Grindhouse-Nachlese März 2015: Freudstein und Krokodilgöttin
Cinema Quadrat, Mannheim, 19. März 2016
"The House by the Cemetary" / Quella cilla accanto
al cimitero" / "Das Haus an der Friedhofsmauer", Italien 1981,
Regie: Lucio Fulci.
"The Devil's Sword" / "Golok Setan",
Indonesien 1984, Regie: Ratno Timoer
Ich muss mich entschuldigen. Das Urteil, das ich über dieDezember-2011-Aufführung von "Das Haus an der Friedhofsmauer" gefällt habe, war zu harsch. Wiewohl natürlich zutreffend, dass Fulci in seinem
Haunted-House-Horror das Erwart- und Vorhersehbare bietet, mitsamt einem
Keller, der alle anzieht, so dass irgendwann jeder, auch wider besseres
Wissens, hinunter muss, hinunter zu diesem uralt-totlebendigen Monster… Und
jawoll, es passt alles nicht so recht zusammen, wenn man es in eine logische,
vor allem kausale Reihenfolge bringen wollte. Aber wer will das schon (außer
meinem eigenen Ich von vor fünf Jahren)?
Nein, wenn man den Film (wieder)sieht, muss man auch
anerkennen, wie geschickt Fulci mit all seinen Versatzstücken spielt. Das geht
am Anfang los, als wir dieses unheimliche Haus sehen mit Friedhofskreuzen
drumrum, und weil wir vom Filmtitel fehlgeleitet wurden, denken wir, es geht um
den Friedhof, mithin vielleicht um Zombies, aber nein: Im Haus haben wir zwar
eine halbnackte Dame, die postcoital ihren Geliebten sucht, der in den
labyrinthischen Zimmern verschwunden scheint, und wir haben unheimliche
Geräusche und wir haben eine schrecklich zugerichtete Leiche und einen bösen
Angreifer mit ledrig-halbverwestem Arm, der ihr ein Messer durch den Hinterkopf
bis vorne aus dem Mund raus durchs Hirn stößt – aber kein Zombie, nein.
Und wir
springen in eine bürgerliche Wohnung mit einem Schwarzweiß-Foto an der Wand,
das eben jenes Haus zeigt, und hinter dem Vorhang im Fenster dieses Hauses –
ist das ein Mädchen mit warnend erhobener Hand? Und der acht-, neun-, höchstens
zehnjährige Bob starrt auf dieses Foto, und er hört die Stimme des Mädchens, er
soll bloß nicht in dieses Haus ziehen… Aber genau das haben seine Eltern vor.
Weil der Papa nämlich Wissenschaftler ist und – was für 'ne Quatsch-Prämisse!
–die Forschungen seines Mentors fortsetzen will, der in diesem Haus verrückt
wurde, seine Freundin killte und sich selbst erhängte. Das ist
wissenschaftlicher Einsatz!
Kurz und gut: Abfahrt. Unterwegs sieht Bob wieder seine
junge Freundin, die aus dem Foto, und bekommt von ihr eine grässliche große
Puppe. Die Maklerin ist mehr als seltsam, aber das haben Immobilienmakler so an
sich. Das Mädchen sehen wir später vor einem Schaufenster mit Kleiderpuppen,
Papa, Mama, Kind, und der Frauenpuppe fällt der Kopf ab, ein blutiges Gemetzel,
die Special-Make-up-Leute haben hier ihr Bestes getan: Wahrscheinlich, weil das
Setup des Films so langsam vor sich geht, dachte Fulci, ein bisschen Blut und
Innereien, die aus einem Hals quellen, können nicht schaden. Auch, wenn’s nur
eine Schaufensterpuppe ist. Im Haus taucht eine Babysitterin auf, mit
Augenbrauen so dick wie Holzbalken, an denen man sich aufhängen könnte; und
während Bob mit seiner Geisterfreundin im Garten um die Grabsteine herum Fangen
spielt oder auch mal "Shining"-mäßig sein ferngesteuertes Autochen
durch die Flure rasen lässt, während der Herr Wissenschaftler allerhand
Geheimnisse um den mysteriösen Mr. Freudstein herausfindet, der früher mal in
diesem Haus gewohnt hat, entdeckt die Frau Mama oben im Herrenzimmer eine
Grabplatte. Irgendwann schleicht die Maklerin durchs Haus, bricht in dieser
Grabplatte ein, kann ihren Fuß nicht befreien und etwas unheimlich Böses kommt
auf sie zu. Sticht ihr in Titten und Hals und schleift die blutige Leiche in
den Keller. Am nächsten Tag wischt die Babysitterin das Blut weg, als sei
nichts gewesen. Sie ist aber gar nicht böse! Nein, sie befindet sich nur
ebenfalls im Bann dieses Kellers, dessen Tür verrammelt und kaum aufzukriegen
ist, alle sind von diesem Keller angezogen, und er ist sooo unheimlich!
Und an diesem Punkt zeigt sich Fulcis Meisterschaft. Weil's
nämlich nie um eine stringente oder konsequente Handlung geht, sondern um die
Stimmung, die er heraufzubeschwören vermag. Und da sitzen wir und staunen über
die Kameraarbeit, wenn die Mama in der Küche steht, nicht weiß, was vor sich geht,
die Kamera dann von ihrem Gesicht spiralförmig im Kreis nach obensteigt, um
auch noch die Kellertür einzufangen in diesem Bild, aufgenommen direkt neben
der Deckenlampe. Jawoll, darum geht es: Dass eine Geschichte, so doof sie ist,
gut erzählt wird! Und das tut Fulci hier, mit all dem zusammenhanglosen
Quatsch, der dann eben doch in eine Spur findet, einer nach dem anderen geht in
den Keller und wird gemetzelt, und hier dürfen dann auch die Jungs vom Make up
wieder ran, wenn aus dem Bauch des Monsters nach einem Messerstich madendurchsetzter
Durchfall quillt.
Der Junge übrigens – Darsteller Giovanni Frezza war damals
neun Jahre alt! – steht daneben, und mal ehrlich: Hat er da nicht einen Knacks
fürs Leben bekommen? Und das nur, weil Frezza einer der seltenen knallblonden
blauäugigen italienischen Jungs ist, die man finden konnte, noch dazu hat er
eine seltsame Kopfform, der Schädel riesig gegenüber dem kleinen Gesicht, dafür
große Augen und runde Bäckchen. Seine Freundin, das Geistermädchen, ebenfalls
gesegnet mit überdeutlichen Kindchenschema-Merkmalen, fast schon grotesk. Wie
überhaupt alle im Film irgendwie schräg aussehen, type-casting eben, um die
Wirkung der Bilder zu verstärken… Um die geht es schließlich, das gelingt Herrn
Fulci.
Meine Ungnade vor fünf Jahren lässt sich – neben meiner
Persönlichkeitsreifung – vielleicht auch damit erklären, dass die Rezeption
eines Filmes immer relativ steht, zumal, wenn gleich darauf ein weiteres
Filmwerk gezeigt wird. Und wenn dieser Bezugspunkt ein japanischer Atom-Mystik-Thriller
ist wie "The Curse of the Dog God", zumal im Fukushima-Jahr
brandaktuell: Dann ist die Latte höher gelegt als heuer bei einer indonesischen
Quatschpampe wie "The Devil's Sword". Ja, da sieht man mal wieder, zu
welch unterschiedlichen Einschätzungen man kommen kann! Fulci mischmascht
Motive des Horror- und Gruselkinos zusammen, und es passt doch irgendwie alles
unter einen Hut (an dessen Seiten Blut rausquillt). Ratno Timoer, der in diesem
Film so etwas wie Regie zu führen behauptet, haut dagegen alles auf eine Art
zusammen, bis nur noch ein Haufen Sperrmüll übrig bleibt. Aber andererseits:
Wer wühlt nicht gerne in anderer Leutes Sperrmüll!
Am Anfang sehen wir einen Proto-Gandalf auf einem Berg bei
der Meditation. Ein Meteor crasht ins Gebüsch. Der brennende Dornbusch hat es
in sich: Unser Gandalfimitat schleppt einen Klumpen geschmolzenes Metall in
seine Bambushütte, die ihm nebenbei als Schmiede dient (wie es eben so ist auf
dem Dorf), und er kloppt sich etwas zusammen, was wir im weiteren Verlauf des
Films als absolutes Superschwert kennenlernen sollen. Nach einem Vorspann, der
immer wieder reichlich bekloppt einen Opferungsritus unterbricht, geraten wir
ins Unterwasserreich der Krokodilsgöttin, der gerade ein junger Mann gebracht
wird, als Götzengabe von der Dorfbevölkerung über die Klippe geschubst.
Interessant hierbei: Göttin inklusive ihrer Ehrenjungfrauen/Priesterinnen/Ministrantinnen
(wozu braucht dieses notgeile Weib überhaupt weibliche Gefolgschaft?) sind nur
dann nackig, wenn man sie von hinten sieht. Steht die Kamera vorne, haben se 'n
Bikini an. Da wird die Zensur aber schön an der Nase rumgeführt!
Jedenfalls ist die Unterwasserkönigin total geil auf
frisches Männerfleisch. Ihre sechs, sieben Diener dürfen sie von Kopf bis Fuß
ablecken, aber das reicht ihr so wenig wie die regelmäßigen Opfergaben. Nein,
sie will mehr, sie will diesen Typen, der jetzt gerade dieses Mädel heiraten
will! Und mit ein bisschen Zauber lässt sie Banjujaga erscheinen, uh, ein böser
Halbgott, der auf einem Felsen (!) herumfliegt und im Dorf landet und hier alle
massakriert. Dieses Massakrieren ist aber die Schuld des Dorfältesten, der sich
weigert, den Bräutigam rauszugeben: Wenn die Krokodilsgöttin alle jungen Männer
raubt, wird das Dorf aussterben! Also weigern wir uns und werden dafür alle
getötet! Ist halt so'n Ding mit der Logik. Gegen die Martial Arts-Künste von
Banjujaga kann keiner antreten, am ehesten noch die Frau Braut, die ihm
ziemlich zusetzt, weil sie nämlich viel stärker ist als ihr weichlicher
Bräutigam. Auf einem edlen Pferde reitet schließlich Mandala daher, auch ein
Halbgott, aber auf der guten Seite der Macht, dann Kampf, aber trotzdem Verlust
des Bräutigams. Der steht nun im Bann der Krokodilsbraut und fickt sie nach
allen Regeln der Kunst (außerhalb des Bildrahmens).
Die Krokodilskönigin lässt im Übrigen nicht locker mit ihrem
lebenden Dildo, aber auch sie kriegt ihr Teil. Weil hier in der
Unterwasserhöhle wird dann auch gekämpft. Der Zeremonienmeister mit seinem
langen Stock (der aber nie beim Rummachen mit der Göttin erwischt wird) haut
kräftig mit drauf, der Bräutigam, unter göttlicher Hypnose, muss erlöst werden,
eine Krokodilsstatue spuckt Feuer und Laserstrahlen. Die Göttin langt kräftig
zu mit ihrem roten Schal. Habe ich erwähnt, dass alles sagenhaft scheiße
aussieht? Das ist natürlich das tolle daran, und hui, fliegen da die Leute
durch die Luft, kloppen sich wie blöde, und wofür das ganze? Damit die
indonsesische Filmwirtschaft auch mal was zum Vorzeigen hat! Und jawohl: Die
80er-Jahre-Frisuren sitzen, das Blut spritzt, und man hat auch irgendwoher ein
Bluescreen-Studio gefunden für die ganz aufwändigen Aufnahmen. Dass am Ende aus
einem Holzkäfig Kannibalen ausbrechen und herumwüten, darf keinen mehr wundern.
Harald Mühlbeyer