BERLINALE 2014: Malen nach Zahlen
Monuments Gähn: George Clooney und sein dreckiges halbes
Dutzend haben in Berlin nicht nur die ordentlich die Herzen der Deutschen
gestohlen, sondern mit MONUMENTS MEN leider auch Geduld und Lebenszeit des
Publikums. Sicher, die Crew, die der von Clooney selbst gespieltem
Kunsthistoriker Stout da um sich schart, sechs Kollegen in Uniform und im Auftrag des
Weltkulturerbes (damit quasi im Namen des Humanismus per se, wie wieder und
immer wieder, gerne auch aus dem Off vorgebetet wird), sie sollen zum Ende des
Zweiten Weltkriegs von Nazis geraubte Kunstschätze wiederfinden und vor allem
vor der Vernichtung schützen. Und sind selbst eigentlich kostbar, verheißt wenn
auch nicht großes Kino, so doch erhebliche Unterhaltung: Matt Damon, John
Goodman, Bill Murray, Jean Dujardin und Bob Balaban, dazu noch Hugh Bonneville
als britischer Major Donald Jeffries. Dazu noch eine fesselnde historische
Randepisode des Zweiten Weltkriegs – ein zünftiger Kriegsabenteuerspaß sollte
da zumindest drin sein.
Und, sicher, Ausstattung, Kamera, Musik, alles ganz
ordentlich. Woran es aber krankt, ist das Skript, mithin die Story. Dafür
zuständig ist ebenfalls Clooney, zusammen mit Grant Heslov, der schon an GOOD NIGHT AND GOOD LUCK, MEN WHO
STARE AT GOATS oder IDES OF MARCH mitgewirkt hat. Diese Filme waren
dramaturgisch alle auch nicht der große Wurf, funktionierten aber halbwegs.
MONUMENTS MEN hingegen kann sich zwischen Kriegsdrama, Abenteuer und
Guido-Knopp-Doku nicht nur nicht entscheiden, der Film versucht es erst gar
nicht und glaubt stattdessen, sich mit einigen müden Griffen in die Drehbuchkiste
durchmogeln zu können. Wird schon klappen, versendet sich in Georges
Strahle-Grinsen. Schön wär’s.
Schnauzer-Clooneys Stout versammelt seine Mannschaft, nach kurzem Training geht
es in den Einsatz. Was dann passiert ist ein episodisches Stückwerk, dessen
Zusammenhang in sich und untereinander allzu fadenscheinig – etwa der
Brügge-Michelangelo-Madonna-Handlungsstrang: Für diese gibt Jeffries sein Leben
und Stout sucht sie fortan wie Tom Hanks seinen Private Ryan oder Indiana Jones
den Gral, nur weit biederer und überdeutlicher Würzung des geschichtlichen
Auftrags mit emotionaler Symbolkraft. Menschlich drameln darf es denn auch
sporadisch und oberflächlich, Matt Damon und Cate Blanchett als französische
Kunstsammelstellen-Sekretärin im ehemaligen Dienst des „Dritten Reichs“ etwa ergebnislos
um einander herumscharwänzeln, Goodman seinen gefallenen Kameraden betrauern.
Aber MONUMENTS MEN nimmt sich weder Zeit, noch sonderliches Interesse für
seinen Figuren. Bestenfalls wird eine Backstory-Wunde behauptet, meistens nicht
mal das. Und weil sich die „Monuments Men“ dann auch noch in kleine Grüppchen
auf- und in Europa verteilen, ist auch aus dem Zusammenspiel der beachtlichen Charakterköpfe
nichts zu gewinnen.
Außer Kalenderweisheiten zum hehren Menschheitswert der
Kunst allgemein und im Speziellen gibt es für die Darsteller nichts zu tun, so
dass sie, alleingelassen, sich selbst imitieren, Ausdrücken, Gesten und Posten
zum Besten geben, die man von ihnen erwartet, die immer gut ankommen. Jean
Dujardin grinst weiß und brav sein OS-117- und THE-ARTIST-Grinsen, als er das erste Mal ins
Bild kommt – warum bloß; ach egal. John Goodman kuckt lustig-mürrisch oder
betreten, wobei sich vor allem bei letzterem der Mund um Knautschgesicht zum
einem großen umgedrehten „U“ verzieht. Matt Damon ist wieder der dumpfbackige
„aufrechte Kerl“, für den ihn die SOUTH-PARK-Macher (und nicht nur sie)
veralbert haben. Und Bill Murray gibt Bill Murray, eine Routine, die immerhin
passt, weil das ein Bill Murray ist, der sich und den Quatsch um sich herum eh
nicht ernst nimmt. Ein Bill Murray, wie ihn Bill Murray in LOST IN TRANSLATION
selbst ja mal brillant und ergiebig vorgeführt und dekonstruiert hat. Kurzum,
ein Uwe Boll hätte ein solches Schauspielerpotenzial nicht ärger her- oder
hinrichten, und der hat ja wenigstens wenig Geld und seine Darsteller die
Ausrede, dass sie es nur wegen jenem mal kurz, einen Drehtag zwischendurch,
gemacht haben.
MONUMENTS MEN, ausgehend von Robert M. Edsels romanhaftem
Sachbuch mit dem pompösen Titel The Monuments Men: Allied Heroes, Nazi Thieves and the Greatest
Treasure Hunt in History ist sicher nicht in allem geschichtlich akkurat. Da
sei ihm verziehen. Schwerer wiegt, dass er allzu oft bemüht launig wird oder
abwegig ohne Gewinn (etwa in jener Szene, in der Matt Damon auf eine Miene
tritt und sich seine Kameraden sich heldenhaft-solidarisch weigern, in Deckung
zu gehen, nachdem sie das Ding notdürftig gesichert haben und Damon den Fuß vom
Zünder nimmt). Ohne Not präsentiert Clooney hohle Pappgesellen, deren „Ungewöhnlichkeits“-Verheldung
umso dürftiger erscheint, je mehr patriotistisch und selbstüberzeugt sich der
Film geriert.
So langweilt Clooney mit der stolpernden Geschichtslektion und -lektiönchen. Die letzte halbe Stunde
besteht gefühlt aus einer langen Reihe von Entdeckungen toller Kunstschätze,
auch Gold (und, soviel, Schrecken muss dann doch sein: Goldzähnen) in
irgendwelchen Höhlen und auf Neuschwanstein. Als Computerspiel hätte MONUMENTS
MEN besser funktioniert. Oder, ach, hätte Clooney nur statt der
comic-vordergründigen Zelebrierung seines spannenden Themas wirklich einen
reinen, echten Dokumentarfilm gemacht. So jedenfalls sind sogar die beiden
Dan-Brown-Verfilmungen ansprechender, dabei ebenso lehrreich und niveauvoll.
Aber die Deutschen freut’s, diese verplemperte Zeit zwischen
Vor- und Abspann, nicht nur weil Clooney samt Mannschaft sich ein Stelldichein
auf der Berlinale gab und dort eine dank den JournalistInnen peinlich
nichtssagende, schwärmerische Pressekonferenz bereiten ließ. Sondern auch weil
MONUMENTS MEN ordentlich mit deutschen Geld ausgestattet wurde und gehörig in
Deutschland, vor allem natürlich in Babelsberg, entstand. Daher darf auch Justus
von Dohnányi einen typischen Nazi, lustvoll nah an der Grenze zur Parodie,
geben – und MONUMENTS MEN eher aus Prestigegründen und Glamour denn aus Güte im
Wettbewerb laufen.
Ob themengerecht das Produktionsprojekt ein erneutes Zeichen
der US-deutschen Bewältigungs- und Aussöhnungsgeschichte ist, eine Form später perfider
Revanche oder umgekehrter Fortsetzung der Unsitten von einst: statt
unschätzbare Werke zu verschleppen oder zu vernichten nun drögen Mist
mitherstellen und in die ganze Welt verteilen? Zugegeben, das ist jetzt sehr
harsch geurteilt, so rundum und durch und durch ist MONUMENTS MEN ja nicht
missglückt. Versteckt in einer Heilbronner Salzmine hätte man dem Film freilich
auch nicht groß nachspüren müssen...
zyw