Grindhouse-Nachlese Januar 2014: „Re-Animator“ und „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“

„Re-Animator“, USA 1985, Regie: Stuart Gordon.


„Doomsday Machine“ / „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“, USA 1972, Regie: Harry Hope, Lee Sholem.



Stichwort Leben nach dem Tod. Stichwort Wissenschaft. Stichwort Fortschritt. Stichwort Selbstzerstörung. Summa summarum: Ein Grindhouse-Themenabend!

Und ein lustiger noch dazu. Denn auch Staatsanwälte, Gerichte, Anwälte und sonstige Moral- und Rechts- und Gesetzesvertreter können sich irren, auch diejenigen, die die Jugend schützen und der Zügellosigkeit ihre Schranken weisen, können fehlgehen. Und so kann es passieren, dass ein Film auf dem Index landet und lange Jahre unter Verschluss bleiben muss, der zwar durchaus brutal, eigentlich aber lustig gemeint ist, und es kann gottseidank auch passieren, dass dieses Urteil revidiert wird, dass damit das Richtige, das Wahre, das Gute siegt. Und dass also dass „Re-Animator“ freigegeben, einer 4K-Abtastung unterzogen und auf BluRay veröffentlicht wird. Und dass wir das jetzt alle völlig legal sehen dürfen, diese Lovecraft-inspirierte Story um Herbert West, der den Tod nicht akzeptieren will.

Herbert West ist ein junger Mann mit steifen Bewegungen und verkniffenem Gesicht. Wir können ihn uns als eine Art Prototyp eines JU-Kreisvorsitzenden vorstellen, zumal die Werte von der Schutzwürdigkeit des Lebens und vom Erhalt der Schöpfung im Grunde durchaus von JU wie von West geteilt werden. Nur in letzterem Falle etwas extremer: Wir erleben ihn erstmals an der Uni in Zürich, im Labor von Professor Gruber, und die Polizei tritt die Tür ein. Innen West, fanatisch exaltiert, und Gruber, frisch verzombiet, dessen Augen demonstrativ aus den Höhlen pluppsen, was die klare Diagnose des Todes provoziert – „Nein! Ich habe ihn WIEDERBELEBT!!!“

Ende der Pre-Title-Sequenz. Und wir schwenken um zu Daniel Cain am Schulkrankenhaus von Arkham, Massachusetts – eine Art Mischung von „Grey’s Anatomy“ und Lovecraft, im knallbunten Ambiente der typischen amerikanischen Film-Highschool der 1980er. Tatsächlich dreht sich alles um eine Teenie-Liebe: Daniel fummelt nämlich heftig mit Megan, die die Tochter des Dekans ist, der diese Liaison sehr missbilligt… Dazu kommt nun das Herbertchen, dieser unscheinbar-unheimliche Typ, der in Daniels WG einzieht und gleich Gefallen am Gewölbekeller findet. Und den Megan auf den Tod nicht ausstehen kann.

Dritter Pol neben Daniel/Megan und Herbert West ist Dr. Carl Hill, Professor in Sachen Leichenschau und Gehirnspezialist. Beim Sezieren einer frischen Damenleiche inklusive Hirnbetrachtung geraten sich Herbert und Hill in die Haare – der nämlich noch der altertümlichen Betrachtungsweise nachhängt, die Hirnfunktionen würde nur noch sechs bis zwölf Minuten nach dem Tod weiterlaufen, um dann endgültig jede wie auch immer geartete Wiederbelebung zunichte zu machen. Ha, lächerlich! Und Beweis für das völlig fiktive und wissenschaftlich unhaltbare Konzept von „Source Code“. Ph. Zurückreisen in die Gehirnströme des Toten, aber dann nur acht Minuten, da kann ich nur lachen.

Denn: Herbert West hat zwar Daniels süße Miezekatze auf dem Gewissen – aber auch nach längerer Lagerung im Kühlschrank kann er sie mit Hilfe seines selbstkomponierten giftgrünen Serums wieder zum Leben erwecken. OK. Das Kätzchen ist dann sauer. Geriert sich eher wie ein Monster, attackiert blutrünstig den Retter vor dem ewigen Tod. Aber Herbert hat recht! Und Daniel wird Zeuge dieser Revolution, wird als Mitwisser auch Spießgeselle. Jetzt geht’s also in die Leichenhalle…

Nicht leicht, einen Kandidaten mit intaktem Gehirn, aber totem Körper zu finden. Nicht leicht, das Serum richtig zu dosieren. Nicht leicht, den entmenschten Aggressionen des Wiederbelebten zu entkommen, bei dem nur die einfachsten Basishirnregungen aufgeweckt wurden, der nun in der Pathologie wütet und schließlich den Herrn Dekan killt… Ein wüstes Gemetzel mit dem bärenstarken Untoten, der wie ein nackiger Derwisch dreinhaut, was das Zeug hält…

Nun. Damit ist die Kacke einigermaßen am Dampfen. Denn der Dekan wird schwuppdiwupp wiederbelebt. Wird aggressiv. Und kommt in die Obhut von Dr. Hill, als psychiatrischer Fall. Dem ist natürlich nicht entgangen, was die beiden Herren Studenten so treiben, und er hat ganz eigene Pläne. Weil er nämlich sowieso schon lange geil auf Megan ist. Und weil er seine Hirnforschungen weitertreiben will als jeder zuvor. Dass er zwischendurch mittels eines Spatens geköpft wird, ficht ihn nicht an. Er hat Herbert und Daniel mit all ihren Morden zum Zwecke des Wiederbelebens am Wickel… 
Und legt jetzt so richtig los, der lebende tote Körper mit dem lebenden toten Kopf im Arm. Zack: Hat er sich Megan geschnappt. Die er nackt auf seinen Seziertisch legt, lüstern leckt die Zunge über die Lippen, sein Kopf neben dem Ihren, er in einer Petrischale, sie für die Erfüllung all seiner Phantasien präpariert… Der Körper, eine unglaubliche Szene, nimmt den Kopf, hält ihn über das nackte Gesicht, die nackten Brüste von Megan, mit wild-blutigen Küssen bedeckt er ihren jungen Leib, wird dann, leckerlecker, zwischen ihre Beine gehoben…

Danach ein ziemliches Inferno im Krankenhaus mit vielen Zombies, einigen Innereien und Nebel (woher auch immer), ein Riesenspaß für den, der auch schon über „Braindead“ gelacht hat.
Wobei letzterer, aus Peter Jacksons Frühwerk, ja die Bebilderung des Bibelwortes aus 1. Mose 2, 24 ist: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch.“ Während „Re-Animator“ eher weniger an monogamen Gelüsten und der Loslösung vom Mütterlichen interessiert ist, sondern direkt an den Begierden schmutziger alter Männer, von Dr. Hill, der Megan totficken will, oder von ihrem Vater, der sie eifersüchtig für sich behalten will. Und über Herbert West, dem die körperliche Reproduktion wurscht ist, solange der Tod aufgehalten werden kann.

Verklemmte Sexualität, die ihre Bahn bricht – so etwas gibt es auch in „Hydra – Verschollen in Galaxis 4“, allerdings ist der Film selbst verklemmt. Und sieht doof aus. Und ist völlig blödsinnig.
Das alles liegt daran, dass er schon 1968 gedreht wurde, weitgehend. Bis auf das Ende. Weil Geldmangel, keine Lust, zuviel Stress… Man hat dann 1972 nachgedreht, mit anderen Darstellern (!) in anderen Kostümen (!) in anderen Kulissen (!), um den Film irgendwie zuende zu bringen.

„Der Weltraum, unendliche Dimensionen“ – so fängt der Film an, zu Sternenbildern erläutert ein freundlicher Kommentar die Situation: Wir befinden uns im Jahr 1992, die Welt ist überbevölkert, West- und Ostblock arbeiten zusammen an verschiedenen Raumstationen, doch China ist eine Bedrohung. Und dann sehen wir etwas Dolles: Wie man nämlich in ein streng bewachtes Gebäude einbricht. Eine Frau – offenbar eine Agentin – wirft eine Katze über die Mauer, der der Wachhund eifrig nachspringt – der Weg ist frei, sie dringt ein, durchs Foyer in einen Aufzug, was der Aufzugsführer nicht überlebt. In einer Umkleidekabine zieht sie sich um, eine zufällig daherkommende Frau überlebt auch dies nicht – sie wird mit ihren eigenen Zöpfen erwürgt. Treffen mit einem befreundeten Agenten, Fahrt im Aufzug ins oberste Stockwerk, und dort finden wir sie: Die Weltuntergangsmaschine, die dem Film ihren Originaltitel gegeben hat.

Auf Kubrick-Gelände befinden wir uns freilich nicht, dafür springen wir jetzt zur Nasa auf Cape Canaveral. Pressekonferenz. Ein Flug zur Venus wird geplant. Langweiliges Info-Geplapper – bis wir die Astronauten kennenlernen. Die sich gerne von ihren Frauen scheiden ließen, um zwei Jahre durchs Weltall fliegen und einen Planeten auf Bewohnbarkeit hin erforschen zu dürfen.

Frauen finden diese Macho-Spacemen nicht so gut. Der reine Horror für sie, als Alarm losgeht, der geplante Start um eine Stunde vorverlegt wird (weshalb gewissen Sicherheitsüberprüfungen unterlassen werden) – und als mit direkter Order aus dem weißen Haus drei Astronauten ausgetauscht werden mit – weiblichen Dingsbumsen! Das gibt nur Komplikationen! Frauen im Weltall? Wie soll man da vernünftig arbeiten! Was denken sich die da oben eigentlich?!? So lauten die Beschwerden. Ein kleiner Einwand – „vielleicht können Frauen ja auch nützlich sein?“ – wird weggebügelt: Ja, wenn’s ums Sockenwaschen geht.

Drei Frauen an Bord: Wir als Zuschauer wissen natürlich, was das soll. Denn: Die Welt wird zerstört werden, wenn die Chinesen ihre Riesenwasserstoffbombe zünden. Das wird eine unkontrollierbare Kettenreaktion allen spaltbaren Materials überhaupt nach sich ziehen, die Erdkruste wird aufgesprengt werden… und unsere paar Raumfahrer sind auf einer Art Arche unterwegs zu neuen Welten. Nukleus einer neuen Menschheit.

Bis die Astronauten das kapieren, dauert es eine Weile. Wiewohl im Weltall sofort versucht wird, zu baggern – das sind die vorhergesagten Probleme, vor denen die Männernauten gewarnt hatten. Die Fraunauten jedenfalls werden als Freiwild angesehen, Küsse werden aufgezwängt – und in der verklemmten Moral des Films, die direkt aus den 50er Jahren genommen wurde, ist klar, dass dies Chiffren sind für brutale Vergewaltigungen.
Aber alles ganz natürlich, so ist es halt, wenn die Hormone ins Spiel kommen!

Es passt nicht zusammen. Nichts in dem Film. Die Kulissen sind billig, die Darsteller mies, das Weltall offenbar aufgebaut aus Ausschnitten anderer Science-Fiction-Filme. Die Moral ist von vorgestern – was würde an Frivolität drinstecken, wäre der Film tatsächlich anno 72 gedreht worden! (Wobei die Frauenfeindlichkeit natürlich gleich geblieben wäre, aber mehr Spaß gemacht hätte…)
Das alles macht das Vergnügen aus, das der Film bereitet – man stelle sich vor: Die Windschutzscheibe der Rakete weist Nord-Ost-Süd-West-Richtungspfeile aus! Im Weltall!!! Noch dazu ist alles schön bunt, als hätte Mario Bava ein paar Mal aufs Set geniest.

Ein toller Moment: Wenn die Erde explodiert. Das sehen wir alles, ein Aufschrei von Millionen gequälter Seelen, aber kein Todesstern in der Nähe, sondern alles selbstgemacht! Ein durchaus kritischer Film also; der dann aber auch ins Spirituelle sich wandelt. Venus ist unbewohnbar, das Raumschiff macht sich auf nach, ich glaube, Omega 3 oder so. Aber, Drama: Nur drei können mitreisen, die Rakete ist zu schwer (im Weltall!!!). Spätestens zu diesem Zeitpunkt fragt man sich, wofür man eigentlich vier Männer für drei Frauen benötigt, jeder Hühnerzüchter weiß um den Wert des einen Hahnes für seine hundert Hennen… Aber es ist ja klar: Wenn eine neue Zivilisation aufgebaut werden soll, müssen die Urväter und -mütter anständig monogam miteinander verheiratet werden.

Soweit freilich kommt es nicht. Der Computer als neutrales Superhirn wählt die aus, die weiterreisen dürfen – wobei sich zwei der Astronauten schon selbst erledigen, als in einer der vielen Vergewaltigungen des Films sich versehentlich die Luftschleuse öffnet und beide ins All geschleudert werden, als Strafe (er hätte sich zurückhalten können; sie hat sich zu aufreizend angezogen; sprich: beide sind des Todes!)

Von Hand (!) muss eine verklemmte Raketenstufe abgelöst werden, das übernimmt der Jüngste der Crew. Unterstützt wird er von der russischen Kosmonautin an Bord: „Warum tust du das?“ – „Weil ich dich liebe!“ – „Das verstehe ich. Aber es ist Wahnsinn!“ Kurz: Die beiden verirren sich im All, finden aber zufälligerweise die vermisste Raumkapsel einer vorherigen Weltraumunternehmung, jetzt wird es vollends wirr, weil ab hier die Darsteller wechseln und man offenbar verzweifelt nach einem Filmende gesucht hat. Das darin besteht, dass man nichts sieht, aber vieles erklärt bekommt – nämlich als Voice Over der Omega-Weltenbewohner, die im molekularen Bereich einer Superintelligenz frönen und die Spreu vom Weizen trennen – einige werden – zack! – getötet, die beiden anderen aber aufgenommen in die spirituelle Gemeinschaft.
Heißt: Sie sind auch tot. Die Menschheit ist ausgelöscht. Und das ist ja auch was Schönes.

Den unglaublich trashige Science-Fiction-Film gibt es kostenlos und legal in der Originalversion auf archive.org zu sehen (wobei ich mich hier auf die deutsche Synchro beziehe).

„Re-Animator“ ist jüngst in einer 3-Disc-Edition bei Capelight / Alive erschienen.


Harald Mühlbeyer