Happy Birthday, HALLOWEEN!!

Zwei Größen des Kinos feiern dieses Wochenende Geburtstag.

Einer der letzten lebenden Method Actor, Grandseigneur der Kopfnuss und die Numero 2 nach Marcello Mastroianni wird 80! Und natürlich sagt auch Screenshot:



Herzlichen Glückwunsch, Bud Spencer!


Fünfzig Jahre jünger, aber auch ein Klassiker ist John Carpenters HALLOWEEN, der vor fast 30 Jahren (na ja, 31) das Horror-Genre umkrempelte.

Zum Geburtstag noch mal die kleine Hymne, wie wir sie zum 25.-Jährigen präsentierten - und erklärt, was den kleinen großen Film so fein macht.


(Mehr als) 30 Jahre HALLOWEEN

Jemand schleicht ums Haus. Durch seine Augen schauen wir durch die Fenster, beobachten die junge Judith Myers, die sich mit ihrem Freund amüsiert. Wir betreten das Haus, Kinderhände nehmen ein übergroßes Messer, setzen eine Maske auf und ermorden, als sie wieder allein vor dem Spiegel sitzt, die nackte Judith. Der Mörder ist ihr sechsjähriger Bruder Michael. Es ist der 31. Oktober - Halloween.



Mit dieser fast vierminütigen Plansequenz, einem Paradebeispiel für den Einsatz der Steadicam, beginnt John Carpenters Klassiker aus dem Jahr 1978, seinem vierten Film. Für lediglich 300.000 Dollar produziert und mit Jamie Lee Curtis in ihrer Debütrolle, wurde er ein Riesenerfolg. Allein in den ersten drei Jahren spielte er über 60 Millionen ein.

Dabei lebt HALLOWEEN ausschließlich von der grandiosen Stimmung und Atmosphäre, die Carpenter zu kreieren versteht, und weniger von einem ausgefeilten Plot: 15 Jahre nach dem Mord an seiner Schwester bricht Michel Myers aus der Anstalt aus, kehrt wiederum am 31. Oktober, verfolgt von seinem Psychiater Dr. Loomis (Donald Pleasance), nach Hause zurück, um zwei Teenagern, die sich in gegenüberliegenden Häusern als Babysitter verdingen, nachzustellen.

Carpenter, der hier wie so oft in seinen Filmen für die minimalistische aber irritierende Musik zuständig war und mit seiner Lebensgefährtin Debra Hill das Drehbuch schrieb, schuf ein kleines Meisterwerk des Films und ein Meilenstein des Genres. Die Figur des stummen Mörders, der mit seiner weißen Maske in der Halloween-Nacht die Kleinstadt Haddonfield, Illinois unsicher macht, hat es zu Serienruhm mit bisher neun Folgen (und zwei halbe Remakes von Rob Zombie) gebracht, wobei die Qualität der einzelnen Filme zwischen solide bis jämmerlich changiert und der dritte Teil, HALLOWEEN III: SEASON OF THE WITCH (1985) von Tommy Lee Wallace lediglich dem Namen nach zur Reihe gezählt wird.

HALLOWEEN wird denn oft auch als Geburt des Horror-Subgenres Slasher-Film genannt und somit als Vorreiter blutrünstiger Werke wie der NIGHTMARE ON ELM STREET- oder FRIDAY THE 13TH-Reihe. Zu unrecht. Denn anders als seine „Nachfolger“ konzentriert sich HALLOWEEN nicht auf Schock- oder Ekeleffekte. Vielmehr sind hier die Morde fast schon befreiender Höhepunkt einer suggestiven Suspense, die auch der vorzüglichen Kadrierung und Kameraführung zu verdanken ist. Der Mörder, in den Credits nicht umsonst als Stalker bezeichnet, verfolgt und umschleicht die Opfer wie ein weißer Hai: ruhig, gefühllos, unerbittlich. Entsprechend inszeniert ist der Film. Hektisches Schwenken, verkantete Bilder oder billiges cat in the closet-Erschrecken sucht man hier vergebens. Sogar mit dem Blut wird äußerst sparsam umgegangen.



Szenen wie solche sind bis heute unerreicht:
Die ahnungslose Annie (Nancy Loomis) geht beim Telefonieren vor dem Fenster auf und ab, die Kamera folgt ihr dabei, um beim zweiten Vorbeigehen im Dunkeln dahinter die bleiche Maske zu streifen – welche sofort wieder verschwunden ist, als sich das Mädchen umwendet.

Oder die im Bett liegende Linda (P.J. Soles), die es schon nicht mehr lustig findet, dass ihr Freund mit einem Bettlaken über dem Kopf stumm in der Tür steht – wir aber längst wissen: es kann gar nicht ihr Freund sein, weil der bereits tot an der Küchenwand hängt.

HALLOWEEN hat (auch) anderweitig neue Maßstäbe etabliert. Zwar verpflanzte schon Hitchcocks PSYCHO (USA 1960) mit Norman Bates (Anthony Perkins) das bis dahin stets von außen, aus dem All, finsteren Schlössern oder futuristischen Labors stammende Böse in das Herz der Gesellschaft hinein. Doch musste der nette schüchterne Junge von nebenan noch in einem abgelegenen Wüstenhotel sein Unwesen treiben und mit einer psychopathologischen Erklärung greifbar gemacht werden.

Carpenters Michael Myers als gesichtsloses unerklärliches Phantom hingegen geistert direkt durch die Vorgärten und Alleen der Kleinstadt, womit ihre Allerweltsidylle nicht unheimlicher aufgeladen werden kann. Carpenter Stärke liegt vor allem darin. Wenn Laurie (J.L. Curtis) mit einem Kürbis im Schoß auf der Gartenmauer sitzt und den Blick schweifen lässt, die vertrocknenden Blätter rascheln und sich das Dämmerlicht über die Straßen herabsenkt, hat man selten einen authentischeren Oktoberabend gesehen, einer wie er überall zu finden ist. Carpenter stellt ihn mit einfachen, stimmungsvollen Bildern dar, ohne die Überzeichnung eines David Lynchs, weil Carpenter nichts enthüllt, sondern die Idylle mit ihrem Gespenster-Fest magisch auflädt. Er verleiht ihr Schönheit und Tiefe, romantisiert sie in bestem Sinne, indem er ihre Heimsuchung zelebriert.

Genau davon handelt HALLOWEEN, das verspricht die tagline des Kinoplakats: The night HE came home. „Der Tod ist in Ihre kleine Stadt gekommen, Sheriff“, erklärt Dr. Loomis dem Ortspolizisten (Charles Chypers), dessen Tochter eines der Opfer sein wird. Und zum Schluss, wenn Michael Myers trotz aller Messerstiche und Schüsse in die Nacht verschwunden ist, behält Loomis Recht. Das maskierte Phantom erweist sich als mehr als nur ein geisteskranker Mörder: Er ist das Böse, der leibhaftige Schwarze Mann. (Erst in den Fortsetzungen wird Myers zu einem dumpfen Jemand degradiert, der „nur“ hinter den verbleibenden Familienmitgliedern her ist.) Das friedliche Tür-an-Tür-Leben jedenfalls, für das Haddonfields Sheriff Brackett einsteht, erfährt damit ihre Berechtigung, ebenso wie das sinnentleerte Maskenspektakel Halloween als Totenfest wieder auf seinen mystischen Ursprung zurückgeführt wird.

Übrigens: HALLOWEEN ist am 6. November um 20.15 Uhr in einer raren 35mm-Kopie aus dem Archiv der Warner Bros im Wiesbadener Murnau-Filmtheater (Schlachthof) zu sehen!

Bernd Zywietz