exground 09 - Trash aus dem Hause Buttgereit: CAPTAIN BERLIN VS. HITLER

Der Ansturm auf Jörg Buttgereit und Thilo Gosejohanns CAPTAIN BERLIN VS. HITLER war so groß, dass man eigentlich schon verloren hatte, wenn man davor noch in einem anderen Kino in einem anderen Film war. Trotzdem eilten wir eifrigen Screenshot-Blogger nach "Humpday" gemeinsam durch die Stadt, missachteten die Verkehrsordnung, klauten kleinen Kindern ihre Fahrräder oder sprangen auf fahrende Busse auf - die Polizei dicht auf unseren Versen. Die Erwartung von gutem Trash heiligte alle Mittel. Doch umsonst: die Karten waren ausverkauft und auch wir Stehplatzwilligen sind kalt abgeblitzt. Zerknirscht, schimpfend und mit verlorenem Glauben an die Gerechtigkeit zogen wir von dannen – der festen Überzeugung, ein wahres Highlight verpasst zu haben. Zum Trost holte ich mir am nächsten Tag den Screener von CAPTAIN BERLIN, um zumindest zuhause noch in den Genuss zu kommen. Dort wurde ich wieder mit der Welt und den harten Exground-Regeln ausgesöhnt, denn der Gedanke, dass ich diesen Müll eventuell stehend hätte ertragen müssen, war beängstigend. Denn der Film von Buttgereit basiert nicht nur auf seinem Theaterstück: es IST sein Theaterstück! Und darüber täuschen auch keine in der Postproduktion eingefügten Sprechblasen oder eingeschnittene "Establishing Shots" mit Miniaturmodellen hinweg. Im Hintergrund hört man sogar das Gelächter und Geklatsche aus dem Publikum - positiveres Feedback als aus meinem Sessel kam!


Die Story an sich hat eigentlich lustiges Potenzial: die wahnsinnige Nazi-Doktorin Ilse von Blitzen hat in den 1970er Jahren Hitlers Gehirn exhumiert, das nun einen angemessenen Körper zur vollen Wiederherstellung des Führers und seines Reichs braucht. Dank einer Maschine kann das Hitler-Hirn kommunizieren und Pläne werden geschmiedet, die von der Belebung eines a lá Frankenstein aus arischen Körperteilen zusammengestückelten Menschen durch einen Biss von Dracula bis zu einem Krupp-Stahl-Roboter reichen. Doch nicht nur tiefsitzende Nazi-Überzeugungen von Euthanasie und unwertem Leben kommen den beiden in die Quere, sondern auch die Hinterhältigkeit der Bolschewiken (sogar Untoten) und Hitlers größter (bisher nur in den höchsten Kreisen bekannte) Feind: der Superheld Captain Berlin. Mittlerweile ein etwas in die Jahre gekommener sozialistischer Reporter, muss Captain Berlin sich schwer ins Zeug legen, um Hitlers zweite Machtergreifung zu verhindern.

Zumindest der Geschichte muss man lassen, dass sie ziemlich frech und originell ist. Aber leider ist der Film totlangweilig. Die überdeutliche Bühnenaussprache nervt, das fehlende Setting stört (Warum läuft Captain Berlin im Kreis? Ist doch klar: er geht eine Wendeltreppe runter!) und die Dialoge sind nicht witzig, sondern einfach nur schlecht. Der Film ist Trash und will auch nichts anderes sein – aber leider schafft er es nicht, guter Trash zu sein. Ich war sehr enttäuscht und würde mich interessieren, wie die Reaktionen im Kulturpalast ausgefallen sind. Vielleicht ist der Film in einer angetrunkenen Menschenmasse ein Brüller – nüchtern und alleine kann er jedenfalls nicht überzeugen.

Sarah Böhmer