„Die Säge des Todes“, BRD/Spanien 1981, Regie: Jess Franco
„Das Frauenhaus“ / „Blue Rita“, Schweiz/Frankreich 1977,
Regie: Jess Franco
Jess Franco. Als Thema. Einer Doppelnacht. Das lässt
allerlei Schlimmes befürchten (aber ganz sicher kein weinerliches Requiem für
den ein Jahr zuvor Verstorbenen): Es ist eine wissenschaftlich gesicherte
Tatsache, dass von soundsovielen Jess Franco-Filmen ein derartiger Prozentsatz
giftig schlecht ist, dass bei einem Doppeltermin die Wahrscheinlichkeit auf
mindestens eine hochprozentige Gurke diese und jene Quote noch übertrifft.
Aber, puh, gleich zu Anfang möchte ich verraten: Es ist
alles gut gegangen. Das liegt auch am Vorführer des Cinema Quadrat, der diesmal
nicht nur freundlicherweise Chipsschälchen zur Verfügung stellte – nein, der
auch eines der Mordwerkzeuge in „Die Säge des Todes“ als Geburtszange
identifizierte – was ich nicht verifizieren möchte, was aber durchaus im
Bereich des Möglichen sein könnte: Schauplatz des Films ist schließlich eine
internationale Mädchenschule für Sprachen, mit nett aussehendem Lehrer und
potentem Tennistrainer, da kann man sowas immer gebrauchen. Dass
Hebammenwerkzeug rumliegt, ist also nicht allzu weit hergeholt… und wenn ein
Killer umgeht, dann nutzt er, was er findet, klar.
Ja, ein Killer… Zu Anfang, als Pre-Title-Sequenz, sehen wir
das Narbengesicht Miguel, mit hässlicher Pflatsche, die seine rechte
Gesichtshälfte entstellt. Nur mit Mickymausmaske kann er sich der Angebeteten
nähern, die hält ihn für wen anderes, Teenie-Rumknutschen, Fummeln in Bungalow
Nr. 13 – bis sie ihn erkennt und er sie mit einer Schere absticht, das arme
Schwein. Kommt in die Psychiatrie, bis ihn fünf Jahre später Schwester Angela
wieder heimholt, ins Mädcheninternat, wo nun das Morden wieder beginnt. Und wie
perfide: Mal mit einem Messer buchstäblich von hinten durch die Brust, das geht
ins Auge; mal ein Mordversuch mit Giftschlange; mal wie gesagt mit Zange. Und
natürlich mit der titelgebenden Säge des Todes, wo der Mörder und sein Opfer,
eine Schülerin, die ihn besteigen will, sich fröhlich hinbegeben, aber nur
einer kehrt zurück… Steinmetzwerkzeug, ein Sägeblock, ein riesiges kreisrundes
Sägeblatt – und aus ist’s mit ihr. Nur ein kleiner Junge ist Zeuge, aber nicht
lang, zielsicher überrollt der Bösewicht ihn mit dem Auto.
Das Köpfen: Das ist sicherlich der Höhepunkt des Films,
wieviel Mühe hat man verwendet, um einen Gummikopf zu gestalten, der dem Opfer
so ein bisschen ähnlich sehen soll… Blut und Gekröse im Hals muss auch dabei
sein, das war der Herr Franco schon ordentlich fleißig. Wie auch überhaupt die
verschiedenen Mordwerkzeuge perfide ausgedacht sind, man kann als Zuschauer
einfach kein Täterprofil erstellen! Unglaublich, welche Spannung da möglich gewesen
wäre in einem guten Film… Aber wer will sowas schon sehen. Was wir sehen
wollen ist eine bösartig schimpfende Tante, die ihre Nichte im Vorübergehen
enterbt; eine tapfere Scream Queen, die wir zu Anfang wundersamerweise noch
nicht als erstes Opfer oder final girl identifizieren können – einfach deshalb,
weil der erste Mord der Killerserie eine dreiviertel Stunde auf sich warten
lässt. Wir wollen ein willkürlich eingebauten Inzest sehen! Wir wollen
Teeniegirls sehen, die am Pool blankziehen! Wir wollen stimmungsvolle
Zwischenschnitte auf den Mond haben, wacklig aufs Nachtgestirn gezoomt – und
tagsüber lässt es sich Franco nicht nehmen, auch mal die Sonne ins Visier zu
nehmen, um die atmosphärische Spannung zu halten. Und, yeah, wir wollen Musik
mit mindestens zwei Melodien hören, irgendwie so ein Gitarren-Synthie-Akkord
und eine Flötentonfolge, wenn Miguels Gesicht mit den aufgepappten Narben naht.
„Die Säge des Todes“ bedient uns mit allem, was einen
Slasher ausmacht – und das auf ganz merkwürdig symbolische Weise. Nämlich stets
mittelbar, mit einer „Das wäre jetzt“-Attitüde: Das wäre jetzt ein
abgeschnittener Frauenkopf; das wäre jetzt eine unheimliche Nachtszene im Park;
das wäre jetzt eine Leiche; und das wäre jetzt Suspense und Spannung. Klar wissen
wir immer, dass es all dies gerade
nicht ist. Aber im Spiel halt, im
Spiel…
Bezeichnend ist eine Szene, in der eine böse Hand böses
Schlafmittel in einen Drink einrührt, schön im Detail von schräg oben gefilmt –
und dann, wenn das Händchen das Löffelchen zurück ins Pulvergläschen führt,
verschüttet das Dummerchen die Hälfte auf dem Tisch; naja, kann passieren. Und
ist symptomatisch für Francos Kino, der das ganz Große will und irgendwo auf
halbem Weg stecken bleibt.
Wobei „Das Frauenhaus“ schon wieder ganz andere Baustelle
ist. Ein, sagen wir es geradeheraus:
Politthriller mit, verschweigen wir
es nicht,
genderpolitischer Agenda.
Der Anfang: Ein Stripclub, eine Nackte schön im Rampenlicht
ausgestellt. Eine exotische Kaffeebraune tanzt. Ein älterer Herr begutachtet
sie mit Kennerblick. Er, nach rechts, zu einer halbnackten Blondine: „Den neuen
Bomber würd ich gern verzupfen, kannst du das arrangieren?“ Und dabei hängt
ihm, unbemerkt, von links eine Titte über die Schulter ins Haar.
Das ist eben auch so ein emblematisches Franco-Bild: von
irgendwoher hängt irgendein Geschlechtsteil in den Film. Auch wenn es
bildästhetisch ein Ungleichgewicht hervorruft: Der Film wird gefüllt mit
Nackedeis. Motto: Warum nicht?
Was gleichzeitig die Frage aufwirft: Warum überhaupt? Eine
Frage, die die Filme niemals beantworten. Ja: Eine Frage, die sie mit anderen
Fragen geradezu zuschütten, um sie gar nicht erst aufkommen zu lassen. Das
Grundsätzliche wird durch Beiwerk umrankt und damit verborgen, beispielsweise
via einer Titte über der Schulter. Eine Titte, die für den Zuschauer als
voyeuristisches Fetischobjekt dienen soll (vielleicht), während im Folgenden
die männerhassende Lesbensekte/Kampfbrigade/Terrorzelle ihre Opfer – ver- und
entführt aus dem Stripclub – für ihren Voyeurismus und durch ihren Voyeurismus
grausam foltern. Und dabei auch noch drinhängen in einer rätselhaften
Kalter-Krieg-Verschwörung, nämlich (ein weiterer dieser Widersprüche, die den
Film so reizvoll machen) angeleitet von einem grauhaarigen bärtigen Mann,
einem Spion vielleicht oder einem Terroristen, weiß der Himmel, für wen er
arbeitet – jedenfalls setzt er die Emanzipationsbewegung um Blue Rita, die sich
fast wie eine Großphantasie feminer Selbstermächtigung ausnimmt, mit schnöder
männlich-opportunistischer Pragmatik aus für irgendwelche bösen Ziele, die man
am Ende dann auch wieder nicht blickt.
Ins Einzelne aufgedröselt bedeutet das: Wir finden uns
urplötzlich in einem Raum mit durchsichtigen, aufblasbaren Plastikmöbeln. Dort
wird der feine Herr aus dem Stripclub von der dunkelhäutigen Exotik-Schönheit
nach Kräften verführt, sie hecheln sich übers Polyethylenbett, bis Gas austritt
– weil dies eben eine Venusfalle ist, der Freier wird betäubt und weggesperrt.
Während dessen Gespielin plötzlich wegrennt, nackt unterm Pelzmantel die Straße
entlangläuft und von der schönen blonden Clubbesitzerin mitm Auto überfahren
wird. „Das passiert mit denen, die nicht gehorchen!“ – ein kryptischer Satz.
Wer kann schon in die Weiber hineinsehen, warum die eine plötzlich wegrennt und
die andere sie dafür killt?!?
Jedenfalls gewährt uns Blue Rita tiefe Einblicke. Nackt
steht sie über uns, wir sehen
alles – bzw. nicht wir, sondern der
Monsieur, aufgegabelt, abgegast und gefangen in einem vergitterten Loch im
Boden. Das ist seine Qual: Er wird aufgegeilt und darf seine Bedürfnisse nicht
befriedigen. Und wie er sich windet! Zumal Rita und ihre Gefährtinnen ihn mit
einer giftgrünen Paste beträufeln, die ihn total scharf macht – eine Art
Prototyp für gewisse blaue Pillen, anscheinend, aber längst nicht so
appetitlich. Deshalb wütet er – und zwar bemerkenswerterweise nicht in der
typischen 70er-Jahre-Sleazefilm-Sprachen (Stichwort „bumsen“), sondern recht
keimfrei: „Gib mir die Frauen! Ich will mit ihnen schlafen!“
Was Rita und ihre Komplizinnen wollen, wird klar: Sie wollen
erstens Männer quälen, aus ihnen zweitens – im Auftrag des Herrn Bergen –
Informationen aus ihren Opfern herauspressen und sie drittens um ihr Erspartes
auf dem Bankkonto bringen. Böseböse! Und dazu auch noch ganz und gar schamlos,
wie sie immer nackig rumrennen… Was Jess Franco ausnutzt für ein paar irre
Striptease-Nummern, die wieder gar nichts mit dem Rest des Films zu tun haben.
Eine in rotgelockter Pippi-Langstrumpf-Montur vergeht sich an einer griechischen
Statue; zwei andere vollführen eine irre Show darum, dass die eine Tänzerin
erstens komplett schimmernd geschminkt ist und zudem sich einen Elefanten ums
Geschlecht gebunden hat. Hammer.
Während des Castings einer neuen Tänzerin kommt es mal zu einer
Schießerei. Aber das nur nebenbei. Interessanter sind ein paar Szenen in einer
Art gynäkologischem Labor, wo ein Neumitglied der Blue-Rita-Family eingehend
untersucht und auf die männermordende Gottesanbeterin-Tour eingeschworen wird.
Oh. Der Plot des Films. Ein netter junger Mann (den wir als
den bösen Gefängnissadisten aus „Frauengefängnis“ http://screenshot-online.blogspot.de/2013/05/grindhouse-nachlese-april-2013.html
wiedererkennen) wird auch gefangengenommen, und die Neue im feministischen
Folterclub verliebt sich in ihn. Aber am Ende ist alles doch ganz anders, weil
Interpol mitschwingt und KGB im Hintergrund agiert und so.
Im Übrigen gibt es auf dem steril-modernen Flur drei farbige
Blinklichter, was auch immer sie anzeigen sollen. Eventuell die drei
Kerkerlöcher für die drei Sexfolteropfer. Vielleicht auch einfach Alarm. Oder
schlichte Buntheit à la Mario Bava. Wie überhaupt immer wieder die Kamera, das
Filmlicht, die Schärfe mit unbedingtem Willen ins Psychedelische streifen.
Nämlich: Warum auch nicht.
Harald Mühlbeyer