Grindhouse-Nachlese Januar 2020: "Mosquito – Der Schänder" und "Der Krieger und die Hexe"
"Mosquito – Der
Schänder", Schweiz 1977, Regie: Marijan Vajda
"The Warrior and
the Scorceress" / "Der Krieger und die Hexe", USA 1984, Regie: John
C. Broderick
Die Schweizer! Dieses gemütliche Völkchen hinter den sieben
Bergen, mit Schokolade und Alm-Öhi und brüderlicher Liebe, 500 Jahre Demokratie
und Frieden, und was haben wir davon? Die Kuckucksuhr! Und natürlich diesen
Film, der, man fasst es nicht, ohne
Erwin C. Dietrich produziert wurde! Und dessen Titel "Mosquito – der Schänder" auch noch komplett wahr ist,
obwohl er sich so reißerisch anhört wie tausend andere Filme: Die Hauptfigur
nennt sich Mosquito. Und sie ist ein Schänder, von Frauen, besser: von
Frauenleichen. Denn der Moskito steigt nachts ein in Beerdigungsinstitute, in
Leichenschauhäuser, und dort sucht er sich eine aus, die da im Sarge liegt, und
liebkost sie. Sticht auch mal mit dem Messer in ihre Brust, um ihr Blut zu
sehen – rote Milch, die ihn nähren soll. Denn das ist sein Liebstes: Den roten
Lebenssaft aus den toten Körpern zu trinken, und hui, wie das Blut fließt, als
sei es noch frisch!
Jetzt: Wer hat's erfunden? Nein, nicht die Schweizer: Der
Film geht ziemlich akkurat dem Fall des "Würgers von Nürnberg" nach:
Kuno Hofmann hatte sich Anfang der 1970er bluttrinkenderweis' an weiblichen
Leichen vergangen und später ein Liebespaar ermordet, um auch deren Blut zu
saugen. "Mosquito" ist ein Film darüber, nur ganz leicht von der
Wirklichkeit versetzt.
Die namenlose Hauptfigur ist taubstumm – und das macht den
Film zum natürlichen Nachfolger, war doch in der vorherigen Grindhouse-Nacht
die stumme "Ms. 45" zu sehen gewesen, als Opfer, das zum Täter wird;
hier nun Werner Pochath in einer doch recht intensiven Darstellung des Täters,
der stets auch Opfer ist. Ein Buchhalter, penibel und genau, er ist ja nicht
abgelenkt vom üblichen, laut plappernden Bürogeplänkel seiner Kollegen und der
Kollegin, er bekommt zu Filmbeginn eine Gehaltserhöhung, weil er mit den
Tabellen der Prä-Excel-Zeit so gut umgehen kann. Zuhause dann sieht er die
Nachbarin, die sich wie immer das Maul über ihre Mitmenschen zerreißt, das
Nachbarsmädel – die wohl jung sein soll, vom Verhalten her vielleicht 13, 14,
gespielt aber von einer Frau an die 30 –, und der Handwerker im Erdgeschoss
prügelt seinen Sohn, keiner greift ein.
Rückgriff auf Mosquitos Kindheit. Der Vater prügelt ihn
wegen einer Kleinigkeit, mit dem Gürtel in der engen Stube, halb kaputt liegt
der Junge da, an der Tür dann die kleine Schwester: "Papa, Papa", er
nimmt sie in den Arm, auf dem Sofa schmiegt sie sich an ihn, er schmiegt
zurück, schmust, betatscht sie, und wie er ihr die Unterhose unterm Nachthemd
auszieht, das sieht der Junge mit Angst, Ekel und vielleicht auch Lust… Das ist
eine krasse Szene, und sie muss so krass sein: Sie ist der Schlüssel für
Mosquitos Taten, für sein ganzes Erwachsenendasein. Psychologie, Psychologieeee!
Mosquitos Wohnung ist voll mit Puppen. Schön angeordnet im Regal.
Die Nachbarin beschwert sich, weil seine Wohnung so dunkel ist, sie kann gar
nicht richtig durchs Fenster reingucken. In das "junge" Nachbarsmädel
ist er verliebt. Aus der Werkstatt des Handwerkers leiht er sich einen Hammer;
und ein paar dicke Drähte. Aus denen formt er sich ein paar Dietrichs – wenn
schon Erwin C. nicht dabei ist –, mit denen bricht er nächtens in Leichenhallen
ein. Dazu läuft jazzig-psychedelische Orgelmusik, ja: Der Soundtrack des Films
ist absolut bemerkenswert!
Was sich reißerisch anhört – Leichenschändung! Blutdurst! –,
behandelt der Film als ein Porträt des Alltags: Er folgt schlicht dem Täter und
ist damit anderen Filmen weit voraus; "Henry: Portrait of a Serial
Killer" lief auch mal in der Grindhouse-Reihe… Marjan Vajda – den die
Schweizer aus Kroatien importiert haben – beobachtet ganz ruhig die Untaten und
kontrastiert die (psychische) Erlebniswelt des Mosquitos mit seinem
gleichgültigen bis feindseligen gesellschaftlichen Umfeld: Ja, der Film ist
tatsächlich Drama.
Aber auch Bahnhofskino. Blutrünstige Szenen mit den Leichen,
ein brutaler Mord, zwischendurch fällt eine von Mosquitos Puppen vom Balkon und
liegt zerstört auf dem Beton, grässlich anzusehen und ein Vorausblick auf das
"junge" Mädchen, das irgendwann auf dem Dach tanzt und abstürzt – die
Bestürzung darüber treibt Mosquito noch mehr an. Zwischendurch auch ein paar
Sexszenen, weil Mosquito eine vom Strich aufließt, die dann sauer ist, weil er
nichts mit ihr anfängt, später guckt er im Puff einer langen Lesbenszene zu,
vernünftiges Sexleben hat er halt nicht. Dafür kauft er sich im Medizinerladen
ein Glasröhrchen, das sich auf der einen Seite gabelt, damit sticht er in die
Leichen ein, um noch besser Blutsaugen zu können – mit seinen Puppen hat er's
zuhause geübt.
Mosqito ist einer der unauffälligen Menschen, einer der
stillen Nachbarn, denen man "so etwas" nie zugetraut hätte.
Ruhig geht auch der zweite Film des Abends an:
Felslandschaft, ein Mann in brauner Kutte, zwei Sonnen am Himmel. Ein paar
kleine Gestalten lugen um die Steine. Das könnte ein Jediritter sein auf dem
Weg in die Eremitage, beobachtet von ein paar Ewoks. Ist aber David Carradine,
der Krieger, der in eine Stadt kommt, in der um einen Brunnen gestritten wird:
Wir sind auf irgendeinem Planeten, und dort geht es mittelalterlich zu und
gleichzeitig sci-fi-mäßig, und vor allem nackig. "Der Krieger und die
Hexe" hört sich vom Titel her wie ein Disneyfilm an, sieht aus wie ein
merkwürdiges "Star Wars"-Spinoff und ist in Wirklichkeit ein weiteres
"Yojimbo"-Remake, in dem Regisseur John C. Broderick in eine an Leone
angelegte Filmästhetik wieder den Kurosawa-Schwertkampf eingefügt hat, als
Beitrag zum "Sword and Sorcerer"-Genre, das in den 80ern wieder mal
aufkam: Mittelalter-Fantasy mit Kampf und Nackedeis.
Es geht um einen Brunnen, der liegt auf dem Dorfplatz, links
und rechts die Herren, die das Dorf je zur Hälfte im Griff haben, der eine hat
den Brunnen erobert, der andere hat Geld, es ist ein fragiles Gleichgewicht,
dahinein platzt der Krieger Kain, der die beiden gegeneinander ausspielt… Wenn
der Brunnen mal von der einen Seite erobert wird, kommen die gnomenhaften, in
Säcken gehüllten Bewohner der Stadt aus ihren Höhlen gekrochen und holen
Wasser, und am Brunnenrand tanzen nackte Damen im Tanga. Und der eine der
Herrscher – der harte Zeg – hat eine Frau in seiner Gewalt, Naja heißt sie, die
die ganze Zeit ziemlich nackig rumläuft, im Tanga, der auch mal die Farbe
wechselt. Und irgendwie kennt Kain sie von früher, sie soll irgendeinen Zauber
tun, es ist wurscht, Hauptsache ihre wohlgeformten Brüste sind schön im Bild.
Auf der anderen Seite des Dorfplatzes liegt Bal Caz in seinen Kissen, er ist fett und sieht aus wie der Kalif, hat aber die bösartige Seele von Isnogud. Und ein echsenartiges Maskottchen, das ist irgendwas Außerirdisches, so 'ne Art Schoßleguan, der aber zischend kommunizieren kann und ehrlich gesagt total lächerlich aussieht, wenn er aufrecht rumläuft. Auf dieser Seite der Macht gibt’s ne Menge nackter Damen, wohl so was wie ein Harem, aber nicht so prominent in Szene gesetzt wie unsere Busen-Naja. Eine vierbrüstige Dame macht mal 'nen Lapdance für Kain und will ihn mit einen Stachel, der aus ihrem Bauch rauskommt, töten.
Einen weisen Priester gibt's auch, der ist neutral, Clint
Eastw David Carradine kommt bei ihm ab und zu unter, und irgendwann machen sie
eine Klappe im Felsen (!) auf und verstecken sich dahinter und da ist der
Zugang unter den Brunnen (!) und die Wasserversorgung kann gekappt werden, nach
Bedarf. Einen Sklavenhändler gibt es auch, der hat auch viele schöne Frauen
(nackt) dabei. Irgendwann wird dessen Gefolge vergiftet. Irgendwann fällt eine
nackte Frau (ohne Tanga) in ein Aquarium, weil der böse Zeg sie töten will, und
dort ertrinkt sie dann qualvoll, wir sehen das in ganzer Länge, Zeg will damit
Kain beeindrucken. Zeg hat einen bösen Handlanger, der ist Kains Feind. Immer
wieder mal wird gekämpft. Die nackte Naja und Kain heiraten am Ende nicht, weil
Kain weiterziehen muss, nachdem die Bösewichter sich gegenseitig abgeschlachtet
haben oder vom Sklavenhändler abgeschlachtet wurden oder dann am Schluss von
Kain selbst.
Roger Corman steckt hinter dem Film, er hat ihn mit
Argentinien coproduziert, weil er von dort so viele schöne nackte Frauen in den
Film stecken konnte. Ein tolles Erlebnis.
Harald Mühlbeyer