Berlinale-Retro 2025: „Blutiger Freitag“ von Rolf Ohlsen
„Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“ – so hieß die Retrospektive der Berlinale 2025. Harald Mühlbeyer hat sich alle Filme angesehen…
„Blutiger Freitag“
BRD 1972, Regie: Rolf Ohlsen, mit Raimund Harmstorf, Amadeus August, Chrstine Böhm, Gianni Macchia, Ernst H. Hilbich, Renate Roland, Walter Buschhoff, Gila von Weitershausen
Beim Wiedersehen von „Blutiger Freitag“ wird man wieder gefangen von der Drastik, die der Film ausstrahlt, von der Gewalt, die Raimund Harmstorf als Heinz Klett ausstrahlt, der ja geradezu eine Ikone des Bösen im deutschen Genrefilm geworden ist.
Klett, der mit nihilistischem Zynismus vorgeht, brutal im Klo des Gerichts seine Wärter zusammenschlägt – sich am Klotürrahmen hochzieht und mit beiden Beinen den alten Mann zusammentritt, dem anderen den Kopf dreimal gegen die Fliesen schlägt –: Seine Figur, ein Unikat im deutschen Kino, fällt immer wieder gegen ein paar Unzulänglichkeiten des Films, die in einem vollen Kinosaal der Berlinale-Retro gelegentlich zu Lachern wegen unfreiwilligen Trashmomenten führt. Etwa die Masse Blut am Wärter, die an seinem Gesicht herunterlaufen, knallrot in der restaurierten Filmfassung; oder wie er theatralisch wegknickt, nachdem er zwischen den Pissoirs die Wand runter zu Boden gerutscht ist.
Wobei dies natürlich ein Mäkeln auf höchstem Niveau ist – einem Film von Franz Josef Gottlieb würden solche Moment noch guttun, weil sie von all dem freiwilligen Mist, den Gottlieb so verzapft, ablenken. Hier, bei Rolf Ohlsen, fallen sie angesichts der krassen Konsequenz, mit der der Film voll durchzieht, eher auf. Das Sterben, das immer wieder vorkommt und viel zu sehr drüber gespielt ist, oder die zarte Romanze zwischen dem blonden Christian – einer aus Kletts Bande beim Banküberfall mit Geiselnahme – und der Kaufhauserbin, wertvollstes asset im Kreis der Gefangenen – naja, das sind halt die eher runterziehenden Elemente…
Klett hat alles ausgeklügelt, der Plan ist bombensicher, glaubt er. Er hat seinen Komplizen sozialrevolutionäre Phrasen mitgegeben, die nun vom Roboterbetrieb im Kapitalistenstall reden, während er ihre sklavenhalterische Lohnarbeit runtermacht. Dieses Motiv des Films, sozusagen das soziologische Moment, was die Motivation von Verbrechen angeht, ist wunderbar eingeflochten, nicht zu stark, aber leitmotivisch immer wieder. Auch in der vox populi-Sequenz, die wahrscheinlich echt dokumentarisch gedreht wurde, und in der die ganz normale Bevölkerung angesichts der Gewalt von Banküberfällen – im Film werden Köln, Ludwigshafen, vor allem der Überfall in der Prinzregentenstraße in München 1971 erwähnt – vehement die Todesstrafe fordern.Heinz Klett aber, der steht über irgendwelchen Überlegungen zu Klasse, er will Kasse machen. Hemmungen: Null, Rücksicht: Null lautet sein Motto, danach verhält er sich auch. Und wie der Film ihn inszeniert, gewaltvoll und super männlich! Ohlsen stellt seine Maskulinität offensiv heraus, ganz in Kletts Sinne, aber ohne seine Haltung zu beschönigen oder gar zu vertreten: Wie Klett seine Blicke über eine der Geiseln schweifen lässt, und im Umschnitt sein mächtiges Gemächt in der engen Lederhose die Leinwand füllt!
Es geht um Zeitgeschichte, sowohl was die Kriminalität als auch, was die gesellschaftlichen Umbrüche der Nach-68er-Zeit angeht, und es geht darum, dass Raimund Harmstorf eine unglaubliche, neue Figur ins deutsche Filmschaffen etabliert, die an nichts glaubt, aber alles will. Egal, was es kostet.
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Hilbig hinten rechts... |
Harald Mühlbeyer
Die weiteren Filme der Berlinale-Retrospektive 2025 „Wild, schräg, blutig. Deutsche Genrefilme der 70er“:
„Deadlock“ von Roland Klick
„Einer von uns beiden“ von Wolfgang Petersen
„Fleisch“ von Rainer Erler
„Fremde Stadt“ von Rudolf Thome
„Hut ab, wenn du küsst!“ von Rolf Losansky
„Jonathan“ von Hans W. Geißendörfer
„Lady Dracula“ von Franz Josef Gottlieb
„Mädchen mit Gewalt“ von Roger Fritz
„Männer sind zum Lieben da“ von Eckhart Schmidt
„Nelken in Aspik“ von Günter Reisch
„Nicht schummeln, Liebling!“ von Joachim Hasler
„Orpheus in der Unterwelt“ von Horst Bonnet
„Rocker“ von Klaus Lemke
„Die Zärtlichkeit der Wölfe“ von Ulli Lommel