Hofer Filmtage - Genre? Gerne!

Eigentlich hatte ich's nicht vor; aber jetzt muss ich doch nochmal diese Sache mit dem Naserümpfen über "Cold Blood" aufgreifen, es lässt mich nicht los. Weil im Q&A mit Ruzowitzky so ein grundsätzliches Misstrauen gegen "Hollywood" aufgeschienen war, eine filmkunstbeflissene Attitüde, die weiß, was Kultur ist und zu sein hat. Überinterpretiere ich das was? Oder empfange ich hier doch die richtigen Vibes?

Interessant jedenfalls, dass dann Susanne Biers "Love is all you need" mit Jubelstürmen in vollem Haus aufgenommen wurde. Das ist eine formvollendete Romcom mit Italieneinschlag und Pierce Brosnan, und Bier tut im Grunde nichts anderes als Ruzowitzky, sie nutzt die Regeln des Genrespiels voll aus. Das fängt an mit der satten Farbgebung - wo hat man je schon so leuchtende Augenfarben gesehen, und die Zitronen in der grünen Plantage mit blauen Arbeiterinnen sind auch ein kräftiger Farbenrausch -, und natürlich schmalzt Dean Martin "That's Amore", und natürlich kommen allerlei Lebenslügen von Einsamkeit und Krankheit und Entfremdung ins Spiel bei diesem Hochzeitsfest in Sorrent, und am Ende wird alles schön aufgelöst und es bildet sich das neue Traumpaar, Brosnan eben und Trine Dyrholm, denen wir das von Herzen wünschen.

Ist das eine Genderfrage, haben hier die Frauen das Sagen beim Akzeptieren oder Ablehnen von filmischen Formen? (Die Naserümpfer bei Ruzowitzky waren männlich!). Oder wird einfach mit zweierlei Maß gemessen, wenn der eine das Genre bedient, ist es Mainstream, wenn's die andere tut, ist es wunderbar romantisch? Oder sind Männer - um mal bei der Genderthese zu bleiben - kritischer als Frauen, reicht es denen, wenn sie schön was fürs Herz bekommen? Oder ist es einfach besser, wenn Pierce Brosnan flirtet, als wenn Eric Bana killt?

Ein toller "männlicher" Film ist "Killing them softly" von Andrew Dominik, der ja als Erstling in Australien vor ca. zehn Jahren "Chopper" gedreht hat, mit dem Eric Bana - wieder er! - erstmals groß rauskam. Ein sehr witziger und sehr brutaler Blick in die Unterwelt ist das, zwei depperte Kleinkriminelle überfallen eine illegale Pokerrunde und werden vom Syndikat verfolgt, Brad Pitt spielt den Killer, der auf sie angesetzt wird. Die Story wird dabei angereichert mit ständigen kleinen Abschweifungen, mit Diskursen, die ein komplexes Geflecht an Charakteren präsentieren. James Gandolfini etwa spielt einen New Yorker Killer, der nach Kalifornien eingeflogen wird für einen Job, er ist ein versoffener Hurenbock, und Dominik versteht es, ganz ungezwungen ihn mit all seinen leutseligen Stories so genau zu charakterisieren, bis es dann Brad Pitt zuviel wird und er Gandolfini nonchalant aus dem Film befördert. Ray Liotta ist auch eines der unschuldigen Opfer des Films, der aus Gründen der Staatsraison in einer wunderschönen Zeitlupen-Tötungssequenz sein Leben lässt, das muss man gesehen haben.

Pitt hat sowieso die Fäden in der Hand - und muss doch immer auf Grünes Licht von Oben warten, vom "Aufsichtsrat" des Syndikats, da sind Gremien, da muss das Budget genehmigt und kontrolliert werden, da müssen Maßnahmen abgesegnet werden. Und Pitt, zart im Umgang und hart in der Sache, killt am liebsten sanft, ohne, dass ihm die Gefühle der Opfer im Angesicht des Todes auf die Nerven gehen. Während die Kleinkriminellen ganz eigene Typen sind, darüber brauchen wir gar nicht reden hier.

Die Dialoge sind brillant, auf den Punkt gebracht; und im Hintergrund, in den News, läuft der Wahlkampf Obama-McCain vor vier Jahren, im Zeichen der großen Finanzkrise, die längst auch die Unterwelt im Griff hat. Ein brillantes, pervertiertes Bild von Amerika ist das, so, wie es ein Gangsterfilm sein muss: America is business, das nehmen wir mit den letzten Worten des Films mit nach Hause, und wir werden es uns merken.

So, muss jetzt zum nächsten Film, bis morgen, liebe Freunde

Harald Mühlbeyer