"Draußen ist Sommer", Friederike Jehn
"Die Tage dazwischen", Carsten Pütz
"Leg ihn um", Jan Georg Schütte
Ja, der Abschied - es ist natürlich nur die quasi postkoitale Wehmut nach einem Festival, die mich mit diesem Thema beschäftigen lässt. Das Beendigen jedenfalls ist im Film immer mindestens so interessant wie das Beginnen, "boy leaves girl" toppt "boy meets girl" - wobei in der Realität der Hof-Filme vor allem die Frauen die Männer verlassen.
So in "Draußen ist Sommer" von Friederike Jehn, einem feinfühligen Porträt einer Familie mit krassen Problemen. Frisch in die Schweiz gezogen, in ein Acht-Zimmer-Haus mit großem Garten, kann die neue Fassade die inneren Risse nicht kitten: das Misstrauen der Frau gegen den Mann, der schonmal untreu war; die Flucht des Mannes in die Arbeit, später in den Keller, wo er ein kleines Vogeljunges pflegt; die deplazierten Kinder in einem Land mit unverständlicher Sprache und mit gemeinen Mitschülern. Erzählt wird vom immer schneller werdenden Auseinanderdriften, von den immer stärkeren Fliehkräften in der Familie; und zwar immer wieder und immer wieder gern aus der Kinderperspektive, speziell aus der Sicht der pubertierenden Tochter, die völlig verloren ist. Der kleine Bruder hat Haarausfall, spricht und isst nicht. Nur die kleine Schwester findet eine Freundin, die sie aber auch kräftig unterbuttert. Und gemeinsam versuchen sie, Frieden und Harmonie herzustellen, mit den unzureichenden Mitteln, die sie bisher gelernt haben: kleine Lügen, Schwamm drüber, untern Tisch kehren und nach außen Fröhlichkeit markieren.
Wie in "Draußen ist Sommer" die Frau schließlich doch den Schritt weg vom Mann, in ein neues Leben mit neuen Möglichkeiten tut, das ist auch der Inhalt von Die Tage dazwischen, Langfilmdebüt von Carsten Pütz, offenkundig mit billigstem Consumer-Digital-Equipment gedreht, ohne großen Aufwand an Lichtsetzung oder Ausstattung; dafür mit vielen schönen, frechen, frischen Einfällen in der Inszenierung. Vor allem, weil die Darsteller zwischendurch sichtlich lustvoll improvisieren, und weil ohnehin die Ebene der Kommunikation - der fehlgeleiteten, der oberflächlichen, der unsensiblen - ein wichtiges Element im Film ist. Wie auf einer Party Plattitüden und Smalltalk-Quatsch verbreitet werden; wie in der Kneipe jeden Abend dasselbe gelabert wird, als wäre es das erste Mal; wie die Mutter ihrer Katrin die Beziehung zu Felix ausreden will; wie Katrin und Felix sich ohnehin nichts mehr zu sagen haben: Das ist wahnsinnig witzig, weil es viel zu wahr ist, um schön zu sein.
Ein Abschied der ganz anderen Art, aber auch ein Familienfilm, ist "Leg ihn um" von Jan Georg Schütte. Der Familienpatriarch, alt und schwer krank, fordert seine Kinder auf, ihn umzubringen. Wer die Entschlossenheit und den Mut zur Tat aufbringt, soll Alleinerbe von Vermögen und Firma werden. Eine Woche haben sie Zeit, und sie ersinnen die irrsinnigsten Pläne, von Gift über die Falle im Wald bis zu einer "Body of Evidence"-Nachahmungstat. Was Pütz mit frischem Frohsinn einfach so auf die Leinwand schleuderte, das Spontan-Improvisierte - darin ist Schütte Meister, seine vorherigen Filme "Swinger Club" und "Die Glücklichen" sind nur nach diesem Prinzip gebaut, gemeinsam mit den Darstellern die Figuren zu konzipieren, die Handlung nach einem knappen Leitfaden zu strukturieren, am Set zu improvisieren (und sich einen festen Stab an Mitstreitern zusammenzubasteln, die sich "die Glücklichen" nennen). Beim komplexer aufgebauten "Leg ihn um" wurde sicherlich mehr geplant, mehr vorab konstruiert; Lebendigkeit und Leichtigkeit tut dies kein Abbruch. Dem großen Spaß, den der Film bereitet, natürlich auch nicht.
So schließe ich die diesjährige Hofberichterstattung; nicht ohne dem Abschied einen Ausblick aufs Wiederlesen zu geben; denn über Schütte und seine Art zu filmen hat Kollege Zywietz einen sehr schönen Beitrag für den Reader "Ansichtssache" über den Zustand des aktuellen deutschen Films verfasst. Kommt im Februar im Schüren-Verlag raus, schon mal merken!
Harald Mühlbeyer
"Die Tage dazwischen", Carsten Pütz
"Leg ihn um", Jan Georg Schütte
Ja, der Abschied - es ist natürlich nur die quasi postkoitale Wehmut nach einem Festival, die mich mit diesem Thema beschäftigen lässt. Das Beendigen jedenfalls ist im Film immer mindestens so interessant wie das Beginnen, "boy leaves girl" toppt "boy meets girl" - wobei in der Realität der Hof-Filme vor allem die Frauen die Männer verlassen.
So in "Draußen ist Sommer" von Friederike Jehn, einem feinfühligen Porträt einer Familie mit krassen Problemen. Frisch in die Schweiz gezogen, in ein Acht-Zimmer-Haus mit großem Garten, kann die neue Fassade die inneren Risse nicht kitten: das Misstrauen der Frau gegen den Mann, der schonmal untreu war; die Flucht des Mannes in die Arbeit, später in den Keller, wo er ein kleines Vogeljunges pflegt; die deplazierten Kinder in einem Land mit unverständlicher Sprache und mit gemeinen Mitschülern. Erzählt wird vom immer schneller werdenden Auseinanderdriften, von den immer stärkeren Fliehkräften in der Familie; und zwar immer wieder und immer wieder gern aus der Kinderperspektive, speziell aus der Sicht der pubertierenden Tochter, die völlig verloren ist. Der kleine Bruder hat Haarausfall, spricht und isst nicht. Nur die kleine Schwester findet eine Freundin, die sie aber auch kräftig unterbuttert. Und gemeinsam versuchen sie, Frieden und Harmonie herzustellen, mit den unzureichenden Mitteln, die sie bisher gelernt haben: kleine Lügen, Schwamm drüber, untern Tisch kehren und nach außen Fröhlichkeit markieren.
Wie in "Draußen ist Sommer" die Frau schließlich doch den Schritt weg vom Mann, in ein neues Leben mit neuen Möglichkeiten tut, das ist auch der Inhalt von Die Tage dazwischen, Langfilmdebüt von Carsten Pütz, offenkundig mit billigstem Consumer-Digital-Equipment gedreht, ohne großen Aufwand an Lichtsetzung oder Ausstattung; dafür mit vielen schönen, frechen, frischen Einfällen in der Inszenierung. Vor allem, weil die Darsteller zwischendurch sichtlich lustvoll improvisieren, und weil ohnehin die Ebene der Kommunikation - der fehlgeleiteten, der oberflächlichen, der unsensiblen - ein wichtiges Element im Film ist. Wie auf einer Party Plattitüden und Smalltalk-Quatsch verbreitet werden; wie in der Kneipe jeden Abend dasselbe gelabert wird, als wäre es das erste Mal; wie die Mutter ihrer Katrin die Beziehung zu Felix ausreden will; wie Katrin und Felix sich ohnehin nichts mehr zu sagen haben: Das ist wahnsinnig witzig, weil es viel zu wahr ist, um schön zu sein.
Ein Abschied der ganz anderen Art, aber auch ein Familienfilm, ist "Leg ihn um" von Jan Georg Schütte. Der Familienpatriarch, alt und schwer krank, fordert seine Kinder auf, ihn umzubringen. Wer die Entschlossenheit und den Mut zur Tat aufbringt, soll Alleinerbe von Vermögen und Firma werden. Eine Woche haben sie Zeit, und sie ersinnen die irrsinnigsten Pläne, von Gift über die Falle im Wald bis zu einer "Body of Evidence"-Nachahmungstat. Was Pütz mit frischem Frohsinn einfach so auf die Leinwand schleuderte, das Spontan-Improvisierte - darin ist Schütte Meister, seine vorherigen Filme "Swinger Club" und "Die Glücklichen" sind nur nach diesem Prinzip gebaut, gemeinsam mit den Darstellern die Figuren zu konzipieren, die Handlung nach einem knappen Leitfaden zu strukturieren, am Set zu improvisieren (und sich einen festen Stab an Mitstreitern zusammenzubasteln, die sich "die Glücklichen" nennen). Beim komplexer aufgebauten "Leg ihn um" wurde sicherlich mehr geplant, mehr vorab konstruiert; Lebendigkeit und Leichtigkeit tut dies kein Abbruch. Dem großen Spaß, den der Film bereitet, natürlich auch nicht.
So schließe ich die diesjährige Hofberichterstattung; nicht ohne dem Abschied einen Ausblick aufs Wiederlesen zu geben; denn über Schütte und seine Art zu filmen hat Kollege Zywietz einen sehr schönen Beitrag für den Reader "Ansichtssache" über den Zustand des aktuellen deutschen Films verfasst. Kommt im Februar im Schüren-Verlag raus, schon mal merken!
Harald Mühlbeyer