Grindhouse Double Feature: Zwei Überraschungsfilme am Samstag, 26. Februar 2022, Cinema Quadrat, Mannheim
„Besessen“ /
„Deranged“ / „Deranged: Confessions of a Necrophile“ – USA 1974, Regie: Jeff
Gillen, Alan Ormsby
„Slum Fighters“ / „Death
Promise“ – USA 1977, Regie: Robert Warmflash
Grindhouse-Filme werden gerne als Eskapismus angesehen, als
Ausflucht aus einer Welt hinein in (vorwiegend männlich konnotierte) Fantasien
von Schlägereien und Nackedeis, primitive Ansprache niedriginstinktiver Reize
mit dem unausgesprochenen Vertrag zwischen Filmproduktion und Kinobesuchern,
dass dies, was hier zu sehen ist, grade mal Wegwerfware ist mit dem Zweck des
momentanen Vergnügens und der Billigung, das Ganze nach anderthalb Stunden
wieder zu vergessen, bis zum nächsten Mal.
Erst retrospektiv wird dann ein Schuh draus: Dass diese Filme zwar längst vergessen sind, aber dennoch vorhanden, und dass sie zur Wiederentdeckung verfügbar sind. Und vielleicht erst dann wird klar, dass in diesen Filmen Wahrheit steckt, Wirklichkeit. Oder zumindest: Dass die wirkliche Welt in diesen Filmen drinstecken kann. Und dann gibt es zwei Möglichkeiten: Die Filmemacher haben das beabsichtigt, oder es ist ihnen einfach so reingerutscht, das Reale.
In „Deranged“
geht es ganz klar darum, die „Wirklichkeit“ zu zeigen. Und das zunächst auf
eine Weise, die im True-Crime-Genre gang und gäbe ist: Nämlich die
Nacherzählung eines Verbrechens, so authentisch wie möglich. „Das Geschehen in
diesem Film ist absolut wahr“, konstatiert der Vorspann, lediglich Namen und
Schauplätze seien geändert worden. Denn es geht in diesem Film um die Morde und
die Persönlichkeit des berüchtigten Ed Gein, hier Ezra Cobb genannt. Und wie
immer beim True Crime hängt das Ergebnis irgendwo zwischen dokumentarischer
Aufarbeitung und effektheischendem Sensationalismus – weil es natürlich darum
geht, das Faszinosum von Verbrechen dem Zuschauer nahezubringen, ihn zu thrillen
mit dem besonderen Kick des Re-Enactments (man guckt ja nicht „Aktenzeichen
XY“, um Verbrechen aufzuklären, sondern damit man hautnah von ihnen erfährt und
sich so richtig schön in den Fernsehsessel reingruseln kann!)
„Deranged“ ist klar ein Low Budget-Film, der offensichtlich eher über Grindhouse-Vertriebswege als über höherklassige Filmverleihschienen in die Kinos kommen würde – aber auf ganz erstaunliche Weise gelingt es den Filmemachern Jeff Gillen und Alan Ormsby, spannend, aber nicht im eigentlich zu erwartenden Maße reißerisch die Untaten von Ed Gein in ihren Film zu übertragen. Gein war in den 1950ern der Push im amerikanischen Bewusstsein, dass tatsächlich unter der Oberfläche der allgegenwärtigen Freundlichkeit was Schreckliches lauert. Storys über abnormale Mörder gab es immer, Jack the Ripper hat hier ebenso inspiriert wie der Vampir von Düsseldorf Peter Kürten (siehe Fritz Langs „M“) oder der Werwolf von Hannover Fritz Haarmann (siehe Götz George) oder der Vampir von Nürnberg Kuno Hofmann (siehe „Mosquito – Der Schänder“) – aber Ed Gein war derjenige, der in die US-Populärkultur hineinsickerte, denn in ihm ist das Grauslige aufs Schönste vereint mit den freudschen Ideen von Trieb-Psychosen und Sexualverdrängung. Nicht nur Morde, mindestens zwei, sondern vor allem auch das Leichenschänden hat sich in die Neugierde der Leute eingebohrt, dass Gein frisch Verstorbene ausgrub und Leichenteile sammelte und aus Hautstücken Kleidung und Gesichtsmasken anfertigte… dazu die extreme Mutterbindung… Weshalb bereits 1959, zwei Jahre nach der Aufdeckung von Geins Taten, Robert Bloch ihn literarisch verarbeitete in einem Roman namens „Psycho“… texanische Kettensägenmassaker und Killer, denen nur mit einem Dr. Hannibal Lecter beizukommen ist, folgten. Aber „Deranged“ macht sich die Mühe, nah am Objekt zu bleiben. Und der Film unterstreicht dies mit einer mutigen Entscheidung.
Denn als erstes tritt ein gediegener Herr mit dicker
Hornbrille auf, der sich als Journalist vorstellt, der die schrecklichen Taten
damals recherchiert habe und der uns fortan durch den Film führt. Er stellt uns
Ezra Cobb vor, wie er Suppe für die Mama kocht. Die liegt im Sterben, der Sohn
will es nicht wahrhaben – und bereits diese Szene überzeugt den Zuschauer
davon, dass wir es nicht einfach mit einem sleazy Rip-off zu tun haben, sondern
mit dem (gelungenen!) Versuch, diesem Charakter gerecht zu werden. Die Mutter
weiß um den nahen Tod, der Sohn sitzt neben ihr, voll hilfloser Fürsorge
verdrängt er diesen Gedanken, „iss etwas, die Suppe ist heiß und gut!“, er
steckt ihr den Löffel zwischen die Lippe, sie schluckt und hustet, die grüne
Erbsensuppe vermischt sich mit dem roten Blut aus ihrer Lunge, es ist ein
unglaubliches Bild – und in seiner Emotionalität absolut wahr, ein Sohn, der unendlich
liebt.
Und immer wieder schleicht sich der Reporter ins Bild, um zu kommentieren – etwa wenn Ezra seine verstorbene Mutter ein Jahr nach der Beerdigung aus dem Grab holt und im Bett drapiert, als wäre sie nie weggewesen: Dann schwenkt die Kamera auf unseren Master of Ceremonies, folgt ihm aus dem Raum, durch den Flur, und da haben wir wieder Ezra, ein geschickter Zeitsprung in ungeschnittener Kameraeinstellung. Was gleich mal die nächste Qualität des Films deutlich macht, der eben nicht nur mit einer sehr intensiven, dennoch subtilen darstellerischen Leistung aufwartet, sondern auch inszenatorisch auf hohem Niveau liegt.
Und der dabei dennoch hineingeht ins Volle; vor allem, wenn
Ezra seinen Knacks abbekommen hat und Leichen ausbuddelt; da braucht er ein
Auge, öffnet das Grab, öffnet den Sarg, und hat einen Esslöffel parat, um das
Objekt seiner Begierde rauszuhebeln. Oder wenn er seine Leichen dann zuhause
do-it-yourself-präpariert, beinahe liebevoll den Schädel aufsägt, das Gehirn
sanft heraushebt… Tom Savini taucht in diesem Film erstmals mit einem Credit
für Make-up-Effekte auf.
Ezra hat Freunde – seine Nachbarn kümmern sich um ihn,
geradezu liebevoll, sie wissen um seine geistige Schwäche, aber er ist nett und
freundlich, und sie bemühen sich, ihm zu helfen. Beispielsweise eine Frau für
ihn zu finden. Sie wissen nicht, wie querverstört sein Verstand ist, wie ihm
die Mutter auf dem Sterbebett, die Bibel in der Hand, noch eingebläut hat: „Der
Sünde Lohn sind Syphilis, Tripper und Tod!“ Eine alte Freundin der Mutter sucht
er auf, die ist, nunja, psychisch instabil und sexuell vollkommen irre, sie
spricht mit ihrem verstorbenen Mann, in einer Séance „erlaubt“ er ihr, sich
körperlich mit Ezra zu vereinigen, in ihm streiten die Gefühle von Begehren und
Abscheu, sie verführt ihn, indem sie mit der Stimme des Verstorbenen spricht,
sie liegen auf dem Bett, sie fühlt an ihm runter, „oh, there you are!“ – aber
es ist die Pistole, die er zu seinem Schutz mitgebracht hat, und die er nun
einsetzt. Wie hier zwei auf ganz verschiedene Weise Verrückte und ihre
Sexualneurosen aufeinanderprallen, wie die Verdrängungen aufgebrochen werden,
wie die generelle Unterdrückung des Erotischen durch eine bittere Sexualmoral
zu den merkwürdigsten Entladungen führt, weil die Frau, die körperlich begehrt,
hierfür ersteinmal das OK ihres verschiedenen Ehemannes einholen muss, wie Ezra
hier möglicherweise erstmals fleischliches Begehren erfährt, wie er sich
herauswindet aus kindlicher Latenzphase und zugleich die Übermutter ihn
fesselt, in ihm Hass schürt – und wie dies alles in der Umkehrung eines
klassischen Knallerspruches von Mae West sich entlädt: Er ist nicht glücklich, sie zu sehen, nein, es ist wirklich eine
Pistole, und er benutzt sie: das ist eine ganz, ganz große Szene, die so viel
erzählt darüber, wie Amerika in den 50ern – und auch später – funktioniert!
„Deranged“ ist eine Entdeckung; auch und gerade, weil der
Film zwar behauptet, wirkliches Geschehen nachzubilden, dies aber gar nicht im
Detail tut, sondern Ed Geins Geschichte fiktionalisiert, filmgemäß aufbereitet
– aber sich auch nicht zu weit entfernt, um bloße Effekthascherei zu betreiben:
Deshalb trifft er einen Kern der Wahrheit, den viele andere Filme verfehlen, gerade
wenn sie sich weit mehr darum bemühen. Es gibt spannende Szenen, wenn Ezra auf
der Pirsch ist, wenn ihm eine Frau gefällt und ihm dies so gar nicht gefällt
und er sie deshalb ins Visier nimmt – und es gibt auf den darunterliegenden
Schichten tiefe Einblicke in die amerikanische Volkspsyche. Nämlich nicht nur,
weil der Film versucht, Ed Gein recht wahrhaftig auf die Spur zu kommen,
sondern auch durch die Tatsache, dass
dieser Film versucht, Gein einem Publikum zu präsentieren, das auf Sensation
aus ist und dem diese oberflächliche Sensation verweigert wird. Der Balanceakt
zwischen Publikumswirksamkeit, zwischen Befriedigung von Schaulust und von
Nervenkitzel einerseits und andererseits einem Anspruch auf Authentizität ist
dem Film stets eingeschrieben, und genau deshalb hält er sich perfekt in
Balance: Weil er zwar nicht tatsächlich „wirkliches Geschehen“ abbildet, aber
„Wahrhaftigkeit“ ausstrahlt in seinem Porträt eines soziopathischen Killers.
„Death Promise“
geht ganz anders mit der Wirklichkeit um. Er greift nämlich mitten in sie
hinein, walkt sie in den Händen und schmeißt sie dann durch die Leinwand dem
Zuschauer ins Gesicht. Also: Das ist zumindest der formulierte Anspruch des
Films, denn es geht um Gentrifizierung. Es geht um die armen Mieter in den
slumartigen Vierteln von New York, die von den großen
Wohnungsvermietungsgesellschaften rausgeekelt werden, um mit dem nächsten
Mieter mehr Geld einzunehmen. Eine Erzählstimme erläutert diese Umstände, unter
denen die armen Leute hausen müssen, und der Film zeigt dann auch gleich, was
abgeht: Da wird das Gas abgedreht und das Wasser und der Strom, und wenn die
Mieter dann nicht gefügig werden, dann schicken die Kapitalistenbonzen
Schlägertypen los, oder sie lassen eine Kiste voll Ratten im Hausflur frei. Wir
sind also hineingeworfen in den realexistierenden Klassenkampf zwischen den
kleinen Leuten und den reichen Großkapitalisten, es geht um Solidarität der
Mieter und im Grunde um die Revolte gegen die Ausbeuter. Diesewelche sind
geradezu karikaturesk gezeichnet rund um den Bösewicht Alden: ein Richter
ebenso wie ein Italo- und ein Afroamerikaner und ein Jude – Prototypen des
Gangstertums US-amerikanischen Typs, die für sich in Anspruch nehmen, den
American Dream für sich gepachtet zu haben. „Law and order“, tönt der Richter:
Es ist doch völlig verdreht, wenn das Gesetz sich auf die Seite von diesem
Abschaum stellt und nicht den Reichen hilft!
New York war in den 70ern heftig gebeutelt von den hier dargestellten Klassengegensätzen. Das ist denn ja auch eine gute Grundlage für einen Film, und sicherlich Motivation für alle Beteiligten. Was sie draus gemacht haben? Eine Rache- und Prügelorgie reinsten Wassers!
Hauptfigur ist der energiereiche Charly, der kann Karate. Und er hat einen Vater, der hält die Moral der armen Mieter hoch. Und er hat einen Freund, der hilft Charly bei allem. Also beim Prügeln. Jetzt ist es so, dass der Papa von Alden bestochen werden soll, aber natürlich ablehnt, weil er anständig ist, und deshalb wird er umgebracht. Er hat vorher in weiser Voraussicht einen Brief geschrieben, wer sein Mörder ist, und den bei seinem Freund, einem Karatelehrer, hinterlegt, der ihn seinem Sohn weitergeben soll, wenn dieser bereit ist. Bereit ist Charly erst nach einem mehrmonatigen Kampftraining in Japan.
Prinzipiell ist ja klar, dass man eine Handlung haben muss,
um ein sozialpolitisches Anliegen dem Publikum nahezubringen. Aber dass soviel
Spaß dabei ist, das ist dann doch eher ungewollt. Denn „Japan“ besteht aus
einem Garten mit weißblühender Hecke. Das soll wohl die Kirschblüten
darstellen; ich bin botanisch nicht so bewandert, aber wenn da mal essbare
Früchte rauskommen sollten, dann am ehesten Schlehen. Der Kampflehrgang besteht
aus nicht gezeigten Kämpfen (und der Aufforderung des Gurus: Time for Dinner!)
sowie aus Charlys Gedankenstimme, die bekundet, dass er den Papa rächen will.
Und vor allem geht es ihm ganz stark um den Brief mit dem Namen des Mörders!
Währenddessen in New York: Charlys Freund Speedy nutzt die Zeit, um die
Vermietergangster zu beschatten. Woher er weiß, wen genau er verfolgen muss,
ist nicht klar, zeigt aber vor allem, wie unwichtig der Brief eigentlich ist.
Das muss auch Charly nach seiner Rückkehr erkennen, und alles ist gut! Weil
wenn beide wissen, wer bekämpft werden muss, dann können ja beide gleich
loslegen!
Man muss aber dringend die Qualitäten des Films darlegen.
Die da mitspielen, die können scheint’s richtig kämpfen! Die Kampfszenen sehen
gut aus, keine Frage, kraftvoll und gelenkig, 1A. Und: Die Macher hatten
wirklich super Ideen, wie die Bösewichter um die Ecke gebracht werden sollen.
Der Italomafiosityp beispielsweise ist Bogenschießfanatiker, und während er
seinen Lakaien nach dessen Bogen in der Gartenhütte suchen lässt, tauchen
unsere Gerechtigkeitskämpfer auf (der Garten vom Italotypen sieht übrigens
verdächtig nach Japan aus). Als der Lakai mit Pfeil und Bogen zurückkehrt, ist
der Alte nicht mehr da, also schießt er halt ein paar Mal auf die Zielscheibe
und erkennt erst, als er die blutverschmierten Pfeile rauszieht, dass er seinen
Boss erschossen hat, der gefesselt hinter der Zielscheibe drapiert wurde.
Wunderbar, hochoriginell!
Der korrupte Richter hat sich eine kleine Privatarmee
zusammengestellt, und außerdem ein paar Polizisten angeheuert, die ihn
bewachen. Da hilft ein „old Japanese assassin trick“, den wir hier in Echtzeit
verfolgen können: Speedy hält die Bodyguards auf, und Charly klettert aufs
Dach. Durch das Oberfenster der Tür, hinter der der Judge schnarcht, schiebt er
einen Bambusstab – die Polizisten, die die Tür bewachen, merken nix. Den Stab
hält er in der Luft, lässt daran einen Faden herunterbaumeln, träufelt Gift
drauf, das dem Richter in den Mund tropft. Perfekt ausgeführt! Also: Perfekt
von Charly. Von Regisseur Robert Warmflash jetzt nicht so. Weil hier nämlich
wieder das Lustige durchschlägt: Gedreht wurde offenbar ohne ausgearbeitetes
Drehbuch, so dass die Darsteller (meist sowieso Pflaumen) nicht wissen, welche
Dialoge sie jetzt eigentlich aufsagen müssen. Regieanweisung offenbar:
Unterhaltet euch! Weshalb sich die Polizistendarsteller pflichtschuldig
miteinander unterhalten. Doof nur, dass ihnen nichts einfällt. Und so hört man
über die gesamte, minutenlange Szene ihr unbedarftes Plappern, das aus ca. drei
Sätzen besteht: Der Richter ist ein „good guy“ – da hinten ist was los, aber
wir bleiben hier – wir passen gut auf den Judge auf. Und das dauernd. Weil: Was
soll man auch sonst sagen, wenn man die Anweisung hat, solange zu reden, bis
über einem der Rächer seinen Plan ausgeführt hat, und man darf das nicht
bemerken, sondern soll sich halt unterhalten!
Es scheint so, offenbar ein paar Kumpels sich gedacht haben, mensch, machen wir nen Film, mit Action und Schlägern! Und das haben sie gemacht. Denn Kampfkunst können sie, der Rest wird sich finden. Das ermöglicht nun wiederum einen ganz eigenen Blick auf die Wirklichkeit: Denn die Wirklichkeit, die gezeigt werden soll, die Mieterverarsche durch das Große Geld, die ist leicht als Vorwand zu durchschauen für Rumkloppen; und so drängt sich eine Wirklichkeit in den Film, die die Macher nicht beabsichtigt haben, nämlich die Wirklichkeit hinter den Kulissen dieses Filmdrehs: Filmische Dilettanten am Werk, die aber immerhin Kämpfe performen können. Was auf der anderen Seite bedeutet, dass alles, was zwischen den Kämpfen passiert, total langweilig ist. So langweilig, dass es schon wieder hochinteressant ist: Wieso ist das langweilig? Wie wird diese Langeweile gestaltet? Warum ist das Langweilige interessant? Wann endet die Langeweile, und in welcher Form kehrt sie wieder? Film sei „life without the boring parts“, hat Alfred Hitchcock (und sicher noch ein paar andere) erklärt, und hier sehen wir die „boring parts“ darauf warten, dass was passiert, und dann passiert was, und dann kommen sie wieder.
Das hat einen eigentümlichen Rhythmus, es ist der Rhythmus des Performance-Films: So ähnlich ist es ja auch beim Musical, das auf musikalische Nummern zugeschnitten ist, mit ein bisschen Handlung zwischendrin. Oder bei der Komiker-Comedy, bei den Komödien, die um bestimmte komische Persönlichkeiten gestrickt und darauf ausgerichtet sind, dass diese ihre Nummern geben – die Marx Brothers-Filme der 30er Jahre sind niedriger Filmstandard, sobald die Brüder nicht mehr zu sehen sind; Heinz Erhardt-Filme sind billiges „Papas Kino“-Spießertum, wenn Erhardt nicht grade mit seiner schusselig-schelmischen Art Kalauer von sich gibt. Performance-Film, dazu gehört übrigens auch der Pornofilm (in seiner Spielfilmausführung), und eben das Kampfkunst-Kino, das erstmal dazu dient, Choreografien zu zeigen.
Kampfchoreografien: Da findet „Death Promise“ zu sich, und
das Gute ist, dass die Kämpfe sich steigern im Lauf des Films, bis hin zu einem
unglaublichen Exzess in Aldens Konferenzraum, wo dessen Handlanger auf die zwei
Kämpfer losgehen und einfach mal archaisch brüllen. So richtig brüllen, ein
Urbrüllen aus Urzeiten, Kampflust und Angstmachen und Lungefreimachen und
schlichte Freude an der Lautstärke vermischen sich da zu vormenschlichen
Lauten, wie es wohl in der Filmgeschichte nie wieder vorkommt.
Danach kommt als Höhepunkt des Films die große Auflösung, wer nun wirklich hinter dem Vermietersyndikat steckt, und was uns als Überraschung präsentiert wird, hat der Film in seinem Dilettantismus schon gleich zu Anfang preisgegeben, als nämlich dieser Oberbösewicht, standesgemäß mit oberbösewichtiger Katze auf dem Schoß, im Halbschatten da sitzt und ganz klar erkennbar ist, was vor allem bedeutet, dass die Filmemacher sich ihren eigenen Film nie richtig angesehen haben.
Harald Mühlbeyer