Man kann sich in Hof auch tatsächlich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen; die Wirklichkeit, wie Dokumentarfilmer sie sehen zumindest.
Beispielsweise läuft hier - warum auch immer, der Film ist schließlich auch schon offiziell im Kino - Günter Wallraffs "Schwarz auf Weiß", wo er als Neger unter Deutschen die ganz alltäglichen Fremdenfeindlichkeiten erleben muss. Jaja, das ist wichtig und schön und gut und auch nachdenklich, vielleicht gar aufrüttelnd - aber von der reinen Machart des Films unglaublich dröge, spröde, ja: öde. Dramaturgie? Pustekuchen.
Es gibt eine Szene, die ist unfreiwillig enthüllend. Da lässt er sich an einem Fotoautomat in Rosenheim knipsen: "Dein Bild auf einer Postkarte", und er bringt eine derart verkniffene Grimasse zustande, die entfernt das darstellt, was Wallraff unter einem Lächeln versteht... Als Proto-Undercoverjournalist ist ihm auf jeden Fall das Lachen vergangen. Im Übrigen wird in der aktuellen Titanic auf der letzten Heftseite sowieso schon alles über Wallraff gesagt: "Günter Wallraff - als Baum in Deutschland unterwegs" heißt das Stück, und darin legt der Verkleidungskünstler den Finger auf die Wunde: "Bäume haben keine Lobby." (Zur Not einfach mal in der Bahnhofsbuchhandlung unauffällig drüberblicken...)
Sehr viel besser kommt Werner Bootes "Plastic Planet" daher. Bootes Ausgangspunkt: Sein Großvater war einer der großen Kunststoffhersteller in Europa gewesen, dem kleinen Werner wurde die Liebe zum bunten Plastikzeug in die Wiege gelegt. Das nimmt er nun als roten Faden, um der Verplastikung des Lebens nachzuspüren. Interviewt den Cheflobbyisten des europäischen Kunststoffverbandes ebenso wie diverse Chemiker, Umweltanalysten, Aktivisten. Und konzentriert sich dann vor allem um all die kleinen Zusatzstoffe, die den Kunststoff so vielseitig machen. Und gesundheitsgefärdend: Phtalate, Weichmacher etc... Mitunter hat das einen kurzen Anschein von Kunststoffparanoia - doch was den Film wirklich ehrlich macht: er gibt nicht vor, irgendeine Lösung des Problems zu kennen. Denn Alternativen gibt es zwar: Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, die sich von selbst wieder biologisch abbauen. Aber wenn das im großen Stil produziert würde, würde es wiederum Lebensmittelanbauflächen reduzieren. (Im Übrigen, was der Film gar nicht mal ausspricht: man müsste für den immensen Stärke-Bedarf massiv den Ausbau genmanipulierter Kartoffeln und Maissorten steigern.) 100.000 Tonnen Bio-Plastik wird hergestellt, gegenüber 60 Millionen Tonnen herkömmlichem (gefährlichem) Plastik allein in Europa.
Einmal sieht man Boote in einem japanischen Supermarkt in der Pose des Aktivisten: "Plastic kills you" ruft er den Kunden zu - durch ein Kunststoff-Megaphon.
Ganz persönlich geht Rosa von Praunheim vor, wenn er in "Rosas Höllenfahrt" sich auf die Suche begibt nach den Ursprüngen der Hölle. Streng katholisch erzogen, von der Kirche abgefallen, will er nun in fortgeschrittenem Alter wissen, ob er denn nun vielleicht nicht doch nach seinem Tode im ewigen Feuer schmoren wird. Und befragt unter anderem Katholiken - Profis wie Priester oder katholische Journalisten wie auch Laien auf dem Katholikentag -, Juden, Moslems, einen Buddhismusforscher, Kultursoziologen, Kunsthistoriker nach ihren Vorstellungen von der Hölle und immer wieder auch danach, wie es zu solchen Höllendarstellungen kommt - und warum. Das ist recht umfassend recherchiert, auch wenn er die protestantische Seite bis auf einen evangelikalen Extremisten beiseite lässt. Nach Luther habe sich das Denken mehr auf das Diesseits konzentriert - was halt so auch nicht stimmt, man denke an die Calvinisten (siehe zum Beispiel A. Lindgrens "Michel"-Bücher), an die Bilderstürmer, an die strengen lustfeindlichen "guten Bürger" des 19. Jahrhunderts in Preußen oder Amerika... Da steht ja durchaus eine Höllenangst dahinter.
Auch beschreibt er - als bekennender Homosexueller und Atheist - Hölle vornehmlich als Angst- und Machtinstrument, als Waffe gegen Minderheiten wie Schwule oder überhaupt gegen alles, was nicht männlich ist. Dass Höllenvorstellungen auch als - durchaus positiv zu sehendes Mittel - zur Aufrechterhaltung von Moral dienen kann, also von gesamtgesellschaftlicher Ordnung, die gerade nicht Hass erzeugt, geht auch etwas unter.
Doch insgesamt: Sehenswert, gerade weil diskussionswürdig.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir: ich muss ins Kino.
Morgen: "Der Deutschland-Komplex" und "Franks Welt".
Ich zähle auf Sie.
Beispielsweise läuft hier - warum auch immer, der Film ist schließlich auch schon offiziell im Kino - Günter Wallraffs "Schwarz auf Weiß", wo er als Neger unter Deutschen die ganz alltäglichen Fremdenfeindlichkeiten erleben muss. Jaja, das ist wichtig und schön und gut und auch nachdenklich, vielleicht gar aufrüttelnd - aber von der reinen Machart des Films unglaublich dröge, spröde, ja: öde. Dramaturgie? Pustekuchen.
Es gibt eine Szene, die ist unfreiwillig enthüllend. Da lässt er sich an einem Fotoautomat in Rosenheim knipsen: "Dein Bild auf einer Postkarte", und er bringt eine derart verkniffene Grimasse zustande, die entfernt das darstellt, was Wallraff unter einem Lächeln versteht... Als Proto-Undercoverjournalist ist ihm auf jeden Fall das Lachen vergangen. Im Übrigen wird in der aktuellen Titanic auf der letzten Heftseite sowieso schon alles über Wallraff gesagt: "Günter Wallraff - als Baum in Deutschland unterwegs" heißt das Stück, und darin legt der Verkleidungskünstler den Finger auf die Wunde: "Bäume haben keine Lobby." (Zur Not einfach mal in der Bahnhofsbuchhandlung unauffällig drüberblicken...)
Sehr viel besser kommt Werner Bootes "Plastic Planet" daher. Bootes Ausgangspunkt: Sein Großvater war einer der großen Kunststoffhersteller in Europa gewesen, dem kleinen Werner wurde die Liebe zum bunten Plastikzeug in die Wiege gelegt. Das nimmt er nun als roten Faden, um der Verplastikung des Lebens nachzuspüren. Interviewt den Cheflobbyisten des europäischen Kunststoffverbandes ebenso wie diverse Chemiker, Umweltanalysten, Aktivisten. Und konzentriert sich dann vor allem um all die kleinen Zusatzstoffe, die den Kunststoff so vielseitig machen. Und gesundheitsgefärdend: Phtalate, Weichmacher etc... Mitunter hat das einen kurzen Anschein von Kunststoffparanoia - doch was den Film wirklich ehrlich macht: er gibt nicht vor, irgendeine Lösung des Problems zu kennen. Denn Alternativen gibt es zwar: Kunststoffe aus nachwachsenden Rohstoffen, die sich von selbst wieder biologisch abbauen. Aber wenn das im großen Stil produziert würde, würde es wiederum Lebensmittelanbauflächen reduzieren. (Im Übrigen, was der Film gar nicht mal ausspricht: man müsste für den immensen Stärke-Bedarf massiv den Ausbau genmanipulierter Kartoffeln und Maissorten steigern.) 100.000 Tonnen Bio-Plastik wird hergestellt, gegenüber 60 Millionen Tonnen herkömmlichem (gefährlichem) Plastik allein in Europa.
Einmal sieht man Boote in einem japanischen Supermarkt in der Pose des Aktivisten: "Plastic kills you" ruft er den Kunden zu - durch ein Kunststoff-Megaphon.
Ganz persönlich geht Rosa von Praunheim vor, wenn er in "Rosas Höllenfahrt" sich auf die Suche begibt nach den Ursprüngen der Hölle. Streng katholisch erzogen, von der Kirche abgefallen, will er nun in fortgeschrittenem Alter wissen, ob er denn nun vielleicht nicht doch nach seinem Tode im ewigen Feuer schmoren wird. Und befragt unter anderem Katholiken - Profis wie Priester oder katholische Journalisten wie auch Laien auf dem Katholikentag -, Juden, Moslems, einen Buddhismusforscher, Kultursoziologen, Kunsthistoriker nach ihren Vorstellungen von der Hölle und immer wieder auch danach, wie es zu solchen Höllendarstellungen kommt - und warum. Das ist recht umfassend recherchiert, auch wenn er die protestantische Seite bis auf einen evangelikalen Extremisten beiseite lässt. Nach Luther habe sich das Denken mehr auf das Diesseits konzentriert - was halt so auch nicht stimmt, man denke an die Calvinisten (siehe zum Beispiel A. Lindgrens "Michel"-Bücher), an die Bilderstürmer, an die strengen lustfeindlichen "guten Bürger" des 19. Jahrhunderts in Preußen oder Amerika... Da steht ja durchaus eine Höllenangst dahinter.
Auch beschreibt er - als bekennender Homosexueller und Atheist - Hölle vornehmlich als Angst- und Machtinstrument, als Waffe gegen Minderheiten wie Schwule oder überhaupt gegen alles, was nicht männlich ist. Dass Höllenvorstellungen auch als - durchaus positiv zu sehendes Mittel - zur Aufrechterhaltung von Moral dienen kann, also von gesamtgesellschaftlicher Ordnung, die gerade nicht Hass erzeugt, geht auch etwas unter.
Doch insgesamt: Sehenswert, gerade weil diskussionswürdig.
Ein Blick auf die Uhr sagt mir: ich muss ins Kino.
Morgen: "Der Deutschland-Komplex" und "Franks Welt".
Ich zähle auf Sie.