sehen. Wobei "wir" bedeutet:
Dieser schmierige Typ in der Kneipe, der das Mädel dann auch prompt anlabert
und sie mitnehmen will in die Discothek "Cat". Dort kommen sie nie
an, weil er ihre Beine befummelt. Sie flieht aus dem Auto direkt in einen
Wasserfall (!), dort, auf den gischtig bespritzten Felsen, fällt er über sie
her, reißt ihr die Kleider runter und erwürgt sie. Ha, welche Lust! Bzw.
welcher Frust. Kurz darauf die Drama-Szene, wenn er wieder zuhause ist:
"Ich liebe dich, aber ich bin ein impotenter Irrer!", während die
Frau vor Mitleid und Sexfrust auf dem Bett zergeht, und er am Fenster immer
voll am Rumjammern, und sie am Beruhigen, und er am Selbstbezichtigen, und
dann: "Ich habe gestern vergessen, dir eine Karte zum Hochzeitstag zu
schenken", also so ganz wie aus dem nichts, und auf der Karte kein lieber
Gruß, sondern nur wieder dieses Genöle über Irresein und Gefahr und sich
trennen. Das ist ungefähr der Punkt am Film, an dem wir wissen, dass wir mit
allem rechnen müssen.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjiNBCgeuXKFxZ9SsUL2_MwkLJUK3rIJzVklV48uCfPK6ggEqK-HxXRgPIMgHBLUu1va0B-Rl8a_mxcRWSeUdupFAO122RPYmhCNTlrHSWNrK2cJs08KXzSkTKYk6TOrpYe87b_0QLYty1V/s320/Grindhouse+-+Das+Grauen+kommt+nachts+1.jpg)
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi4Tv4VzBs7Bbuy70cY3MacylLDOA4Zfs2cciY7OZugi5BUBr6PE5a_L7k2OWnHnsE2UdLnLCtBxtY9I-zW6kHrQsjM2gnnjiMm9EJLzkLnkSoxz9pPiewCzhLl15zptOTO9zFntXzLR3rS/s320/Grindhouse+-+Das+Grauen+kommt+nachts+2.jpg)
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhzNslvknWz-RCTP6BWbY3CzuFe-3AJNnhP1ZOJr4KV2RPldc7bkrhwBTldv7JbAWQSzotlJhmjG5DDHEk6sjDglhnXEAOZcwLBfcKb2mTo4TLbS4wtj6lx4obT_iLYZ1z6a3tilqN5ee68/s320/Grindhouse+-+Das+Grauen+kommt+nachts+3.jpg)
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEij7CqXyMYavCLKlG9UIv9yWBAOPLt43txMnymG2U1nZx5hTIp9OQh4bsmXjNNT_ogXcnCK_0_oaBM04Cvw5Ofc-RsqdgoROz_id3VMmSzAw7YKTGs3O40_7E6O5ecVejQOjssklayYhtE3/s320/Grindhouse+-+Das+Grauen+kommt+nachts+4.jpg)
Kurz: Ein Giallo, der sich aufbläht und dann platzt und
dessen Einzelteile zusammengekehrt werden, und aus dem Kehricht von
Giallofetzen und Staub und Haaren und wahrscheinlich Mäusedreck ergibt sich
dann "Das Grauen kommt nachts". Herrlich, so ein Müll-Film.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgbXFaqokXdzy3jwjuMYM-zHA4NZfMoPBK-aju_H6yG0zEb9CAvdszBRrNI1suXOUntMY4QozdU60JUn2ZYhmmGV5eB4cOJoA2jdlSccWntugQ-3JICf8vmLO-Rh7X-5M_pvniEaTxlg-iP/s320/Grindhouse+-+Six+Thousand+Dollar+Nigger+Plakat.jpg)
Die beiden Blackies werden jedenfalls ungeduldig, weil's
nicht vorangeht mit dem Muskelpusher, das Problem: Man wird zwar stark, aber
auch tot nach sieben Tagen. Macht nichts, sagt der eine, und schwupps, sind wir
im Ghetto, wo ein paar Nigger rumlungern und einen anderen fertigmachen. Der
aber auch an sich schon sehr fertig aussieht, dick, besoffen, verwirrt, völlig
hirnzerfressen. Er wird der Star des Films. Ihn nimmt der Gangster mit. Und die
schöne Krankenschwester Peggy, die alles macht im Labor, während der
Wissenschaftler gar nichts macht, aber er ist der Wissenschaftler, sie nur die
Hilfskraft, so ergeht es den Frauen, jedenfalls: Sie untersucht den Penner
eingehend, und er lässt sich alles gefallen, denn ihm winkt ein schönes
Appartement. Mit eigenem Bett. Und als Zugabe noch eine Nutte. Was ein Leben!
Und was eine Gelegenheit für billige Witze!
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh1qVII6i89OawYqeGY3Jjal2jtXWoky5E-Fnbg1QYnyqUUnIwR5Tvpp6SzIaiOlsIsZw935vfhzlTKSbryfs7a_nbbsVfwgaA3to9dTnqgtko3fNwHfCXx5w-QchCqBdaZnFah-glq72Jt/s320/Grindhouse+-+Six+Thousand+Dollar+Nigger+4.jpg)
Es ist ein niederes Niveau von Witzen, aber man sollte da
jetzt keine frauen- oder schwulenfeindliche Tendenzen reinlesen. Der Film ist
einfach zu dumm dafür, und das ist in diesem Fall ja etwas Gutes.
Zwei Nächte darf Steve mit zwei Frauen rummachen, in der
ersten Nacht die Nutte, in der zweiten die Krankenschwester, obwohl sie nicht
will, weil sie noch Jungfrau ist, ha, was ein Glück, und ja, Steve ist ganz
vorsichtig, trotz seines riesigen Gerätes, das die Frauen reihenweise verrückt
macht.
Nach dieser Bumsphase des Films kommen wir in die Krimiphase,
Steve bekommt sein Mittelchen, wird superstark und dann zum Bösen eingesetzt. Denn
die Gangster wollen ihr Investment wieder zurück haben, und Steve, der
Superstarke, soll im Juwelierladen den Tresor klauen. Das ist ein schöner
Überfall, ein vorgespielter Ehekrach zwischen Dr. Tippy und seiner
Frau/Mutter/Nutte – jedenfalls eine dicke Matrone, mit der er gerne rummacht –
sorgt für Ablenkung, Steve packt den Tresor und trägt ihn in den Kofferraum des
Fluchtautos. Und was muss das für eine Arbeit gewesen sein für das Filmteam,
soviel Styropor zusammenzukriegen, es dann in Form zu bringen,
zusammenzupappen, bis ein Metallsafe daraus wird! Und das war noch nicht alles:
Einen riesigen Felsen mussten sie auch noch formen, darunter versteckt Steve
die Juwelen, keiner kann da rankommen, deshalb gibt es Mord und Totschlag,
doof, dass Steve auch kugelsicher geworden ist.
![](https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjqDR_9NREj5hpesKvsOg_x2ztJMXeJfx8t02BEH806eXpK1inAobeWp2oPByF49VmW9B2AcbustlzN0VrDt7L6G6aCIVW7Pvfk3-zV2fuC5GlW9iRC8KZMOGf9GubiQWzwztkAPVc-n5_D/s320/Grindhouse+-+Six+Thousand+Dollar+Nigger+2.jpg)
Harald Mühlbeyer