PETER RIST, IDEALIST - Neueste Doku aus dem Hause Nachtschwärmerfilm


Nach dem Erfolg von KURSDORF legen die Mainzer Michael Schwarz und Alexander Griesser alias Nachtschwärmerfilm nach und präsentieren die Kurzdoku PETER RIST, IDEALIST.

Der Film porträtiert den titelgebenden Finanz- und Wirtschaftsbürgermeister des schwäbischen Reutlingens, der Anfang Juni 2013 seinen wohldotierten Beruf an den Nagel hängt, um sich einen Traum zu erfüllen: Ein Leben als Unterhaltungskünstler und Schlagersänger. Dass und wie der 43-jährige Familienvater, der mit seinen Sangeskünsten schon mal in der Haushaltssitzung irritiert, es mit dieser Karriereentscheidung nicht einfach hat (und es sich macht), zeigt PETER RIST, IDEALIST.

Was eigentlich Stoff für eine Marcus-H.-Rosenmüller-Komödie böte, wird hier in zurückgenommenem Ton nicht als Kuriosum vorgeführt, sondern mit Ernst und Interesse jenseits des Kopfschüttelns und Schenkelklopfens beobachtet. 

Zum allerersten Mal gibt es PETER RIST, IDEALIST am 28. Juni 2013 im Mainzer CinéMayence (Schillerstraße 11) als offene Teampremiere um 20.30 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei, die Macher von Nachtschwärmerfilm werden persönlich anwesend sein – sowie Peter Rist selbst.

zyw

Grindhouse-Nachlese Mai 2013 – „Django – Unbarmherzig wie die Sonne“ und „Grand Theft Auto“




Grindhouse-Nachlese Mai 2013 – „Django – Unbarmherzig wie die Sonne“ und „Grand Theft Auto“


Mannheim, Cinema Quadrat, 18. Mai 2013:

„Sentenza di Morte“ / „Django – Unbarmherzig wie die Sonne“, IT/ESP 1968, Regie: Mario Lanfranchi

„Grand Theft Auto“ / „Highway 101 – Vollgas bis die Fetzen fliegen“, USA 1977, Regie: Ron Howard


Zwei Männer in der Wüste, aufgeplatzte Lippen, verbranntes Wangenfleisch und zerfetzte Gesichtshaut, verschmachtend schleppen sie sich durch den Sand – der Verfolgte dem Verdursten nahe, der Verfolger verhöhnt ihn, lässt lachend Wasser über sein Gesicht platschen, die letzten Reste in seiner Flasche vermutlich… Was ein richtiger Verleih ist, der weiß, was ein starkes Bild ist und worauf er seinen deutschen Titel stützen muss; und natürlich weiß er, was beim Zuschauer zieht, weil’s en vogue ist, weil’s verlockend ist. Also heißt Cash in diesem Film Django, und also ist Django „unbarmherzig wie die Sonne“. Auch wenn nur dieser erste Teil des episodenhaften Films auf brennend heißem Wüstensand spielt – das „Todesurteil“ des Originaltitels reißt halt das Publikum weniger vom Hocker, ne. Wobei man anerkennend konstatieren muss: Die deutsche Synchro ist nicht auf Witzischkeit aus, sondern nimmt den Film durchaus ernst.

Es geht, wie könnte es anders sein, um Rache; die Ursache wird, wie könnte es anders sein, per Rückblende erläutert: Djangos / Cashs Bruder wurde von vier Banditenlumpen getötet und ausgeraubt, von Diaz, Montero, Baldwin und O’Hara. In Pietà-Pose hielt Django den Sterbenden, um nun, viele Jahre später, zur Vergeltung zu schreiten. Das hatte ich doch längst vergessen, röchelt Diaz, der durch die Wüste verfolgt wird, und: Gestern war doch alles noch gut!

Ja, gestern – nächste Rückblende, es ist der Tag vor heute: Eine reiche Finca mit mehr als einem Hauch Mexiko, eine Fiesta, Reiterspiele und tanzende Frauen. Dahinein platzt Django und macht Diaz, dem reichen Rancher, die Hölle heiß. Schießerei und Tote, Deckung suchen, Abknallen; Django nimmt die schöne Frau von Diaz als Geisel, in der Scheune, wo der Farmer hat unterkriechen wollen; wieder Schießen, Diaz flieht zum Fenster raus, Django schnappt sich eine Wasserflasche, die passenderweise an der Wand hängt, und hat nun alle Zeit der Welt.
In der Wüste gibt es kein Entkommen. Und auch wenn man selbst fast am Austrocknen ist – einen Fake-Brunnenrand kann man nächtlicherweise noch zusammenstellen, und Diaz, am nächsten Morgen, muss ganz entkräftet feststellen, dass in der Einfassung kein kühles Labsal, sondern nur weiterer trockener Wüstenboden zu finden ist…

Ja: Django ist ein Fuchs. Er kennt die Tricks. Listenreich vollführt er seine Rache, als nächstes am Profispieler Montero, dann ist der brutale Gottesmann Bruder Baldwin dran, dann der verrückte Goldsüchtige O’Hara, ein Albino mit schöner Sonnenbrille – hat nicht auch Tarantinos Django eine solche auf?

Vier Rachestories, aufgehängt an der einen großen bösen Tat vor Jahren. Natürlich hat unser Django im Westen einen Ruf, so wie die Halunken allüberall bekannt sind. Natürlich zieht Django schnell, trifft immer, weiß, auf welchem Dach welcher Ganove auf ihn anlegt, und das ohne hinzusehen. Blondes Haar, stechender Blick, das Äußerliche ungepflegt, innerlich topp drauf: ein Spaghettiwesternheld, ganz klar. Zudem hat er einen sympathischen Spleen: Er trinkt nur und ausschließlich Milch. Klar, als abstinenter Ex-Alki! Aber andererseits: Er muss auch schnaufen, wenn er in Deckung rennt. Er blickt gehetzt um sich, denn die allwissende Übersicht kommt nicht von nichts. Er muss sogar mal nachladen.

Insofern enthält Mario Lanfranchis Western auch realistische Momente, das macht ihn durchaus sympathisch, ja: bemerkenswert. Dass eben nicht nur die Dramaturgie im Grunde auf vier Rache-Kurzstories basiert, ohne dass eine wirkliche durchgehende Handlung den Film trägt – ein ziemliches Unikum in der Italowesterngeschichte. Sondern dass im Helden auch so was wie ein Mensch zu sehen ist. Zumal auch noch seine Gegenspieler starke Charaktere sind: In der ersten, starken Episode etwa der Farmer, der sich eine richtige Existenz aufgebaut hat, der es zu etwas gebracht hat, der stolz ist auf sein Land und sein Getreide, als dieser dahergelaufene Typ aus längst vergangenen Tagen auftaucht und wegen einer geringfügigen Verfehlung von anno dunnemals ihn zur Rechenschaft ziehen will…

In der zweiten Story ist der Spieler Montero besessen davon, dem anderen im Pokerspiel das wichtigste im Leben zu nehmen. Klar, dass der unscheinbare Blonde, der da am Nebentisch sitzt, dem großen Montero dann aber so richtig die Hosen auszieht… Im Übrigen: Das Pokerspiel hat nichts mit Glück oder Betrug zu tun, sondern mit Können. Mit Talent, mit Leistung, mit der Fähigkeit des Spielers, das Spiel richtig zu spielen. Das ist dann doch ein bisschen albern, mit einer gehörigen Portion Chuzpe das Pokerspiel zu etwas ganz anderem zu machen, als es in unserer Wirklichkeit ist. Was halt dem Film einige Risse beifügt, die ihm dann doch die Meriten eines Meisterwerks zerrinnen lassen.

Zumal in dieser Episode auch noch eine Frau eine Rolle spielt. Die wurde sehr schön eingeführt, einer von Monteros Gegner hat sie gesetzt, als er kein Geld mehr hatte, zum Gegenwert von lässigen zehn Dollar. „Bisschen wenig, aber in Ordnung“, befindet Montero… Diese Dame findet Django sehr okay, der sie aber trotzdem nachts vor die Hotelzimmertür setzt. Nach einem Schnitt ist der nächste Morgen und sie liegt tot auf der Straße. Beispiel für den seltsam elliptischen Filmschnitt, der immer wieder Handlungselemente weglässt, die in anderen Filmen große Aufmacher gewesen wären. Wurde nicht genug gedreht? Oder liegt hier eine künstlerische Strategie vor, die ich nicht durchschaue?

Nuja, wie dem auch sei… Seltsam gehen in diesem Film sporadisch die Sinn- und Bedeutungshaftigkeiten des Films auseinander, wenn Tatsachen behauptet werden, die durch nichts in der Realität – weder der filmischen noch der außerfilmischen – gedeckt werden, wenn also der Anspruch, irgendwie als echt zu wirken, und die haltlosen Behauptungen, die der Film aufstellt, weit auseinanderdriften. Pokern ohne Glück, oder, wie in der nächsten Story, Djangos Vorgehen ohne Plan mit der eindringlichen Behauptung, dass sein Tun total planvoll und gewollt sei…

Hier geht es gegen den bigotten Bruder Baldwin geht, einen Prediger und Gottverkünder, der alles andere als Seelsorge verbreitet, eher dafür sorgt, dass im Himmel nie Personalmangel herrscht. Er ist im Namen des Herrn unterwegs, sein eigenes Reich, seine Macht und seiner Herrlichkeit zu verbreiten – wer nicht für ihn ist, ist gegen ihn, und den eliminiert Baldwin mit großem Genuss. Er ist quasi der schlimmste der Halunken, ein großer Sadist vor dem Herrn. Und Django, der bisher immer den Eindruck gemacht hat, zu wissen, was er tut, rennt blind in die Höhle des Löwen. Wie sonst soll man verstehen, dass er sich auf ganz lächerliche Weise von Baldwin gefangen setzen, demütigen, auslachen, treten, in den Schenkel schießen lässt ohne jede Möglichkeit, zurückzuschlagen oder gar seine Rache auszuführen? Also, außer jetzt den Zufall eingreifen zu lassen. Und das Drehbuch hat Mitleid, Django schneidet sich die Revolverkugel aus dem Oberschenkel, die ungeplant auf ihn geschossen wurde, um sich macgyvermäßig eine Do-it-yourself-Patrone zu basteln, den Bösewicht niederzustrecken und auf die nächste Schnittellipse zu warten, die ihn vor seinen dutzenden Komplizen rettet; die offenbar nämlich nicht eingreifen.

Womit wir bei der vierten Episode angekommen sind. Hier wieder sehr gut: Tomas Milian als Albino-O’Hara ist total durchgeknallt, ein Gold-Verrückter, der auch noch von blonden Frauen besessen ist. Und überall gefürchtet: Wo er auftaucht, wird Gold gegen Blei gehandelt. Django mit super Plan: Wiedereröffnung einer Bank in einem abgehalfterten Örtchen, schon lässt er eine Wagenladung mit schweren Kisten ankarren, ganz klar: Darin muss Gold sein, das soll O’Hara anlocken. Die Gründung einer Bank gegen den Überfall auf eine Bank – O’Hara unterliegt natürlich, denn, o Wunder, o Überraschung, in den Kisten, wo Gold draufsteht, sind nur Steine drin. Eine unverzeihliche Naivität des Films, ist doch sogar der Räuber Hotzenplotz klüger als O’Hara, Django und Regisseur Lanfranchi zusammen (der Kasperl und Seppel die angebliche Goldkiste niemals abkaufen würde!). Jedenfalls folgt dann ein netter Showdown inkl. blonder Nutte, die als weiterer Köder für O’Hara herhalten muss. Finale in einem verfallenen Kloster, rund um das Grab von Djangos Bruder, in dem alle einen Goldschatz vermuten, weil sie ihren Leone kennen.

Wobei der Film in der Tat gewinnt durch seine Leone-Epigonie. Die Kameraarbeit ist ausgezeichnet, mit großen Kinobildern und exzellenten Fahrten, die Einstellungen exquisit passend – wo er nur die Idee mit den leinwandfüllenden Augenpaaren herhat, zwinkerzwinker. Und die Musik ist bestens kopiert von Morricone, Gianni Ferrio plagiiert wenige als dass er pastichiert: inklusive Bach-Anklängen, Einsatz von außermusikalischen Gegenständen und Silben-Herausstoß-Choreinsätzen.




Tatsächliche Filmgeschichte aus erster Hand dann im zweiten Film des Abends: Ron Howards Debütfilm „Grand Theft Auto“, eine Action-Road-Movie-Komödie mit Teenager-Appeal aus der Roger-Corman-Schmiede. Howard, knapp über 20 und von frischem "American Graffiti"-Darsteller-Ruhm, durfte was drehen, schrieb mit seinem Papa Rance das Drehbuch, nutzte ein Budget von 600.000 Dollar, um 15.000.000 Dollar einzufahren. Und, boy: Papa Rance, der im Film auch mitspielt, sieht aus wie Ronnie Howard heute! Soviel zu den Genen.

Die Herkunft ist für Sam ein Problem: Er ist halt nicht reich. Doof, dass er seine Paula Powers so sehr liebt, und sie ihn, dass sich aber ihre Eltern gegen die Hochzeit sperren. Dicke Luft im Powers Mansion! Schwupps klaut die junge Paula den goldenen Cadillac des Herrn Papa, schnappt sich ihren Sam und macht sich auf den Weg nach Las Vegas, geheiratet werden muss schnell. Der Papa, angehender Abgeordneter und eine Autorität in Südkalifornien, mobilisiert seine Mannschaft, inkl. Kameraüberwachung des Fluchtfahrzeuges aus der Luft und Verfolgung durch drei dicke Anzugsträger. Auch mit von der Partie: Collins Hedgeworth, den alle Welt für Paulas Verlobten gehalten hat, mit Ausnahme von Paula. Der, dick und nicht ganz dicht, verlässt sein Polo-Turnier, um im schön gestreiften Pferdedress mit diversen geklauten fahrbaren Untersätzen dem Glück seines Lebens hinterherzubrausen. Hinter ihm wiederum her: Seine Mutter. Die unterwegs einen Prediger aufgabelt und einen Polizisten, der sie alle verhaften will. Collins setzt ein Kopfgeld aus auf den „Entführer“ seiner Paula; seine Mutter setzt eins aus auf Collins. Insgesamt 50.000 Dollar im Jackpot – was sich zwei durchgeknallte Mechaniker nicht entgehen lassen wollen, die im selbstgebastelten Automobilchen mitverfolgen. Der Prediger übrigens auch nur wegen des Geldes dabei, das er als Spende für seine Kirche (sprich: mutmaßlich für sich selbst) einheimsen will. Aus purem Spaß an der Freude mischen auch noch dynamitwerfende Hinterwäldler mit.

Turbulenz ist das Stichwort. Jeder gegen jeden auf den Highways Richtung Vegas. Mit schönen Unfällen, sinnlosen Auto-Flügen, um ein paar alte Mühlen in Schrotthaufen verwandeln zu lassen. Ab und an eine Explosion. Dazwischen rasende Fahrt durch die Wüste. Und Einsatz aller möglicher Autos, vom VW Käfer über das Honeymoonmobil eines alternden Pärchens und diverse Pick-Up-Trucks bis zum bunten Wagen eines Eisverkäuferclowns. Dazu nette Gags, die ziemlich gut passen – da hat Ron Howard schon ein Händchen dafür, was stilistisch sich einfügt und was nicht. Glatter Inszenierungsstil, Auslassung alles Störenden – klassisches Hollywood mithin, eingesetzt im Trashcrash-Film.

Am Ende landen alle in einer Arena, gefüllt mit den Mitgliedern des Filmteams, weil echte Statisten zu teuer gewesen wären, die eine einzige Tribüne füllen – den Rest der Zuschauerränge aber frei zu lassen gezwungen sind. Hier findet ein Crashcar-Rennen statt, so was typisch Amerikanisches, live-Action-Boxautos. Alle zusammen mittendrin, und damit ist auch das Credo des ganzen „Grand Theft Auto“ klar: Ein auf die Leinwand (von Autokinos?) projiziertes langes schönes filmgewordenes Demolition Derby, für die Zuschauer, die Spaß am kreativen Kaputtmachen haben.

Bemerkenswert ein paar Dinge: Als Kameramann fungierte Gary Graver, seines Zeichens Orson-Welles-Begleiter seit Ende der 1960er und dessen persönlicher Kameramann, bis Welles’ Tod sie schied. Nebenbei aber: auch Kameramann und Regie für diverse Pornos. Ein Mann für alle Fälle!
Bemerkenswert auch die Figur der Paula Powers, die mit Verve die rasche Hochzeit in Vegas durchsetzen will, während ihr Sam zögernd auf dem Beifahrersitz jammert, dass er jetzt wohl für immer ein schlechtes Verhältnis zu seinen Schwiegereltern haben werde… Paula dabei, entgegen landläufigen Exploitation-Filmen, nicht läufig, sondern schlicht stur und durchsetzungsstark – das liegt wohl im Powers-Blut.
Über dem Ganzen schließlich: Ein Hubschrauber mit dem DJ des TenQ-Radiosenders, der mit eleganter Wendehälsigkeit zu dem hält, der die meisten Einschaltquoten bringt, der die Fliehenden zu Ikonen der romantischen Liebe hochstilisiert und die Verfolger zu sportlichen Konkurrenten, die jederzeit Oberwasser erhalten können. Medienkritik at its best – im Sinne von: tut keinem weh und ist ein bisschen lustig.


Harald Mühlbeyer

Wenzel Storch: "Das ist die Liebe der Prälaten"

Ein Text unserer Partnerseite ANSICHTSSACHE-BUCH.BLOGSPOT.DE:


Wenzel Storchs Schatz ist seine Kindheit. Oder besser: Das, was ihm als Kindheit aufgezwungen wurde. Strenger Katholizismus zum Beispiel, oder hochalberne Popstars mit hochalbernen Bravo-Postern und hochalberner Musik. Oder das wenige, was in einer wahlfreiheitsfreien Drei-Programme-TV-Welt vor sich ging. Diesen Schatz hebt er in multimedialer Form: als Film; als Glosse, Satire, Rezension, Porträt etc. – kurz: literarisch; als krude skizzierte Strichzeichnung; in Vorträgen, Lesungen etc.; oder auch mal im Interview, beispielsweise in ANSICHTSSACHE.

Wer nun das eine oder andere Mal auf die eine oder andere Art über Storch stolpert und wer sich mehr oder weniger, direkt oder indirekt angesprochen fühlt, der kann an jeder beliebigen Stelle in das storch’sche Universum einsteigen. Denn Storchs Welt ist in sich konsistent, von überall aus kann man alles erforschen.
Wer etwa schon mal einen Storch-Film gesehen hat; oder wer sein 2009 erschienenes Buch „Der Bulldozer Gottes“ gelesen hat – der wird kaum von den Qualitäten von „Das ist die Liebe der Prälaten“ überzeugt werden müssen. Dieses jüngst erschiene Werk versammelt in der Hauptsache Storchs Konkret-Essays, dazu wie gehabt einige Werke der Bildenden Kunst sowie weitere Texte zur Popkultur – und selbstverständlich eine Unmenge an Fotomaterial.

Weshalb die Lektüre auch so lange dauert – weil man ständig zum Abbildungsverzeichnis blättert, wo denn nun dieses bizarre Bildchen wieder her ist, vom obskuren japanischen Monsterfilmstill über merkwürdige alte Katalogbildchen bis zu bizarren Lustbildchen diverser Phalli – und nicht nur symbolisch verbrämter…

Das Schöne an Storch-Texten ist nicht nur seine treffende Art von Porträtierung und Polemik, sondern auch die Erweiterungen, die er seinen Themen angedeihen lässt – durch die Fotos, oft an den Haaren herbeigezogen und doch irgendwo mit loser inhaltlicher Verknüpfung (und wenn sie nur auf die Komik zielt). Und durch die kenntnisreichen Verweise auf die Literaturgeschichte, vornehmlich auf Kunst- und Populärromane des 19. Jahrhunderts, von Franz Werfel über Adalbert Stifter bis Karl May. Verweise, die treffliche kulturelle Brücken sind und auf den größeren Zusammenhang verweisen, den Storch in seinem Werk verkörpert: Alles hängt mit allem zusammen, und alles ist einer Betrachtung wert. Sie muss ja nicht wohlwollend sein.

So geht Storch, gleich im ersten Text, auf die Natur ein; genauer: auf das Besingen der Natur durch Hannes Wader, mit „Rohr im Wind“ von seiner dritten Platte „7 Lieder“, 1972. Genauer – und zwar tatsächlich mit äußerst präziser Wortfindung und -setzung – auf die tatsächlichen oder nur behaupteten, höchst pubertären Phallussymbole im Text, bebildert mit entsprechenden Fotos und sich auswachsend auf eine durch und durch versaute Botanik, „auf den Rohrkolben, im Volksmund auch als Lampenputzer, Schlotfeger oder Pompesel bekannt, mancherorts wird das Gewächs auch Pfaffenpint gerufen – ein Kosename, des sich der Große Rohrkolben mit Giftpflanzen wie Fieberwurz und Aaronstab teilt.“ Kurz: „Ob Hannes Wader seinen alten Biolehrer konsultiert hat, bevor er sich an den Text gesetzt hat?“

Sex: ein wichtiges Thema. Beispielsweise in der katholischen Aufklärungsliteratur der Nachkriegszeit, auf die sich der Buchtitel bezieht, mit diversen schriftstellernden Patern, die literarische Pater erfinden, um der Jugend den Pfad der Tugend zu weisen. Diverse Schriften für Jungens und Mädels, aus denen Storch gekonnt und gezielt die pädophilen Spreizungen herauszieht, als Trüffelschwein für schweinischen Subtextes.

Storch ist ein Zweitverwerter, ein Sekundärliterat, der mediale Ausformungen des menschlichen Geistes – und wenn dieser noch so schwächlich ist – mit beiden Händen anpackt, um und um dreht, erforscht und auf die Müllhalde der Geschichte, seiner Geschichten purzeln lässt. Ob Wadersong oder Paterbuch oder Robert Crumbs Comic-Genesis. Und natürlich auch Audiovisuelles.

So unternimmt Storch eine ausführliche Reise ins Land der Haarmenschen – und übernimmt damit die ehrenvolle Aufgabe, erstmals überhaupt die Geschichte des „Beat Club“ aufzuarbeiten, von der beklagenswert grauen Zeit, in der Pop im TV nicht stattfand bis zu den visuellen Exzentrikexplosionen von Produzent Michael Leckebusch, der die Performances seiner Bands – von Billig-Musik bis zu Großstars – mit elektronischem Bildersalatsoße überschüttete.
Und er betrachtet ganz genau den Neger in Form von GünterWallraff in Form von Kwami Ogonno, der schwarzbemalt seine deutschen Mitmenschen nervt und deren Reaktion, mit heimlicher Kamera gefilmt, als ganz schlimmen Rassismus deutet – Storch aber kennt seinen Karl May, seinen Wilhelm Raabe, seinen Struwwelpeter und Achternbusch und weiß den Wallraff einzuschätzen – als der, der mit den rassischen Klischees spielt. Und er fügt ein schönes Immanuel-Kant-Zitat bei: „Die Neger werden weiß geboren, außer ihren Zeugungsgliedern und einem Ringe um den Nabel, die schwarz sind.“ Weiß der Weise aus Königsberg.

Die schreiberische Methode Storchs ist hochüberraschend und hochkomisch – weil die Gegenstände seines Schreibens hochamüsant sind, und weil sein mäandernder, assoziativer Stil hocherstaunlich ins Schwarze trifft.
In der „Beat Club­“-Story beginnt er abrupt – nach glückseligem Beschreiben von Stimme und Aussehen des Sängers von Ohio Express – ein völlig neues Thema: „Wollten wir unseren Onkels und Tanten glauben, dann war es immer wieder ein kleines Wunder, daß die Sendung überhaupt stattfinden konnte. Angeblich kamen all die Taugenichtse und Tagediebe ‚nach eigenem arbeitsscheuen Dünken’ in den Club – um das Wort eines fleißigen Mannes zu gebrauchen“ – der wiederum Peter Hacks heißt und in seinem „Krippenspiel“ Maries Baby seinen Herodes eine Hasspredigt wider die Faulheit halten lässt; während ja, so Storch, Brecht den Müßiggang gerühmt habe.
Und im Übrigen: „Jungs, die dufte Eltern hatten, bekamen um 1970 – das neue Jahrzehnt sollte das bunteste des Jahrhunderts werden – bemalte Fahrräder zum Fest, und Mädchen schrieben nach den Weihnachtsferien ihre Mathearbeiten mit dem ‚zärtlichsten Gänsekiel der Welt’“ – so Storch in einem weiteren Sprung weiter, der sowohl Umweg als auch Fortschritt ist in seiner Argumentation. Weil er nun auf einen Hamburger Polizistensohn kommt, der 1973 den Goethe-Preis erhielt und seine Frau in der Paulskirche eine Dankadresse halten ließ, in seinem Namen. „Darin nahm Arno Schmidt [um den es sich hier nämlich handelt], der sich lange genug am ‚bunten Moreskenzug unser Teenager’ erfreut hatte, zu Tagesfragen Stellung, speziell zur 40-Stunden-Woche. ‚Unser ganzes Volk, an der Spitze natürlich die Jugend’, sei ‚typisch unterarbeitet’, klagte Frau Schmidt und schlug im Namen des Gatten die 100-Stunden-Woche vor. ‚Ansichten eines Snobs’ nannte das Gerhard Zwerenz in der Nacktpostille das da.“
Absatz. Denn nun befindet sich Storch da, wo er hinwollte: „Hätte das Ehepaar Schmidt bloß drei Jahre vorher, am Nachmittag des 15. August 1970, den Fernseher eingeschaltet! Dann wäre ihm ein Licht aufgegangen und es hätte milder über die Jugend geurteilt. Denn an diesem Tage besuchten Jethro Tull den „Beat Club“, eine Truppe, bei deren Gestaltung die Natur verrückt gespielt hatte.“ Damals nämlich brachten die Tulls und Frontman Ian Anderson („als ‚Hans Huckebein, der Blues-Rabe’ führt in das berühmte Rock-Lexikon“, weiß Storch zu berichten) ihr „Nothing is Easy“ zu Gehör. Währenddessen wurde per eingeblendeter Schrift der „Arbeitsplan der Band von Januar bis Juni 70“ mitgeteilt: „‚In 6 Monaten hatte die Gruppe 9 freie Tage’, lesen wir bestürzt, und daß ‚1 Woche = 7 Arbeitstage’ sind, hätte der sprechende Sack Schockschock nicht besser ausrechnen können (hinter dem sich, Augsburger-Puppenkiste-Freunde wissen es, Kater Mikesch aus Holleschitz verbirgt).“

Ist das nicht ein schöner Textfluss? Vom längst Vergessenen zum Rockklassiker, über Hacks und Brecht und Schmidt mit eingestreutem thematischem Schwadronieren über die Faulheit der Jugend, was ganz nebenbei das Klima expressiver Generationenkonflikte ausdrückt. Um schließlich im Folgenden mit Rekurs auf das Geniale und das Genialische auf Vanilla Fudge und „Geniedarsteller“ Mark Stein zu sprechen zu kommen und die in den NDR-Beat Club eingestreuten WDR-Filmbeiträge über „jugendspezifische Themen“ zu beschreiben, also wieder die historische Entwicklung der TV-Sendung in den Blick nimmt.

Mit weitschweifenden Umwegen direkt zur Sache kommen: Ein feines, ziselierte Schreiben eignet Wenzel Storch; auch wenn man’s auf den ersten Blick gar nicht glauben möchte.


Harald Mühlbeyer


Wenzel Storch: Das ist die Liebe der Prälaten. Mainz 2013. 270 Seiten, unheimlich viele Abbildungen, 18,90 Euro.

Das ist die Liebe der Prälaten können Sie bequem im Screenshot-Online-Shop bestellen!

Grindhouse-Nachlese April 2013 - "Frauengefängnis" und "Flashman"


„Frauengefängnis“ / „Barbed Wire Dolls“, CH 1975, Regie: Jess Franco



„Flashman“, IT/FR 1967, Regie: Mino Loy



 Die Zustände sind unhaltbar. Willkürlich werden Frauen inhaftiert und gefoltert, erniedrigt und gedemütigt mit dem ausdrücklichen Willen, sie zu brechen. Heribert Prantl würde hohldrehen und ganz, ganz wütende Leitartikel schreiben bei den grausamen Spielchen, die im „Frauengefängnis“ getrieben werden!!!
Eine Rothaarige muss 30 Tage hungern, mit schwerer Kette um den Hals an die Wand geleint, der Nudeltopf gerade außerhalb der Reichweite – eine Qual, wie sie die griechischen Götter nicht perfider sich hätten einfallen lassen. Und sie ist nackt dabei! Kein Wunder, dass sie verrückt wird und fortan nur noch kindisches Zeug brabbelt. Obwohl: Das hat sie ja vorher auch schon, zwischen dem Schreien, Schimpfen, Flehen: „Ihr könnt mich töten, aber lasst mich nicht verhungern! Dazu bin ich zu schwach!“ Ist das reiner Schwachsinn? Oder ein ganz neues Maß an Realismus, der all die normalen Signale des Fiktionalen hinter sich lässt?

Das, was in anderen Filmen Exposition ist, ist hier eine beliebige Aneinanderreihung von Szenen mit Figuren, die zu kennen der Film vorauszusetzen scheint. Wer Hauptprotagonistin ist, an wem sich welcher Plot wie auch immer aufhängen wird, bleibt im Ungefähren, bis ungefähr zur Mitte des Films, und auch da ist es eigentlich wurscht. Logik; Handlungsstringenz; Dramaturgie; Einheitlichkeit der Figurencharakterisiken etc. – das, was einen normalen Spielfilm, eine erzählende Fiktion, eine erfundene Geschichte ausmacht, ist nicht zu finden. Es muss also wahr sein, was wir sehen. Es muss einfach quasidokumentarisch sein, denn sonst würde ja alles gar keinen Sinn ergeben. Und dann muss der Film politisch sein, es muss eine aufklärerische Absicht dahinterstehen, denn sonst würden ja die Filmemacher – allen voran Regisseur Jess Franco und sein Produzent Erwin C. Dietrich – genau das zeigen und daraus ihre Lust ziehen, was sie an Sadismen und Brutalitäten mit der Kamera einfangen. Ha! Das wäre ja die totale reißerische Heuchelei; völlig undenkbar!

Ja, Jess Franco klärt auf, hart an der Schmerzgrenze, um das Böse zu zeigen, das Perverse, die physischen, sexuellen Übergriffe, die sich in totalitären Machtstrukturen überdimensional aufblähen. Oh, wie schlimm geht es dort zu, in dieser Festung in Südamerika, wo Willkür und Selbstherrlichkeit herrschen, wo Menschen wie Tiere behandelt werden!

Mit der Rothaarigen vom Anfang in der Zelle: Eine wunderschöne Blonde, die mit fortschreitender Handlung die Schreie der Gefolterten immer weniger ertragen kann, und eine Nymphomanin, die sich mit ihrer Zigarette masturbiert. Mörderinnen und unsittliche Dirnen sind hier inhaftiert, Rebellinnen, die bekommen, was ihnen gebührt!
Die böse Direktorin mit Monokel im Auge weiß das ganz genau: Wenn man nicht Härte zeigt, wird man überrannt. Hat sie vielleicht gelernt in der französischsprachigen Ausgabe von Albert Speers „Erinnerungen“, in der sie liest: schöner Titel: „Au Coeur du Troisiéme Reich“. Was sie tut, ist zugleich ihrer Natur ganz und gar zueigen; schön, wenn jemand sein Hobby zum Beruf machen kann.

Da kann sie die Blonde zu sich rufen, sie auf den Knien rumrutschen lassen, mit dem Finger ihre Jungfräulichkeit prüfen – was man gynäkologisch genau sieht – und sich dann von ihr in Ekstase schlagen lassen. Weils ja auch nicht drauf ankommt, welche Perversion in welche Richtung ausschlägt. (Dass die Frau Direktorin keine Hose anhat, sondern nur ein minikurzes Minietwas, lässt ihre natürliche Autorität nur sehr geringfügig lächerlich erscheinen.)
Der Herr Gouverneur hat’s schwerer, der Potentat ist impotent und darauf angewiesen, zuzusehen, wenn sein Handlanger Nestor – nein: kein distinguierter Butler! – die Gefangenen vergewaltigt. Im Übrigen kann der Gouverneur leider nicht klavierspielen, seine Finger hauen unbeholfen auf den Tasten rum, gottseidank haben Franco und Dietrich Mitleid und lassen wahllos eine Melodie übern Soundtrack huschen.
Schwer hats auch der Herr Gefängnisarzt, der gar keiner ist, sondern, überraschende Offenbarung: eigentlich nur Krankenpfleger, der die Stelle des Arztes ohne Approbiation, ohne „Zertifikanz“ (H. Schneider) usurpiert hat. Deshalb ist er erpressbar von der Frau Direktorin und muss allerlei böse Folterexperimenten an den jungen Leibern unschuldiger Mädchen durchführen – was ihm freilich auch wieder gefällt, das bringt neue Gewissensbisse, und er schüttet sein Herz aus: Wenn die Lippen der Gefolterten vor Angst beben, das kann er nicht aushalten; also quält er noch mehr, denn wenn sie schreien, kann man noch lauter dagegen schreien… Jaja, die menschliche Psyche ist total komplex.

Feine Marterinstrumente gibt es. Ein Bett ohne Matratze, auf dessen Gitterrost sich die Auserwählte nackig legen und sich mit dem ganzen Körper schütteln muss. Das sollen wahrscheinlich Stromstöße sein. Und dann kommt der Böse noch mit einem Stock dazu und fummelt der Armen untenrum rum…
Überhaupt das Untenrum: Das hat es Franco angetan, gerne zeigt er dieses Untenrum von unten, und es ist wohl kaum überinterpretiert, wenn man diese offenbarende Ansicht metaphorisch deutet als den Spalt, der durch die Gesellschaft geht, der zwischen Wärtern und Gefangenen, Opfern und Tätern liegt.

Irgendwann kommt Maria an, und irgendwann merkt man, dass es sich bei ihr um die Hauptfigur des Films handelt. Weil man von ihr eine back story bekommt. Und was für eine!!! Sie ist als Mörderin inhaftiert, weil sie ihren Vater erschlagen hat. Die Wahrheit bekommen wir zu sehen: Der Herr Papa hat ihr nachgestellt, nicht nur mit lüsternen Blicken, auch mit übergreifenden Händen. Und sie hat sich nur gewehrt, und er ist gegen den Kaminsims gestoßen, und da haben wir den Salat. Ein Salat übrigens, der sich gewaschen hat. Weil nämlich dies der dramatische, der emotionale Höhepunkt des Filmes ist. Und weil er deshalb filmisch betont wird. Und zwar durch Zeitlupe. Die nicht technisch produziert wird, sondern physisch: Maria und ihr Papa bewegen sich einfach langsam, sie stößt ihn ganz langsam von sich, er taumelt ganz langsam nach hinten, haut sich ganz langsam den Kopf an, fällt ganz langsam zu Boden… Während die Lampe über ihren Köpfen in Echtzeit hin und her schwingt. Eine inszenatorische Glanztat, wie sie erst in Schneiders „Texas“ wieder in der Filmgeschichte auftauchen wird.

Maria wird dargestellt von Lina Romay, der Herr Papa von Jess Franco himself – sie werden später heiraten und zusammenblieben, bis der Tod sie dann schied. Francos Auftritt: Ein klares Statement zum auteurism; denn die Bezüge zur Nouvelle Vague sind mehr als deutlich, als Weiterschreibung, Abkehr, als Umkehrung. Er lässt böse Frauen unschöne Dinge tun, und benutzt seine Kamera wie einen Stift, mit dem er krakelige Zoten an eine Toilettenwand kritzelt.

 
Ein Blockbuster, ein Actionfilm, eine Superheldensause der zweite Film des Abends. Eine hauptsächlich italienische Produktion, die in der englischen Synchro vorgeführt wurde, was eine weitere Schraubendrehung bedeutet dahin, wo „Flashman“ hinwill, zu den US-Comics und den Brit-Agentenfilmen.

Großbritannien. London. Big Ben schlägt 10. Das altehrwürdige Imperial College of Science and Technology. Im Labor: Ein alter Wissenschaftler, der den Durchbruch schafft, eine Erfindung, wie sie die Menschheit noch nicht gesehen hat. Kristallisation der Zellen, Brechung des Lichtes – kurz: man wird unsichtbar mit diesem Serum… Leider ist der Prof. nicht unverwundbar, wird von Bösewicht Nummer 1 niedergeknallt, der die Unsichtbarkeitsessenz klaut und das Labor in die Luft sprengt. Er ist Chef einer Gaunerbande, von der man nicht so recht weiß, was die Komplizen zu tun haben, weil Unsichtbarmachen und Banküberfallen nicht nur Chefsache, sondern auch Alleingang ist. Egal.

In der Bank jedenfalls ein tumber Angestellter, der von einer zauberhaften Dame angelächelt wird. Die ihm prompt ein Geldbündel vom Tisch klaut und gegen Falschgeld eintauscht. Hups: der zweite Plot des Films, mit der zweiten Verbrecherschiene! Eine Bande internationaler Geldfälscherinnen, die listig ihre selbstgemachten Banknoten gegen echte eintauschen, direkt in diversen Banken. Toller Plan, der super funktionieren würde – wenn nicht die erste Verbrecherbande reinfunken würde. Und wenn dieser eine Angestellte namens Smithers nicht in Wirklichkeit Lord Alex Burman wäre, der im übrigen die bürgerliche Existenz von keinem geringerem als Flashman ist.
Er hat einen tollen Umhang und eine tolle Maske und auch eine Schwester, die sich gerne Science-Fiction-haft verkleidet – Engländer, reiche zumal, haben halt einen Spleen. Und Alex bekämpft eben aus Langeweile Verbrechen, hat sich in die Bank als Köder für Kriminelle eingeschlichen, wird dann vom Unsichtbaren überfallen und so weiter und so fort. Klar kommt er dem – im übrigen teutonisch blondierten – Bösewicht auf die Spur, aber der ist auch nicht von schlechten Eltern, hat nämlich einen ferngesteuerten Hubschrauber, und Flashman muss aus höchster Gefahr in die Themse hopsen!!! (Als er das Ufer hochkraxelt und tropfnass heimtapst, läuft ein Hund ganz unbekümmert über den Drehort, das hat wahrscheinlich keiner gemerkt… oder es war dem Kameramann und dem Cutter wurscht…)

Die Verbrechen des Unsichtbaren jedenfalls sind Meisterwerke – darunter auch ein Besuch im Gefängnis, wo der Schurke diverse Insassen ausfragen muss. Man sieht ihn nicht! Nur die Pistole, mit der er rumfuchtelt. Kleider hat er übrigens keine an, die werden ja nicht unsichtbar. Und an den Gegenständen, die einfach so durch die Gegend fliegen, weil ja der Unsichtbare sie in Händen hält, sieht man die Fäden fast nicht.

Es geht dann nach Beirut. Weil sich Bösewicht 1 und Bösewichtin 2 zusammengetan haben und einen reichen Maharadscha rupfen wollen. Dass sie über Leichen gehen, ist klar. Dass Flashman hinter ihnen her ist, auch. Und dass er ganz unmotiviert einen depperten Kommissar im Schlepptau hat, ist begründet im Erfolg der Inspektor-Clouseau-Filmreihe – warum soll man sich nicht auch da bedienen! Herrlicher Slapstick mit doofen Polizisten hat ja schon immer funktioniert und verfehlt auch hier seine Wirkung nicht.

In Beirut nehmen Flashman & Sister des Maharadschas Tochter unter ihre Fittiche, während der Kommissar sich mit seinem libanesischen Pendant rumstreitet und die Bösewichter beinahe entkommen. Ah, jetzt habe ich vergessen, hier ein Ausrufezeichen zu setzen, denn alles ist furchtbar spannend!!! Die Handlungsturbulenzen nehmen zu, naja, die Abgeklärtheit des Zuschauers leider auch, der Gewöhnungseffekt, was will man machen, so ein bisschen fängt man an, abzuschalten.

Das Finale ist wieder herrlich. Bootsverfolgungsjagd, diesmal ist die Frau unsichtbar (und, hechelhechel, nackt, was man aber nicht sieht, weil wir ja in den 60ern sind) und flieht vor Flashman. Schießt dabei ein paar Benzinleitungen an, die an Klippen herumhängen, und zündet dann das Benzin auf dem Meer an, eine Feuerwand, die Flashman in seinem Boot nicht überwinden kann – denkt man. Aber er hat ja seinen Fallschirm dabei, befestigt den ans Boot, das durch das Feuer flitzt, oben hängt der Held, und es macht ihm nix aus, dass unten das Schiffchen explodiert. Wie es uns nichts ausmacht, dass man die Fahrzeuge als Spielzeugboote erkennen kann.
 
Am Schluss ist nichts mehr übrig. Die Schurkin, unsichtbar, ist tot, aber nicht zu sehen, und der Schurke hat sich versehentlich selbst in die Luft gesprengt, nach spannendem Handgemenge mit Flashman. Der als Retter der Welt zurück nach London fliegt. Schade, dass sein Fallschirm nicht das Union-Jack-Muster hat.


Harald Mühlbeyer