Who Watches the Watchmen - "The Watchmen" auf BluRay
von Bernd Perplies
Watchmen – Die Wächter
USA 2009. Regie: Zack Snyder.
Darsteller: Billy Crudup (Dr. Manhattan / Jon Osterman), Jackie Earle Haley (Walter Kovacs / Rorschach), Jeffrey Dean Morgan (Edward Blake / The Comedian), Patrick Wilson (Dan Dreiberg / Nite Owl II), Malin Akerman (Laurie Jupiter / Silk Spectre II), Matthew Goode (Adrian Veidt / Ozymandias)
Vertrieb: Paramount Home Entertainment
Erscheinungsdatum: 20.08.2009
Länge: 162 min.
Bonusmaterial: Mechanik: Technologien einer fantastischen Welt (HD), Das Phänomen: Das Comic, dass die Comics änderte. (HD), Wahre Superhelden, Echte Wächter (HD), 11 Watchmen: Video Journale (HD), Virales Video, Musik Video (HD)
Viele Jahrzehnte lang waren Comic-Superhelden vor allem das eine: strahlende Kämpfer für die gute Sache, die in einer Welt, in der Schwarz und Weiß noch ziemlich deutlich voneinander getrennt waren, für Recht und Ordnung sorgten. Dann kamen die 1980er und mit ihnen Zeichner und Autoren wie Frank Miller, Neil Gaiman oder Alan Moore, die zahllose Graustufen einführten, aus einfachen Comic-Geschichten vielschichtige Werke machten und den Superhelden ihre Unschuld nahmen. Die vielleicht definitive Reflektion über das maskierte Vigilantentum stellt „Watchmen“ dar – das ist auch in jeder Minute des Films spürbar, den Zack Snyder („300“) drehte und der jetzt auf Blu-ray vorliegt.
Es ist das Jahr 1985, und irgendjemand hat den Comedian umgebracht. Der Comedian war ein Superheld im Ruhestand – im Ruhestand deshalb, weil die Bevölkerung ein paar Jahre zuvor entschieden hatte, dass sie genug von den selbsternannten Rächern hat, die verkleidet durch die Straßen ziehen, um der Polizei ihre Arbeit abzunehmen. Daraufhin hatten diese sich alle aus dem Geschäft zurückgezogen. Ein paar, wie Nite Owl II und Silk Spectre II, hörten einfach auf, ein paar, wie der Comedian und Dr. Manhattan (der einzige Held auf der Erde, der nach einem Laborunfall wirklich übermenschliche, ja gottgleiche, Kräfte hat) ließen sich von der Regierung abwerben, einer, der geniale Adrian „Ozymandias“ Veidt, enthüllte seine wahre Identität und gründete ein Multimillionen-Dollar-Industrie-Imperium. Nur einer der ehemaligen „Watchmen“, Rorschach, ein Getriebener, ging in den Untergrund und kämpfte weiter – illegal.
Rorschach ist es auch, dem der Tod des Comedian als Einzigem wirklich nahe geht. Er glaubt an eine Verschwörung. Er kennt zwar nicht die Hintergründe, aber die Welt befindet sich auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges – Nixons Amerika und die UdSSR haben die Atomraketenarsenale bereits ausgerichtet und die Finger auf den Startknöpfen. Und irgendjemand scheint zu wollen, dass sich keine Helden, und seien es ehemalige, in die Situation einmischen. Rorschach versucht, die alten Mitstreiter zu aktivieren, doch Dr. Manhattan hat seine Menschlichkeit fast vollständig eingebüßt und interessiert sich kaum noch für die Bevölkerung des Blauen Planeten, und Nite Owl – im wirklichen Leben Daniel Dreiberg – mangelt es mittlerweile an Lebenszielen und -kraft. Er führt ein ehrbares, aber kleines Leben, dessen größter Pegelausschlag in der Überraschung besteht, als Silk Spectre eines Tages vor seiner Tür steht, weil sie sich von ihrem Lebenspartner Dr. Manhattan entfremdet hat. Erst als ein Anschlag auf Ozymandias verübt, Dr. Manhattan von der Erde vergrault und Rorschach in eine Falle gelockt wird, hört Nite Owl den Weckruf und macht sich daran, den Geschehnissen auf den Grund zu gehen.
Als „Watchmen“ von Autor Alan Moore und Zeichner Dave Gibbons 1986/1987 erstmals bei DC Comics als zwölfteilige Serie erschien, wurde schnell klar, dass hier eine ganze besonders Superhelden-Geschichte vorlag. Reflektionen über das Medium Comic und das Superheldentum mischten sich mit Kommentaren zum Amerika der 1980er Jahre. „Watchmen“ führte und führt dem Leser die menschlichen Abgründe hinter den mehr oder minder bunten Kostümen seiner Protagonisten vor Augen und fragte geradezu leitmotivisch: Welche Mittel heiligt der Zweck eigentlich? Wo muss die Grenze gezogen werden? Lange Zeit galt der Comic als unverfilmbar – zu komplex, zu umfangreich, zu sperrig in seinem Erzählduktus. Doch Zack Snyder hat es – bei allen Abweichungen, die er vornehmen musste, um die Geschichte für die Leinwand zu adaptieren – geschafft, die Kernthemen des Comics zu bewahren und mit spektakulären Bildern zu verbinden. „Watchmen“ ist zugleich herrlich und ernüchternd zynisch (sowie stellenweise recht brutal) und bietet außerdem einige der cleversten und komplexesten psychologischen Profile selbsternannter Rächer, die jemals im Bewegtbild präsentiert wurden.
Die Blu-ray kann mit einem großartigen Bild und sehr gutem Ton aufwarten. Hier macht sich das neue Medium wirklich bemerkbar. Das Bonusmaterial, das auf der zweiten Disc untergebracht ist, umfasst zwar nur zwei Stunden (leider gibt es beispielsweise keinen Audiokommentar, wobei ein solcher im Falle von „Watchmen“ sicher hochinteressant gewesen wäre), aber diese zwei Stunden sind gut angelegt. Zunächst wären da drei Features. „Das Phänomen: Der Comic, der die Comics änderte“ (29 Min.) widmet sich der Bildergeschichte von Moore und Gibbons. Es werden die Entstehung, aber vor allem auch die Brüche mit den Genretraditionen – von der Figurengestaltung, über die Farbgebung, bis hin zum a-sequenziellen Erzählen – thematisiert. In „Wahre Superhelden, echte Wächter“ (26 Min.) wird die Frage gestellt, inwiefern kostümierte Vigilanten in der Wirklichkeit existieren und ob ihr Wirken eher gut oder fragwürdig ist. Hier kommen Experten auf der Seite des Gesetzes ebenso zu Wort wie Sprecher der „Guardian Angels“ und verkleidete Einzelgänger, die in ihrem New Yorker Viertel auf Streife gehen.
„Mechanik – Technologien einer fantastischen Welt“ (17 Min.) befasst sich mit der Physik hinter Superheldengeschichten. Ein Physikdozent, der als Berater beim Dreh dabei war, erklärt, inwiefern das auf der Leinwand zu Sehende tatsächlich physikalisch korrekt ist – wobei er anmerkt, dass jeweils eine wundersame Grundannahme akzeptiert werden muss (etwa Dr. Manhattans Kontrolle über seine Atome), auf der dann alles andere logisch aufbaut. Des Weiteren befinden sich die 11 „Watchmen-Making-Of-Webisodes“ (ca. 35 Min.) auf dem Silberling, die schlaglichtartig Einzelaspekte der Produktion beleuchten. Ein Musikvideo (3 Min.) und ein Fake-Nachrichtenbeitrag über Dr. Manhattan (3 Min.) runden das Bonusmaterial ab.
Fazit: Es mag sein, dass der Comic von Alan Moore und Dave Gibbons noch besser ist (viele Kenner bestehen sogar darauf), aber auch „Watchmen“ – der Film – braucht sich nicht zu verstecken. Nachdem Comic-Verfilmungen jahrelang zumeist eher laute, bunte Popcorn-Vehikel ohne sonderlich viel Tiefgang waren, wird hier eine „erwachsene“ und in ihren Inhalten diskussionswürdige Superhelden-Geschichte geboten, die trotzdem in tollen Bildern zu schwelgen vermag. Die Blu-ray überzeugt sowohl in Bild und Ton, und auch das Bonusmaterial ist durchaus sehenswert, wenngleich man sich – angesichts des komplexen Themas – einen oder sogar zwei Audiokommentare gewünscht hätte. Wer den Film noch nicht kennt, dem sei er hiermit empfohlen!
Nachdem das gesagt wurde, muss allerdings auf einen Wermutstropfen hingewiesen werden: Die in Deutschland erhältliche Blu-ray enthält „nur“ die Kinofassung. Diese ist 162 Minuten lang und im Grunde schon sehr sehenswert (wie oben beschrieben). Fans schauen allerdings voller Neid in die USA, wo nicht nur ein 24 Minuten längerer „Director’s Cut“ existiert, sondern ab Anfang November auch ein 251 Minuten langer „Ultimate Cut“, in welchen die animierten „Tales of the Black Freighter“ – in Moores Vorlage ein die normale Handlung spiegelnder Superhelden-Comic im Comic – einmontiert wurden. Ob man diese längeren Versionen wirklich braucht, kann ich nicht beurteilen (die Stimmen zum „Director’s Cut“ gehen jedenfalls auseinander). Für Komplettisten wird die deutsche Blu-ray jedoch stets unvollständig bleiben. Eine Veröffentlichung der anderen beiden Editionen hierzulande ist allerdings laut Paramount in absehbarer Zukunft nicht geplant.
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