Grindhouse-Nachlese April 2016: Ein kurzer Tag voller Filme: Grindhouse-Special Day and Night

Cinema Quadrat Mannheim, 30. April 2016:

"Miss Muerte" / "Le diabolique Dr. Z" / "Das Geheimnis des Dr. Z", Frankreich/Spanien 1966, Regie: Jess Franco

"Furankenshutain tai chitei kaijû Baragon" / "Frankenstein – Der Schrecken mit dem Affengesicht", Japan 1966, Regie: Ishirô Honda

"Truck Turner" / "Chikago Poker", USA 1974, Regie: Jonathan Kaplan

"Firecracker" / "Gnadenlose Hetzjagd" / "Nackte Fäuste – Die tödliche Karatelady", USA/Philippinen 1981, Regie: Cirio H. Santiago

"Filmtitelsagichnicht", Regie: Redenwirnichtdrüber

"Take Her by Surprise" / "Im Fieber der Lust", Kanada 1967, Regie: Rudi Dorn



Ein Tag mit sechs Filmen: Nach dem famosen Grindhouse-Tag 2013 erlaubte sich das Cinema Quadrat einen weiteren Tag der niederen Gelüste. Sechs Filme, versammelt aus ganz verschiedenen Ecken des Grindhouse-Universums; aber natürlich, weil dies der Gedenkmonat ist, läuft zunächst mal ein Jess-Franco-Film, wie in jedem April seit dessen Todesjahr 2013: Und zwar eines der Frühwerke, noch in schwarz-weiß, aber das enthält schon ganz viel davon, was Franco – und das ganze schäbige Bahnhofskino – ausmacht.

"Das Geheimnis des Dr. Z" ist, ja, das kann man so sagen: gut. Naja, sagen wir: den Umständen entsprechend. Allerdings: Die Ausleuchtung beispielsweise der ausdrucksstarken Schwarz-Weiß-Fotographie muss sich nicht verstecken hinter den ganz Großen, die Nachtclubszenen mit ihrer morbiden Erotik haben sowas wie eine Art Unschuld erhalten, die sich im späteren Franco-Universum so nicht mehr finden will; Spannungsdramaturgie der einzelnen Szenen ist gelungen; und, ja, vielleicht liegt das nicht nur daran, dass Franco visuell – wenn er denn wollte – durchaus vielen anderen Genreregisseuren auch höherwertigerer Filme einiges voraus hatte, sondern auch daran, dass Jean-Claude Carrière am Drehbuch mitarbeitete: Adaption und Dialoge werden ihm zugeschrieben. Carrière: Das ist einer der ganz großen Filmautoren Frankreichs, ja Europas, der an vielen Klassikern mitarbeitete, mit Buñuel, mit Malle, mit Schlöndorff (ja, die "Blechtrommel" beispielsweise!), mit Étaix, Forman, Ferreri, Chéreau… Merkt man das dem Film an?

"Wir müssen das Haus verlassen!" – "Wohin sollen wir gehen?!" – "In das andere Haus!" Zugegeben: Das ist ein Dialog der Synchronfassung; aber inhaltlich ist er voll abgedeckt, und seiner Blödsinnigkeit haftet schon wieder ein gewisser Qualitätsfaktor an. Später wird es raffinierter, und ich bin mich sicher, dass Carrière seine Schreibfinger im Spiel hatte, wenn die Polizei auf den Plan tritt: Jess Franco selber spielt den ermittelnden Inspektor, als Dialogpartner hat man ihm einen auslandsbeobachtenden Scotland-Yard-Kommissar beigestellt; und Franco/Tanner hat ständig zu kämpfen mit der Müdigkeit: In kleinen, feinen Dialognebensächlichkeiten erzählt er von den Zwillingen, die seine Frau vor kurzem bekommen hat, "nachts schreit erst der eine, dann der andere, in den frühen Morgenstunden schreien wir dann alle zusammen."

Es geht um die tödliche Rache einer Frau, deren Vater gedemütigt wurde von der Wissenschaft. Ausgehend von den Verbindungen der Psyche mit der Physis hat der Wissenschaftler Strahlen gefunden, um Punkte in Gehirn und Rückenmark anzusteuern, die dann wiederum auf den Charakter Auswirkungen haben. Dieser Dr. Zimmer, promoviert in Breslau, heißt in der deutschen Fassung übrig Zaranoff, man hat seine Nationalität zeitgemäß nach Osten verschoben. Das Schöne ist, dass das Bild – wir sahen die französische Schnittfassung mit dem deutschen Ton – stets von Deutschland redet, Straßenwegweiser nach München sehen wir, ein Bahnhof ist als der von Singen ausgewiesen… Und Dr. Z. ist sichtlich als Strangelove-Verschnitt angelegt, im Rollstuhl sitzt er, dunkle Sonnenbrille… Ein German Mad Scientist, der nur das Beste will für die Menschheit, dafür aber auch menschliche Versuchskaninchen braucht, die Neurologenkonferenz lacht ihn aus, macht ihn nieder, er erleidet einen tödlichen Zusammenbruch, und Tochter Irma schwört Rache.

Zuvor schon, in der ersten Sequenz, sahen wir einen zum Tode Verurteilten ausbrechen, durch lange Kellergänge eines gewitterumtobten Schlosses kämpft er sich heraus, tötet die Wachmänner, ohnmächtig oder tot liegt er an Z.'s Haustür und wird sogleich angeschlossen an dessen Apparatur, die mit lächerlichen Greifarmen aufwartet, um die Opfer schön festzuhalten, während Stifte und Sensoren in Schläfe und Wirbelsäule hineinakupunktiert werden – das sind dann die Elemente, die einer ganz guten Story dann das entscheidende Quäntchen "Zuviel" hinzufügen, einen ungewollt albernen Touch verleihen, ohne den der Film im Mittelmaß der gewöhnlichen, sagen wir, Edgar Wallace-Welle mitschwimmen würde. Lange, röhrenartige Greifarme, die sich schlängelnd durchs Labor bewegen, um die Opfer zu umfassen: Das ist die Art von Wahnsinn, die man von einem Mad Scientist und seiner Tochter erwarten. Den psychopathischen Mörder hat sie nun damit zum absolut Bösen stimuliert – er ist ihr jetzt hörig, anscheinend geht es auch um so was wie Hypnose, womit "Das Geheimnis des Dr. Z" zum veritablen Vorgänger von "Dr. M.schlägt zu" wird.

Jedenfalls hegt Irma böse Pläne, um des Vaters Widersacher zu töten. Ein Mörder, der für sie tut, was immer sie will, reicht dazu nicht, die Haushälterin, ebenfalls in ihrem Bann, ist auch zu wenig. Miss Death muss her, eine Nachtclub- und Protostripteasetänzerin, die in verruchtem Spinnenkleid sich lasziv räkelt, eine schöne, fast schon psychedelische Sequenz: Dieser männermordende Vamp muss die drei Wissenschaftler verführen und dann umbringen. Keine Ahnung, wie Irma auf diesen Plan kommt, und warum sie ihn für alternativlos hält, aber ohne ihn gäbe es keinen Film. Mit den langen, langen Fingernägeln kratzt Miss Death – die im wirklichen Leben Nadja heißt – ihr Opfer in den Hals, die Nägel sind mit Curare beschmiert, und schon tritt alsbald der Tod ein. Nachdem das Opfer aus dem Zug geworfen wurde. So ist es, wenn Nadja ferngesteuert tötet, sie, Miss Death, nach der der Film im Original benannt wurde: "Miss Muerte" – aber eigentlich ist ja Irma die tödliche Lady. Zuvor hatten wir gesehen, wie sie eine Anhalterin mitgenommen hat, schön blond, schön naiv: Da ist ein See, wollen wir nicht baden? Und dort wird die Arme überfahren, auf den Fahrersitz bugsiert, mit Benzin übergossen, dann das brennende Auto in den See geschubst, all das, um den eigenen Tod vorzutäuschen – ein weiteres dieser unsinnigen Motive des Films, die eigentlich nichts zum Fortlauf der Story beitragen, außer, dass Irma jetzt Narben hat auf der unteren Gesichtshälfte, die sie sich vor einem Spiegel selbst wieder wegoperiert. Und wenn man sich vorgenommen hat, zu einer solchen irren Szene einer Eigenschönheitsoperation zu kommen, dann muss man halt einen Weg wählen, auch wenn der dem Zuschauer erstmal viel zu gewunden, gewollt und unlogisch erscheint.

Wie auch der zweite Mord durch Nadja. Da wird der Herr Wissenschaftler-Feind, der zuhause eine kranke, müde Frau hat, erstmal in der Bar angeflirtet. Das ist ihm unheimlich, er verschwindet durch die dunklen Gassen, verfolgt von der verführerischen Nadja, und vor ihm steht plötzlich auch noch Irma, wohin, Seitengasse rein, Treppe runter, es wird alles total gruslig für ihn. Derweil dringt Irmas böser Mörder-Helfershelfer bei ihm zuhause ein und killt seine Frau. Als nun der Herr Neurologen-Scientiest zuhause ankommt: Erstmal Schock. Einbruch, Mord! Raus auf die Straße, ein Taxi rufen, da kommt es schon, am Steuer niemand anderes als der Mörder! Mit einer Gasmaske, sprich: eine Art Mundschutz mit Schlauch, während er in die Fahrerkabine das tödliche Gas strömen lässt, und die Polizei wieder einmal vor einem Rätsel steht. Wir nicht: Selbstverständlich muss mit Gas getötet werden, wir erinnern uns: All dies spielt in Deutschland.

Die Deutschen, die bösen Nazis: Die sind auch Schuld am nächsten Film. "Frankenstein, der Schrecken mit dem Affengesicht" ist ein japanischer Monsterfilm von 1965, der erste derartige Film mit Bezug zu Frankenstein, und zwar auch inhaltlich, während spätere Pseudo-Nachfolger im Godzillamodus sich nur noch den Titel leihen, um irgendwelche Schreckensassoziationen zu wecken. Nein: Hier sind es die Deutschen 1944, die Frankensteins unsterbliches Herz einem Wissenschaftler entreißen, die Gestapo darf alles, und per U-Boot nach Japan verschiffen. Der Fernost-Verbündete nämlich will die Unsterblichkeit der Zellen dieses in seiner Proteinflüssigkeit schlagenden Herzens erforschen, um damit doch noch den Krieg zu gewinnen. Der Wissenschaftler in der japanischen Forschungsanstalt zeigt uns noch dieses schlagende Herz, dann ein einsamer Bomber hoch oben am Himmel, eine Explosion, eine zerstörte Stadt: Mist, dass Frankensteins Herz ausgerechnet Anfang August 1945 in Hiroshima landen muss!

15 Jahre später leistet ein amerikanischer Mediziner Abbitte in der Klinik und Forschungseinrichtung für Strahlenschäden, er hatte damals mitgebaut beim Manhatten Project, jetzt verrichtet er tätige Wiedergutmachung. Und ihm läuft dieser merkwürdige obdachlose Junge über den Weg, der durch die Gegend streift und Hühner stiehlt: Es ist Frankenstein, wiederauferstanden, persönlich – sprich eigentlich: Frankensteins Monster, aber um der Prägnanz willen wird dieser Sachverhalt hier durchgehend und konsequent verkürzt dargestellt. Egal. Bei einem Strandausflug sehen wir den Jungen mit dem verwulsteten Kopf wieder – der Dr. Bowen nämlich macht sich an Dr. Sueko ran, seine hübsche Kollegin, und die geht mit voller Empathie auf den wilden Jungen ein, der sich verängstigt in den Höhlen der Steilküste versteckt und Zutrauen findet zur Ärztin, die für ihn eine Art Mama wird.
Offenbar ist er aus dem unsterblichen Herzen entstanden, und er ist auch selbst unsterblich, und er wächst und wächst immer weiter, bis er fast seinen Verschlag im Keller sprengt. Klar, dass er kein Blitzlicht oder Scheinwerfer mag, welches Monster hat das schon gerne. Ein ungeschicktes Fernsehteam ärgert ihn damit, er reißt sich los, es gibt die ersten Toten, das Militär wird auf den Plan gerufen, dass er eigentlich ganz lieb ist, weil keiner hören. Das Riesenmonster zieht sich in die Wälder zurück, ins Gebirge, da, wo es schön kalt ist. Und dafür haben die Wissenschaftler auch eine Erklärung: Er mag das kalte Klima, weil's in der Heimat von Frankensteins Herz, in Frankfurt nämlich, auch immer so kalt ist.

Jedenfalls ist das Problem, dass auch noch ein anderes Monster auftaucht. Zuerst bei einem Erdbeben, bei dem diverse Bohrinseln umfallen, da lugt es aus dem Erdspalt. Später zertrampelt es einige Dörfer, und die Tänzer bei der Beat-Musik-Party müssen ganz schön rennen. Das Ende vom Lied: Riesen-Frankenstein-Monster gegen die Riesenechse, jawohl: Die Echse, die wir schon beim letzten Grindhouse-Tag kennengelernt haben, Baragon, dieses böse Reptil. Das kann nun für diesen Film nicht mehr tödliche Regenbögen aus seinem Rücken aussenden, und es hat seinen Kälteatem durch Feuerstöße ersetzt, wie es sich für ein echtes Drachentier gehört: Aber das ist ja wurscht, letztendlich. Wichtig ist, dass es nicht allzu spannend und aufregend wird, und deshalb weiß der Zuschauer immer schon vorher, wann irgendein Monster auftauchen wird: Dann nämlich, wenn die Kamera über Modelllandschaften blickt, schönes Spielzeugland aus dem Hobbykeller, wo ein Plastikkeiler im Gebüsch wackelt und ein Plastikpanzer durch die Wälder kriecht. Ja, wenn man objektive Maßstäbe anlegt, ist dieser Film, inszeniert immerhin von "Godzilla"-Schöpfer Ishiro Honda, technisch ziemlich scheiße. Aber dafür ist im ganzen Film andauernd etwas los, und es ist auch lustig, die Japaner – zu sehen war die Originalfassung – das Wort "Frankenstein" aussprechen zu hören.

"Truck Turner": Da ist die Sprache wirklich auch wichtig, denn bei Blaxploitation kommts auf den Ton an, der die Slangmusik so richtig zum Klingen bringt. Insbesondere, wenn Isaak Hayes, sonst eher als Komponist und Sänger auf den Tonspuren entsprechender Filme präsent – "Shaft" zum Beispiel –, hier auch die Hauptrolle übernimmt. Das ist ja auch OK, man hört ihm ja gerne zu. Das Problem ist, dass er in diesem Film zusammen mit seinem Kumpel viel zu viel rumlabert, wie Kumpels es halt so tun; und dass darüber die Ermittlungen – die beiden sind Kopfgeldjäger, die es auf Kautionsflüchtlinge abgesehen haben – erstmal zur Nebensache werden. Bis dann endlich, endlich die erste Verfolgungsjagd in die Gänge kommt, der Gangster flieht in seinem schönen rosafarbenen Straßenkreuzer, und hat nur das Problem, dass er nicht Autofahren kann. Erst rammt er auf dem Gehsteig einen Einkaufswagen voller Bagels, den ein Rabbi vor sich herschiebt, dann kreuzen auch noch zwei Dussel mit ihrem Blumenstand die Straße, und rumms! Das leere Ölfass eines Obdachlosen geht auch drauf, bevor er in seiner Doofheit den Wagen vollends demoliert – ein Heidenspaß. Zu Fuß geht’s weiter in die Kläranlage. Er entkommt. Der Film führt dann, nach einiger weiterer Laberei, zu einer Schießerei am Haus des Bösewichts, Truck Turner und Partner ballern rum, der Pimp Gator ballert zurück, schließlich ist er tot. Und seine Braut, eine Weiße (!), attackiert nackig Turners Partner. Das einzige Mal im Film, dass wir Nacktheit sehen, eine verwunderliche Zurückhaltung, denn im weiteren gäbe es viele Möglichkeiten, die ein anderer Regisseur nicht ungenutzt hätte verstreichen lassen: Gators Witwe nämlich erbt jetzt dessen Nutten, versammelt noch auf der Beerdigungsfeier die Pimp-Kollegen, führt den Wert ihrer Mädels vor: die eine ist für 37 000 Dollar im Jahr gut!, um dazu zu verlocken, den Göttergatten zu rächen. Ah, wir haben es hier aber mit Truck Turner zu tun, wehren die Pimp-Helden ab, sichtlich vor Furcht und Schrecken schlotternd, und hier kommen wir auch dem Grund auf die Spur, warum der Film so lange keine Fahrt aufnehmen wollte. Weil Truck Turner in seiner Isaac Hayes-Inkarnation ein Mann ohne Eigenschaften ist; solche freilich braucht ein Blaxploitationheld nun mal. Klare Kante, Charisma, Härte und Weichheit in dynamischem Verhältnis, das die Weiber anzieht und die Kerle abschreckt. Das alles wird standesgemäß behauptet – hihi, wie sich im Schönheitssalon alle bitches nach ihm umdrehen…! –, aber zu spüren ist es nie, weil diese Behauptungen nie von Turner selbst ausgehen.

Aber wurscht! Denn von diesem Zeitpunkt an sind Fragen der Charakterisierung eh egal, jetzt geht es darum, tödliche Anschläge zu verhindern, Attacken zurückzuschlagen, und vor allem den Obermotz der Gangster, Blue, zu bändigen, der eine Killerbrigade einsetzt. Höhepunkt: Eine heftige Schießerei im Krankenhaus, Ärzte und Patienten liegen als Kollateralschäden blutend in den Korridoren, es geht schießend durch einen OP-Saal, und wer zählt all die Toten, die dadurch entstehen, dass ihre Bluttransfusionsbeutel zerschossen werden! Das Besondere an der Szene ist, dass sie wirklich unter die Haut geht, weil sie knallhart gefilmt ist (was wir in anderen Sequenzen des Films vermisst haben), da geht es richtig zur Sache, wenn Blue auch noch einen halb betäubten, richtig kranken kleinen Jungen als Geisel nimmt! Schließlich, im Ausgangsbereich der Klinik, wird er doch erschossen, und tödlich getroffen rappelt er sich wieder auf, schreitet weiter, dem Rufe des Jenseits trotzend, hin zu seinem Auto: Ein würdiger Abschluss für die Schießerei, weil hier der beinahe naturalistische Habitus all der heftigst Verwundeten im Krankenhaus wieder in die überzogenen, aber nicht übertriebenen Sphären des Genrefilms gehoben werden.

Jedenfalls hat Truck Turner, auch das lustig, seine Freundin, die er so sehr liebt, beiseite schaffen lassen, um sie zu schützen nämlich, und ihr einen Ladendiebstahl untergeschoben, weil er wusste, dass man's auf ihn abgesehen hat. Geht mit ihr shoppen, lässt ein paar Parfumflakons in ihrer Handtasche verschwinden, grinst der misstrauischen Verkäuferin dabei schelmisch zu, informiert dann den Wachmann. Und schafft es am Ende, wenn sein wütendes Girl aus dem Gefängnis wieder raus ist, ihr Herz doch wieder zu gewinnen, mit einer süßen Miezekatze, die er ihr schenkt.

Mit einem Katzentier geht es weiter. Mit einem großen bösen Löwen – der ist auf das Trikot von Chuck aufgedruckt, der ist Martial-Arts-Meister im Stall von Rey, er ist der Gladiator, der immer überlebt, und gleich zu Anfang sehen wir einen seiner Kämpfe auf Leben und Tod, und zack, ist sein Gegner durchbohrt. Die Zuschauer in der Kampfarena jubeln. Und eine junge hübsche Frau, die den Kampf fotografiert hat, wird entführt, wir werden sie später als Leiche wieder sehen. Denn dies ist die Geschichte von ihrer Schwester Susanne, die sie suchen und rächen will. Und es ist die Geschichte von weißen Menschen, die auf den Philippinen fernöstliche Kampfkunst ausüben, weil wir es bei "Firecracker" mit einem west-östlichen Kampffilm zu tun haben. Aus der Roger Corman-Schmiede, in vertrauensvoller Kooperation mit dem einschlägigen philippinischen Filmer Cirio H. Santiago, der weiß, wo's lang geht.

Interessant hierbei die Grundkonstellation: Auf der einen Seite natürlich die Gute, die Karatekämpferin mit sechsfachem schwarzem Gürtel, die in einer Kneipe ein paar Verbündete um sich versammelt, weil es halt immer wieder zu Schlägereien kommt und sie dabei den Richtigen hilft (nämlich denen, die keine Schlitzaugen haben). Auf der anderen Seite aber gibt's nicht einfach die Organisation der Bösen, die irgendwie ihr Gladiatoren- mit Rauschgift- und Mordgeschäften verquickt haben. Nein: Unter dem Oberschurken Rey bekämpfen sich auch dessen beiden rechten Hände (ähm, ja, so muss man's sagen): Chuck und Grip nämlich, die Rey in genau ausbalancierter Konkurrenz zueinander hält, so dass sie sich gegenseitig in Schach halten. Und so wird das dann auch dramaturgisch interessant, weil verschiedene Frontlinien möglich sind. Vor allem, weil Chuck sich heftig an Susanne ranmacht, und die lässt sich darauf ein, teilweise aus ermittlungstaktischen Gründen, teilweise wegen richtig echter Emotionen.

Es ist eine schöne Mischung aus kaukasisch-weißen Menschen und Philippo-Einheimischen, die der Film bietet, mit einer Menge Kämpfe, sehr nett, durchaus lustig. Aber vor allem zwei Szenen machen den Film aus, die sind so außergewöhnlich, so unvergesslich… Einmal eine Liebesszene zwischen Chuck und Susanne. Er posiert gerade mit zwei Schnappmessern vor dem Spiegel, wie wir alle es ja gelegentlich tun, als sie ihn besucht. Im Schlafzimmer dann zieht er sie aus. Und zwar mit den Schnappmessern. Das Hosenbein hoch, dann das andere, dann den Stoff wegreißen, dann die Unterhose, die Oberbekleidung – nun ist sie nackt, und er könnte über sie herfallen: Doch dies ist kein gewöhnlicher Film mit einer gewöhnlich passiven Frau. Nein: Susanne schnappt sich nun die Schnappmesser; und sie schlitzt ihm das Hosenbein auf, bis hoch, bis fast zur Kastration, und das macht ihm Angst, und das macht ihn an, und die beiden ficken, wie sie noch nie zuvor gefickt haben.
Dies ist die eine Szene, in der wir die schöne blonde Heldin nackt sehen.
Die andere Szene hatte sich zuvor schon zugetragen, und sie hat absolut gar nichts mit der sonstigen Handlung zu tun. Im Abspann ist auch von "additional scenes", gedreht von einem anderen Regisseur, die Rede – dies muss die eine davon sein, wahrscheinlich ist die Sex-Szene die andere. In dieser Szenen nun wandert Susanne in hochhackigen Stiefeln die Straße entlang und wird von zwei üblen Burschen – nein, keine Schlitzaugen! – übel angemacht. Sie tippelt schnell weg. Die Männer folgen ihr. Sie flieht in eine Seitengasse, durch einen Maschendrahtzaun – wo sie mit ihrem Abendkleid hängen bleibt. Ratsch, isses ab. Im Unterrock geht es weiter in eine Werkstatt, wo ein älterer Wachmann wacht. Den macht die Dame auf ihre Verfolger aufmerksam, mutig stellt er sich ihnen in den Weg, sie schubsen ihn aber dummerweise auf einen Haken, der auf dem Boden rumliegt, treten nochmal auf ihn drauf, und er hat seinen letzten Atemzug getan. Nun also: Die halbnackte Frau gegen zwei geile Männer. Und sie kämpft, das kann sie ja, und beim Kampf geht natürlich Fetzen für Fetzen die Kleidung flöten. Nun hat der Filmemacher natürlich ein Problem. Eine Kämpferin in BH und Unterhosen kann man ja kaum noch weiter auf "natürliche" Weise ausziehen. Ein glänzender Ausweg: Einer der Gegner greift nach einer Sichel, mit der er ihren BH zerschlitzt. Nachdem sie nämlich seinen Kumpel in eine Kreissäge hat laufen lassen.
Dass es am Ende gut ausgeht, ist klar. Und wir sehen mal wieder, wie wichtig der Selbstverteidigungskurs der Volkshochschule ist, für den man im Übrigen, kleiner Tipp von mir, nicht zu weite Kleidung anziehen sollte.

Ganz, ganz besondere Freude versprachen die Abendfilme. Die nämlich wurden in 35-Millimeter-Kopien gezeigt, standesgemäß, so wie damals, mit allen Kratzern und auch mit einem richtig echten Filmriss. In der Szene einer Live-Sex-Show auf der Bühne, die der Mann besucht, der soeben vom Film in einer langen Fahrt subjektiver Kamera als möglicher Killer eingeführt wurde. Wobei seine Blicke nicht nur der Fickvorführung gelten, sondern auch der notgeilen Tante, die ein paar Sitze weiter hockt und einen Diktiergerät-Kassettenrecorder mitlaufen lässt: Wieder eine neue Figur, die uns hier begegnet, ziemlich pervers, die nämlich von ihrem Männeken alle Freiheiten bekommt, vor allem natürlich in sexuellen Dingen, diese ihm aber berichten muss – er sammelt all ihre bei diversen Sexabenteuern aufgenommenen Minikassetten…
Nicht der Killer!
Und natürlich könnte sie auch in diesem Serienkiller-Fall mit drinhängen, ebenso wie der schwule, schachspielende Psychiater, den die Polizei hinzuzieht. Oder dieses eine Opfer, das dem quakenden Killer entkommen ist; oder deren Freund, der sie in einer Alptraumsequenz bedroht. Hier legt der Regisseur geschickt Verdachtsmomente aus, zwischendurch werden junge Frauen aufgeschlitzt. Der Kommissar ist von seinem Beruf ziemlich angekotzt, und eine alte Frau, Zimmerwirtin eines der Opfer, plappert munter drauflos, ja, es gibt auch komische Momente!
Doch wollen wir hier aus Gründen der Staatssicherheit weder Titel noch Regisseur dieses Manhattan Murder Mystery nennen; zumal dieser Film vor vielen, vielen Jahren schon einmal in der Grindhouse-Reihe gelaufen ist, wenn auch nicht in 35 Millimeter – was uns die Hoffnung gibt, in sieben, acht Jahren wieder diesem Schlitzer übern Weg zu laufen.

Anders wird es wohl sein mit dem letzten Film, "Im Fieber der Lust", einem seltenen Kleinod aus den kanadischen jemals wieder irgendwo zu sehen sein wird… Aber zunächst von vorn. Wir besuchen, zusammen mit dem distinguiert wirkenden Herrn Walter Dorland, eine Varietéshow mit einem Hypnotiseur, der Frauen dazu bringen kann, dass sie mit der Pistole auf eine Zielscheibe schießen. Und dann treffen wir auf Miklos. Ein vollkommen irrer Triebtäter, zig Vergewaltigungen, immer wieder Gefängnis, immer wieder Resozialisierungsversuche. Wie nun auch hier im Park, wo sich die junge Sozialarbeiterin so um ihn bemüht. Doch wir sehen die Welt mit seinen Augen. Titten, Ärsche, die Kamera, nein: Miklos hat nur sie im Visier. Und was für ein kurzer Rock die Frau Sozialhelferin hat. Ein kleiner Spaziergang vielleicht? Und am See fällt er über sie her, reißt ihr die Kleider runter und macht sich ans Bumsen. In ihrem Helfersyndrom scheint es der Dame gar zu gefallen…

Jetzt ist dieser Anfang natürlich eines dieser schäbigen Beispiele von lustvoller Verquickung von Sex und Gewalt, um auf die niedereren Instinkte der Zuschauer zu zielen. Doch dieser Eindruck führt, wie der weitere Film zeigt, in die Irre. Vielleicht ist er nur geschuldet einer etwas amateurhaften Herangehensweise? Stets hat man den Eindruck, als hätte ein Filmemacher am Wochenende seine Freunde dazu angehalten, diese Story zu drehen; vielleicht war's ja auch so. Teuer jedenfalls kanns nicht gewesen sein.
Doch man muss auch eine gewisse Grundhaltung konstatieren, die in den immer wieder eingeschobenen Nacktheitsszenen zu finden ist: Denn niemals ist die Kamera von sich aus voyeuristisch; niemals nimmt der Zuschauer direkt die Rolle des Spanners ein. Sondern, im Gegenteil: Stets werden die nackigen Frauen von irgendeinem Typen beobachtet, und der hat nichts Gutes im Sinn. Die unmoralischen Bösewichter blicken lüstern auf Frauenkörper: Der Blick der Kamera auf den weiblichen Leib wird dadurch böse, und wir, die Zuschauer, geraten mittenrein in die Lust des Voyeurs einerseits, in die Konnotation mit dem Psychopathisch-Gewaltsamen andererseits. Beispiel: Walter, der Zuschauer bei der Hypnoseshow, lädt den Meister zu sich ins Büro und lässt ihn seine Kunst vorführen – an der Sekretärin, mit der er übrigens ein Verhältnis hat. Und unter Trance muss sie sich ausziehen bis auf Straps, mit sadistischer Lust lockt Walter sie in eine höchst peinliche Situation, und den Hypnotiseur gleich mit, der hier als Werkzeug benutzt wird. Denn er wird gegen einen anständigen Geldbetrag auch Miklos hypnotisieren; und der wird fortan Walter hörig sein.

Und in diesem Moment schließt sich der Film all den großen Vorbildern an, aus der Zeit der dämonischen Leinwand der 20er Jahre mit all ihren Caligaris und Mabuses; und an die große Zeit des Film Noirs, mit all den betrügerischen Ehemännern und ihren finsteren Plänen. Wir als Zuschauer müssen dem Bösen folgen in diesem Film: Walter hat es geschickt eingefädelt, seine nervende Ehefrau loszuwerden, die entweder die teure Scheidung fordert oder ihn bei der Polizei wegen diverser Rauschgiftgeschäfte anschwärzen will. Miklos hat er sich ausgeguckt; den Hypnotiseur; und seine Frau aufs Wochenendhaus ins Nirgendwo geschickt, nach der Dienstreise nach Montreal wird er nachkommen… Und, so der Plan, eine vergewaltigte und ermordete Ehefrau vorfinden, von Miklos geschändet, allerdings, und das ist der Trick: auf Walters hypnotischen Befehl hin. Karawanda heißt das Zauberwort: Darauf wird Miklos alles tun, was Walter will.
Und wie Miklos sie beobachtet, sein Opfer, das im Wochenendhäuschen sich einrichtet, während Miklos draußen lauert. Das am See sich nackt sonnt; das sich abends fürs Bettchen zurechtmacht – wie glüht seine Lust, wie steigen seine Säfte! Das ist von Rudi Dorn, österreichstämmiger Filmregisseur, der laut IMDB kaum was gedreht hat, wirklich ziemlich subtil, aber wirkungsvoll inszeniert, wie überhaupt der Film immer beklemmender wird, den Zuschauer immer tiefer in den moralischen Morast treibt, der sich da auftut…

Und nun stelle man sich vor, Dorn hätte nicht die einfache, helle Ausleuchtung genommen, sondern die Licht-Schatten-Spiele von Jess Francos "Dr. Z.", hätte dessen zwar recht simple, aber schön schräge Kamerawinkel angewandt – wäre dann dieser Film vielleicht als spätes Noir- bzw. frühes Neo-Noir-Meisterwerk gefeiert worden?


Harald Mühlbeyer