28. März 2015, Cinema Quadrat, Mannheim:
„Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“ / „Zombi 2“ / „Zombie Flesh Eaters“, Italien 1979, Regie: Lucio Fulci.
„Operation Eastern Condors“ / „Dong fong tuk ying“, Hongkong 1987, Regie: Sammo Hung.
Ein Segelboot treibt übers Meer. An der Freiheitsstatue vorbei. Am World Trade Center vorbei. Die Kamera in einem Hubschrauber, aufgeregte Funksprüche. Die Küstenwache rückt an. Zwei Polizisten steigen an Bord. Keine Menschenseele da. Vergammeltes Essen in der Kabine. Zehn-Zentimeter-Tausendfüßler auf der Klaviertastatur. Unter einem Handtuch eine vergammelte menschliche Hand. Und im Hinterzimmer – nein: Nicht Nosferatu, aber etwas ähnlich schlimmes. Ein fetter, glatzköpfiger Zombie, der dem einen Uniformierten die Halsschlagader rausbeißt, bevor ihn der andere mit Mühe ins Wasser schießt.
Auftakt zu einem typischen Fulci-Zombiefilm, sprich: gut erzählt; effektvoll inszeniert; mit einer Menge stylisher Untoter, zerfleddert, vermodert, mit Würmern und Maden behangen; eine Menge dickes rotes Blut; hoher Ekel- und Horrorfaktor; und irgendwo im Handlungsverlauf auch schockierend; wiewohl die Logik auch mal hintangestellt wird, um gute Ideen gut herauszuarbeiten.
Das Segelschiff zum Beispiel: Es kommt von den Antillen, das wissen wir bald; aber warum und wieso, woher der dicke Zombie kommt, und warum da der Abschiedsbrief eines Papas an seine Tochter drin liegt („Ich liebe dich, aber ich habe es zu spät bemerkt“), in dem von einer seltsamen Krankheit auf dieser und jener Tropeninsel die Rede ist: wurscht.
Die Zombies, das ahnen wir im Lauf von „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“, sind durch irgendeinen Voodoo-Zauber erstanden; aber vielleicht ist das auch nur Aberglaube. Sie sind da, und man muss mit dem Problem umgehen, das ist die pragmatische Einstellung von Dr. Menard auf der Zombieinsel, der irgendwo zwischen „Traumschiff“-Besatzungsmitglied und Mad Scientist changiert, der zuviel säuft, aber auch hart arbeitet in seinem Labor, um die Zombieseuche zu verstehen. Klar, dass ihm das nicht gelingt. Immerhin bemüht er sich, auch wenn das auf Kosten seiner Ehe geht, die Frau will nur noch weg, angsterfüllt weiß sie: Der Tod kommt immer näher.
Fulci wäre nicht Fulci, wenn er diese treffliche zwischenmenschliche Situation nicht ausnützen würde: Während der Gatte im Hospital weilt – das in einer alten Holzkirche untergebracht ist –, muss die verzweifelte Hausfrau zuhause alleine ausharren. Klar, dass sie duscht, wie die Kamera wohlgefällig bemerkt, ach, ihr Körper ist in ausgezogenem Zustand sehr anziehend, nicht nur für uns Zuschauer auch für – ja: Da ist sie, am Fenster, die bläulich-blasse Untoten-Hand… Fulci hat es ja immer gerne mit den Augen – nun greift die Zombie-Hand durch die Holzlamellen-Badezimmertür, packt die Frau am Schopf, zieht sie zu sich ran, direkt auf einen Holzsplitter zu, wir sehen ihn in subjektiver Kameraperspektive immer näher kommen, dann bohrt er sich direkt in den Augapfel der Frau – nein, natürlich der Puppe, die die Frau darstellt bei diesem Splattereffekt, und dass man das Gemachte erkennt, ist auch gut so, sonst wäre der Film sicherlich von Jugendschützern zerhackstückt worden. Nun aber, mit einem harmlosen Puppenspiel: Das ist auch was für die lieben Kleinen, ganz klar.
Doch ich habe jetzt sowieso vorausgegriffen. Denn die erste Nackige im Film ist Susan, die Frau des blonden, bärtigen, vor Gesundheit und Kraft strotzenden Skippers Brian. Den hat nämlich der Journalist West zusammen mit Ann Bowles, Tochter des Zombie-Segelboot-Besitzers, angeheuert, sie auf die Voodoo-Insel zu bringen. West ist der Held des Films, mit vollem blondem Haar, das nur durch die kreisrunde kahle Stelle am Hinterkopf einen unschönen Charakterfehler hat; Ann wird gespielt von Tisa Farrow, Schwester von Mia, die auch genauso aussieht wie diese in ihren frühen Woody-Allen-Tagen – und die die Farrow-Tradition des Schreckens – von Polanski bis Fulci – weiterleben lässt.
Susan jedenfalls hat sowieso die ganze Zeit eine transparente Bluse ohne was drunter an. Dann will sie tauchen gehen, und West setzt sich bequem hin, denn er weiß: Jetzt gibt es was zu sehen. Zack, ist sie nackig, nur noch mit engem weißem Tanga und Sauerstoffflasche gekleidet, gleitet runter zum Korallenriff, wo all die schönen bunten Fische miteinander tanzen. Dann aber, von hinten: Ein großer weißer Hai! Höchste Gefahr, sie versteckt sich unter einem der Korallen-Felsen, als eine Totenhand sie antatscht - - - und wir zu der Szene kommen, wegen der dieser Film in die Geschichte eingeht. Denn Fulci macht nicht einfach so ein Spielberg-Ding, nein: Bei ihm muss es das Ultimative sein, und dass er dieses nicht protzig und großmäulig rausstellt in seiner Inszenierung, sondern es sich einfach so ergeben lässt, irgendwann mitten drin, das zeugt von einer gewissen Größe. Jedenfalls: Es kämpft unter Wasser ein Hai mit einem Zombie. Und wie! Die geben sich nix, beißen sich gegenseitig, krallen sich aneinander wie in einem agonischen Geschlechtsakt. Sagenhaft.
(Anzumerken ist, dass nie erklärt wird – und auch ganz egal ist – wieso da auf dem Meeresgrunde ein Zombie lauert. Dass die nackige Taucherin später ebenso zerfleischt wird wie die, die nackig duscht, sei der Jugend als moralische Warnung mit auf den Weg gegeben: Kleidung schützt!)
Das Weitere im Film ist ungefähr das Übliche, aber handwerklich sauber gearbeitet. Zombies beim Leichenschmaus; Zombiehände, die aus ihren Gräbern greifen; eine Menge Kopfschüsse; die Hemmungen, die ehemalige, nun leider verstorbene und wiederauferstandene Freundin endgültig zu killen. Aber all das hat Fulci, wie es seine Art ist, schon richtig gemacht: Wenn die Toten aus ihren Gräbern steigen, dann sehen wir das aus ihrer Perspektive; mit Erde, die den Blick verstellt, dann das Aufrichten von der Horizontalen in die Vertikale, der Himmel, die Baumwipfel, und dann kommt auch schon das nächste Opfer ins Blickfeld…
Und am Ende gelingt es Fulci wieder einmal, eines dieser verstörenden Bilder zu schaffen, die bleiben: Die Flut der Zombies ist nicht aufzuhalten, denn das Böse ist in der Welt.
Hongkonger haben ein Problem, wenn sie einen Vietnamfilm drehen wollen. Solches zu tun: Dafür gibt es zwar viele Gründe: Man kann damit viel Geld machen, man kann Action reinpacken und Humor, die Philippinen als Drehort befinden sich direkt vor der Haustür, und wenn man geil ist auf Waffen, kann man sich so richtig ausleben. Und wenn bei der Besetzung der bösen Vietnamesen auch keine Probleme gibt – nun ja: die schönen weißen WASP-Helden kann man mit schlitzäugigen Darstellern schlecht hinkriegen.
Aber natürlich kann man sich behelfen. Schließlich ist die „Dreckige Dutzend“-Formel flexibel genug, um eine der Variablen mit asiatischem Vorzeichen zu versehen. Zack, werden also zwölf asiatisch-amerikanische Delinquenten ausgesucht für ein Post-Vietnam-Himmelfahrtskommando namens „Operation Eastern Condors“: Dort im Dschungel nämlich hatten bei ihrem Rückzug die US-Truppen dummerweise eine Menge schwerer Waffen in einem Höhlenbunker-Versteck vergessen, das den Vietcong nun keinesfalls in die Hände gelangen darf. Also werden Schwerverbrecher – von Dieben über Körperverletzer und Diebe bis zu Mördern – „freiwillig“ eingesetzt, mit der Belohnung, ihre Haftstrafen (von zwei Jahren bis lebenslänglich) aufzuheben und zusätzlich 200.000 Dollar Honorar zu bekommen. Nun ja, wenn sie überleben.
Dass es mit den USA nicht zum Besten steht in der zweiten Hälfte der 1970er, in denen der Film spielt, wird total hochsymbolisch durchgespielt: soldatisches Appell, der Star Spangled Banner wird hochgezogen – und bleibt auf halbem Weg stecken. Die Soldaten harren im Schnee aus, während der Fahnenhochzieher vergeblich am Seil ruckelt. Zwei asiatische Offiziere fahren kopfschüttelnd vorbei. Auf dem Rückweg immer noch dasselbe Bild. Der eine steigt kurzerhand aus, schleudert seine Uniformmütze hoch auf die Spitze der Zehn-Meter-Fahnenstange und klettert dann flink wie ein Eichhörnchen hoch, so schnell kannste gar nicht kucken. Kordel entzerren, schon geht’s wieder. Salut. Klar, völlig offensichtlich und nicht anzuzweifeln, dass die Asiaten den Mist der Amerikaner ausmisten müssen – und auch die einzigen sind, die das können.
Immer wieder baut Regisseur Sammo Hung Gags in die Handlung ein, solche wie dieser, aber auch richtig platte, und manche, die man nicht kapiert. Einer der Unfreiwilligen auf Mission stottert, und er ist auch der erste, der stirbt: Die Fallschirme sollen bei „Dreißig“ geöffnet werden, als er unten ankommt, zählt er gerade erst „Sssss-sss-sssech-zzz-zzeehn“. Immer wieder gibt es irgendwelche Sprüche, und die scheinen nicht einfach nur synchronisationstechnisch drübergestülpt – freilich eventuell verstärkt – zu sein. Da mokieren sich die Soldaten des amerikanischen Schlitzaugenkommandos über den strengen Duft dreier mitkämpfenden Frauen (vielleicht so ein China-Witz, den außerhalb keiner richtig kapiert), dann geht einer „einen Neger abseilen“ (das versteht auch der deutsche Bahnhofskinogänger). Ganz oft wird irgendwie irgendwohin gehüpft, oder sich auf die Seite gerollt, oder irgendwo hochgeklettert, als wäre die Schwerkraft mit Ein/Aus-Schalter versehen. Und wenn in Vietnam nichts mehr geht, dann hilft immer Kung fu. (Sonst würde es ja auch gar nichts bringen, dass sich Hongkong in diese filmische Auseinandersetzung um diesen kriegerischen Konflikt einmischt.)
Krieg jedenfalls ist die Hölle, so wird im Film mal gesagt, aber Knast ist schlimmer. Zumal Vietnam so eine Art großer Freilicht-Abenteuerspielplatz mit Waffen ist, mit richtig geilen Waffen zumal, wo man halt beim Ballerspielen sterben kann, wenn man Pech hat. Aber: „Passiert ist nun mal passiert“, wie es so schön heißt. Und die Actionshow muss ja weitergehen.
In Vietnam, noch vor dem Absprung unserer Heldentruppe, treffen wir unvermutet auf eine Mädel-Guerilla-Truppe, die einen Vietcong-Vorposten lautlos mit Hand und Messer ausschaltet: Die drei werden als kambodschanische Untergrundkämpfer die US-Mission inoffiziell unterstützen. Zwischendurch gerät das Kampfkommando auf seinem Weg zum Raketendepot in ein Dorf: Denn der Offizier back in the USA hatte als kleinen privaten Sonderauftrag auch noch darum gebeten, seinen Bruder rauszuholen, der damals verletzt in diesem Dörflein zurückgelassen wurde. Mit diesem Bruder – der inzwischen verrückt wurde und eine Menge fantastischen Unsinn brabbelt – kommt auch noch Wiesel ins Boot, der wieselflinke Schlawiner, der listig und wendig als Späher und Führer durch den Urwald sich andient. Und noch ein neues Ziel in den Film einzubringen scheint, irgendwo soll da wohl eine Menge Geld versteckt sein – zum Glück vergisst Regisseur Sammo Hung (der auch den Kommandanten des Himmelfahrtskommandos spielt) diese paar Drehbuchsätze, sonst wäre der Film wirklich überladen worden.
Kung Fu, Action, Krieg, Gags reichen schließlich aus für eine völlig überdrehte Urwaldsause, in der „Die durch die Hölle gehen“ genauso drinsteckt wie „Die Brücke von Arnheim“. Einmal werden sie gefangen und in einem Vietcong-Lager gefangengehalten, standesgemäß in einem Käfig unter Wasser, und natürlich ist auch Russisch Roulette dabei – gespielt von vietnamesischen Kampfkindern, nicht von Christopher Walken. Und die Kids haben dazugelernt: Nicht an sie selbst wird die Waffe angelegt, sondern an einen der gefangenen Feinde. Schließlich haben die spielenden Jungs noch ihr ganzes Leben vor sich.
Natürlich wird viel gestorben, immer in erhabenem Gestus mit ein paar letzten Weisheiten auf den Lippen, und immer wieder opfert sich einer zum Wohle der anderen, ist doch klar. Unter Freunden…! Im Raketendepot-Bunker dann die finale Endschlacht, und hier tritt auch die vielleicht beste Figur des Films auf den Plan (also: neben dem Stotterer, neben dem Feigling, neben dem aufbrausenden Brillenfuzzi und und und). Der Herr Vietcong-General ist ein langer, dürrer Spargeltarzan mit nervös-schwulem Kichern und einem Taschentuch, mit dem er sich nicht vorhandenen Schweiß vom Gesichtlein wischt. Und dann geht er ab wie Zäpfchen: Unglaublich schnelle Moves, wenn es drauf ankommt, in einigen wirklich doll choreographierten Kampfszenen mit Sprüngen, Kicks und Schlägen, die hin und her hageln – und es wird einem gewahr, dass der Film tatsächlich ziemlich klug aufgebaut ist in dem, was er zeigen will. Von den komödiantischen Einlagen der ersten Hälfte ist jetzt nichts mehr übrig, die MG-Orgien des Mittelteils hat er auch hinter sich gelassen, um nun den dritten Teil der anvisierten Zielgruppen anzusprechen, die auf Mann-gegen-Mann-Kämpfe stehen – und das schafft ja nun auch nicht jeder Film, dass er gleich drei Wünsche auf einmal erfüllt. Außer vielleicht die pazifistischen – aber solcherartige hegen natürlich nur Weicheier.
Harald Mühlbeyer
„Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“ / „Zombi 2“ / „Zombie Flesh Eaters“, Italien 1979, Regie: Lucio Fulci.
„Operation Eastern Condors“ / „Dong fong tuk ying“, Hongkong 1987, Regie: Sammo Hung.
Ein Segelboot treibt übers Meer. An der Freiheitsstatue vorbei. Am World Trade Center vorbei. Die Kamera in einem Hubschrauber, aufgeregte Funksprüche. Die Küstenwache rückt an. Zwei Polizisten steigen an Bord. Keine Menschenseele da. Vergammeltes Essen in der Kabine. Zehn-Zentimeter-Tausendfüßler auf der Klaviertastatur. Unter einem Handtuch eine vergammelte menschliche Hand. Und im Hinterzimmer – nein: Nicht Nosferatu, aber etwas ähnlich schlimmes. Ein fetter, glatzköpfiger Zombie, der dem einen Uniformierten die Halsschlagader rausbeißt, bevor ihn der andere mit Mühe ins Wasser schießt.
Auftakt zu einem typischen Fulci-Zombiefilm, sprich: gut erzählt; effektvoll inszeniert; mit einer Menge stylisher Untoter, zerfleddert, vermodert, mit Würmern und Maden behangen; eine Menge dickes rotes Blut; hoher Ekel- und Horrorfaktor; und irgendwo im Handlungsverlauf auch schockierend; wiewohl die Logik auch mal hintangestellt wird, um gute Ideen gut herauszuarbeiten.
Das Segelschiff zum Beispiel: Es kommt von den Antillen, das wissen wir bald; aber warum und wieso, woher der dicke Zombie kommt, und warum da der Abschiedsbrief eines Papas an seine Tochter drin liegt („Ich liebe dich, aber ich habe es zu spät bemerkt“), in dem von einer seltsamen Krankheit auf dieser und jener Tropeninsel die Rede ist: wurscht.
Die Zombies, das ahnen wir im Lauf von „Woodoo – Schreckensinsel der Zombies“, sind durch irgendeinen Voodoo-Zauber erstanden; aber vielleicht ist das auch nur Aberglaube. Sie sind da, und man muss mit dem Problem umgehen, das ist die pragmatische Einstellung von Dr. Menard auf der Zombieinsel, der irgendwo zwischen „Traumschiff“-Besatzungsmitglied und Mad Scientist changiert, der zuviel säuft, aber auch hart arbeitet in seinem Labor, um die Zombieseuche zu verstehen. Klar, dass ihm das nicht gelingt. Immerhin bemüht er sich, auch wenn das auf Kosten seiner Ehe geht, die Frau will nur noch weg, angsterfüllt weiß sie: Der Tod kommt immer näher.
Fulci wäre nicht Fulci, wenn er diese treffliche zwischenmenschliche Situation nicht ausnützen würde: Während der Gatte im Hospital weilt – das in einer alten Holzkirche untergebracht ist –, muss die verzweifelte Hausfrau zuhause alleine ausharren. Klar, dass sie duscht, wie die Kamera wohlgefällig bemerkt, ach, ihr Körper ist in ausgezogenem Zustand sehr anziehend, nicht nur für uns Zuschauer auch für – ja: Da ist sie, am Fenster, die bläulich-blasse Untoten-Hand… Fulci hat es ja immer gerne mit den Augen – nun greift die Zombie-Hand durch die Holzlamellen-Badezimmertür, packt die Frau am Schopf, zieht sie zu sich ran, direkt auf einen Holzsplitter zu, wir sehen ihn in subjektiver Kameraperspektive immer näher kommen, dann bohrt er sich direkt in den Augapfel der Frau – nein, natürlich der Puppe, die die Frau darstellt bei diesem Splattereffekt, und dass man das Gemachte erkennt, ist auch gut so, sonst wäre der Film sicherlich von Jugendschützern zerhackstückt worden. Nun aber, mit einem harmlosen Puppenspiel: Das ist auch was für die lieben Kleinen, ganz klar.
Doch ich habe jetzt sowieso vorausgegriffen. Denn die erste Nackige im Film ist Susan, die Frau des blonden, bärtigen, vor Gesundheit und Kraft strotzenden Skippers Brian. Den hat nämlich der Journalist West zusammen mit Ann Bowles, Tochter des Zombie-Segelboot-Besitzers, angeheuert, sie auf die Voodoo-Insel zu bringen. West ist der Held des Films, mit vollem blondem Haar, das nur durch die kreisrunde kahle Stelle am Hinterkopf einen unschönen Charakterfehler hat; Ann wird gespielt von Tisa Farrow, Schwester von Mia, die auch genauso aussieht wie diese in ihren frühen Woody-Allen-Tagen – und die die Farrow-Tradition des Schreckens – von Polanski bis Fulci – weiterleben lässt.
Susan jedenfalls hat sowieso die ganze Zeit eine transparente Bluse ohne was drunter an. Dann will sie tauchen gehen, und West setzt sich bequem hin, denn er weiß: Jetzt gibt es was zu sehen. Zack, ist sie nackig, nur noch mit engem weißem Tanga und Sauerstoffflasche gekleidet, gleitet runter zum Korallenriff, wo all die schönen bunten Fische miteinander tanzen. Dann aber, von hinten: Ein großer weißer Hai! Höchste Gefahr, sie versteckt sich unter einem der Korallen-Felsen, als eine Totenhand sie antatscht - - - und wir zu der Szene kommen, wegen der dieser Film in die Geschichte eingeht. Denn Fulci macht nicht einfach so ein Spielberg-Ding, nein: Bei ihm muss es das Ultimative sein, und dass er dieses nicht protzig und großmäulig rausstellt in seiner Inszenierung, sondern es sich einfach so ergeben lässt, irgendwann mitten drin, das zeugt von einer gewissen Größe. Jedenfalls: Es kämpft unter Wasser ein Hai mit einem Zombie. Und wie! Die geben sich nix, beißen sich gegenseitig, krallen sich aneinander wie in einem agonischen Geschlechtsakt. Sagenhaft.
(Anzumerken ist, dass nie erklärt wird – und auch ganz egal ist – wieso da auf dem Meeresgrunde ein Zombie lauert. Dass die nackige Taucherin später ebenso zerfleischt wird wie die, die nackig duscht, sei der Jugend als moralische Warnung mit auf den Weg gegeben: Kleidung schützt!)
Das Weitere im Film ist ungefähr das Übliche, aber handwerklich sauber gearbeitet. Zombies beim Leichenschmaus; Zombiehände, die aus ihren Gräbern greifen; eine Menge Kopfschüsse; die Hemmungen, die ehemalige, nun leider verstorbene und wiederauferstandene Freundin endgültig zu killen. Aber all das hat Fulci, wie es seine Art ist, schon richtig gemacht: Wenn die Toten aus ihren Gräbern steigen, dann sehen wir das aus ihrer Perspektive; mit Erde, die den Blick verstellt, dann das Aufrichten von der Horizontalen in die Vertikale, der Himmel, die Baumwipfel, und dann kommt auch schon das nächste Opfer ins Blickfeld…
Und am Ende gelingt es Fulci wieder einmal, eines dieser verstörenden Bilder zu schaffen, die bleiben: Die Flut der Zombies ist nicht aufzuhalten, denn das Böse ist in der Welt.
Hongkonger haben ein Problem, wenn sie einen Vietnamfilm drehen wollen. Solches zu tun: Dafür gibt es zwar viele Gründe: Man kann damit viel Geld machen, man kann Action reinpacken und Humor, die Philippinen als Drehort befinden sich direkt vor der Haustür, und wenn man geil ist auf Waffen, kann man sich so richtig ausleben. Und wenn bei der Besetzung der bösen Vietnamesen auch keine Probleme gibt – nun ja: die schönen weißen WASP-Helden kann man mit schlitzäugigen Darstellern schlecht hinkriegen.
Aber natürlich kann man sich behelfen. Schließlich ist die „Dreckige Dutzend“-Formel flexibel genug, um eine der Variablen mit asiatischem Vorzeichen zu versehen. Zack, werden also zwölf asiatisch-amerikanische Delinquenten ausgesucht für ein Post-Vietnam-Himmelfahrtskommando namens „Operation Eastern Condors“: Dort im Dschungel nämlich hatten bei ihrem Rückzug die US-Truppen dummerweise eine Menge schwerer Waffen in einem Höhlenbunker-Versteck vergessen, das den Vietcong nun keinesfalls in die Hände gelangen darf. Also werden Schwerverbrecher – von Dieben über Körperverletzer und Diebe bis zu Mördern – „freiwillig“ eingesetzt, mit der Belohnung, ihre Haftstrafen (von zwei Jahren bis lebenslänglich) aufzuheben und zusätzlich 200.000 Dollar Honorar zu bekommen. Nun ja, wenn sie überleben.
Dass es mit den USA nicht zum Besten steht in der zweiten Hälfte der 1970er, in denen der Film spielt, wird total hochsymbolisch durchgespielt: soldatisches Appell, der Star Spangled Banner wird hochgezogen – und bleibt auf halbem Weg stecken. Die Soldaten harren im Schnee aus, während der Fahnenhochzieher vergeblich am Seil ruckelt. Zwei asiatische Offiziere fahren kopfschüttelnd vorbei. Auf dem Rückweg immer noch dasselbe Bild. Der eine steigt kurzerhand aus, schleudert seine Uniformmütze hoch auf die Spitze der Zehn-Meter-Fahnenstange und klettert dann flink wie ein Eichhörnchen hoch, so schnell kannste gar nicht kucken. Kordel entzerren, schon geht’s wieder. Salut. Klar, völlig offensichtlich und nicht anzuzweifeln, dass die Asiaten den Mist der Amerikaner ausmisten müssen – und auch die einzigen sind, die das können.
Immer wieder baut Regisseur Sammo Hung Gags in die Handlung ein, solche wie dieser, aber auch richtig platte, und manche, die man nicht kapiert. Einer der Unfreiwilligen auf Mission stottert, und er ist auch der erste, der stirbt: Die Fallschirme sollen bei „Dreißig“ geöffnet werden, als er unten ankommt, zählt er gerade erst „Sssss-sss-sssech-zzz-zzeehn“. Immer wieder gibt es irgendwelche Sprüche, und die scheinen nicht einfach nur synchronisationstechnisch drübergestülpt – freilich eventuell verstärkt – zu sein. Da mokieren sich die Soldaten des amerikanischen Schlitzaugenkommandos über den strengen Duft dreier mitkämpfenden Frauen (vielleicht so ein China-Witz, den außerhalb keiner richtig kapiert), dann geht einer „einen Neger abseilen“ (das versteht auch der deutsche Bahnhofskinogänger). Ganz oft wird irgendwie irgendwohin gehüpft, oder sich auf die Seite gerollt, oder irgendwo hochgeklettert, als wäre die Schwerkraft mit Ein/Aus-Schalter versehen. Und wenn in Vietnam nichts mehr geht, dann hilft immer Kung fu. (Sonst würde es ja auch gar nichts bringen, dass sich Hongkong in diese filmische Auseinandersetzung um diesen kriegerischen Konflikt einmischt.)
Krieg jedenfalls ist die Hölle, so wird im Film mal gesagt, aber Knast ist schlimmer. Zumal Vietnam so eine Art großer Freilicht-Abenteuerspielplatz mit Waffen ist, mit richtig geilen Waffen zumal, wo man halt beim Ballerspielen sterben kann, wenn man Pech hat. Aber: „Passiert ist nun mal passiert“, wie es so schön heißt. Und die Actionshow muss ja weitergehen.
In Vietnam, noch vor dem Absprung unserer Heldentruppe, treffen wir unvermutet auf eine Mädel-Guerilla-Truppe, die einen Vietcong-Vorposten lautlos mit Hand und Messer ausschaltet: Die drei werden als kambodschanische Untergrundkämpfer die US-Mission inoffiziell unterstützen. Zwischendurch gerät das Kampfkommando auf seinem Weg zum Raketendepot in ein Dorf: Denn der Offizier back in the USA hatte als kleinen privaten Sonderauftrag auch noch darum gebeten, seinen Bruder rauszuholen, der damals verletzt in diesem Dörflein zurückgelassen wurde. Mit diesem Bruder – der inzwischen verrückt wurde und eine Menge fantastischen Unsinn brabbelt – kommt auch noch Wiesel ins Boot, der wieselflinke Schlawiner, der listig und wendig als Späher und Führer durch den Urwald sich andient. Und noch ein neues Ziel in den Film einzubringen scheint, irgendwo soll da wohl eine Menge Geld versteckt sein – zum Glück vergisst Regisseur Sammo Hung (der auch den Kommandanten des Himmelfahrtskommandos spielt) diese paar Drehbuchsätze, sonst wäre der Film wirklich überladen worden.
Kung Fu, Action, Krieg, Gags reichen schließlich aus für eine völlig überdrehte Urwaldsause, in der „Die durch die Hölle gehen“ genauso drinsteckt wie „Die Brücke von Arnheim“. Einmal werden sie gefangen und in einem Vietcong-Lager gefangengehalten, standesgemäß in einem Käfig unter Wasser, und natürlich ist auch Russisch Roulette dabei – gespielt von vietnamesischen Kampfkindern, nicht von Christopher Walken. Und die Kids haben dazugelernt: Nicht an sie selbst wird die Waffe angelegt, sondern an einen der gefangenen Feinde. Schließlich haben die spielenden Jungs noch ihr ganzes Leben vor sich.
Natürlich wird viel gestorben, immer in erhabenem Gestus mit ein paar letzten Weisheiten auf den Lippen, und immer wieder opfert sich einer zum Wohle der anderen, ist doch klar. Unter Freunden…! Im Raketendepot-Bunker dann die finale Endschlacht, und hier tritt auch die vielleicht beste Figur des Films auf den Plan (also: neben dem Stotterer, neben dem Feigling, neben dem aufbrausenden Brillenfuzzi und und und). Der Herr Vietcong-General ist ein langer, dürrer Spargeltarzan mit nervös-schwulem Kichern und einem Taschentuch, mit dem er sich nicht vorhandenen Schweiß vom Gesichtlein wischt. Und dann geht er ab wie Zäpfchen: Unglaublich schnelle Moves, wenn es drauf ankommt, in einigen wirklich doll choreographierten Kampfszenen mit Sprüngen, Kicks und Schlägen, die hin und her hageln – und es wird einem gewahr, dass der Film tatsächlich ziemlich klug aufgebaut ist in dem, was er zeigen will. Von den komödiantischen Einlagen der ersten Hälfte ist jetzt nichts mehr übrig, die MG-Orgien des Mittelteils hat er auch hinter sich gelassen, um nun den dritten Teil der anvisierten Zielgruppen anzusprechen, die auf Mann-gegen-Mann-Kämpfe stehen – und das schafft ja nun auch nicht jeder Film, dass er gleich drei Wünsche auf einmal erfüllt. Außer vielleicht die pazifistischen – aber solcherartige hegen natürlich nur Weicheier.
Harald Mühlbeyer