FILMZ 10: „Potato Fritz“ – Die größten Kartoffeln

Die Rückblende bei Jubiläums-FILMZ beschäftigte sich mit den Rückblenden der vergangenen Jahre. Aber nicht auf so simple Art wie die 60. Berlinale im Februar d.J., wo einfach Filme aus vergangenen Retrospektiven ausgesucht und wiederholt wurden. Nein: FILMZ zeigt Filme, die in den Retrospektiven der vorherigen Jahrgänge nicht gelaufen waren, und bietet so einen nochmals erweiterten Rückblick auf die deutsche Filmgeschichte. Da wurden sinnige Filme ausgesucht: Der „Blechtrommel“-Director’s Cut, der dieses Jahr erstmals in Cannes vorgestellt wurde, als Ergänzung zur Schlöndorff-Retro von 2004 und zur Mario-Adorf-Schau 2009, oder der 1973 in der DDR verbotene und in diesem Jahr rekonstruierte „Die Taube auf dem Dach“ von Iris Gusner als Nachklapp zur Defa-Rückblende 2005.

Von Peter Schamoni, bei FILMZ filmgeschichtlich aufbereitet im Jahr 2008, lief ein seltsamer Film, ein deutscher Western aus dem Jahr 1975: „Potato Fritz“, im Vorspann mit seinem späteren Verleihtitel „Zwei gegen Tod und Teufel“ angegeben. Was ein Western braucht, ist in diesem Film drin: Schlägerei im Saloon und Klopperei zweier Freunde, um sich ihrer Männlichkeit zu vergewissern; Schießereien, Überfälle und Hinterhalte, lauernde Indianer, Siedler und Kavallerie, vorwärtstreibende Gier nach einem versteckten Goldschatz, rückwärtsgewandte Rache wegen einer früheren Fehde; ein züchtig-sehnendes Mädel, typisch leiernde Western-Musik, Helden, Schurken und irgendwas dazwischen. Dazu die typischen Spätwestern-Elemente der latenten bis akuten Ironisierung; denn der Held, gespielt von Hardy Krüger, ist ein Farmer, der eigentlich nur seine Kartoffeln anbauen will; im hart umkämpften Indianergebiet, da, wo irgendwo das Gold versteckt ist…

Problem dabei ist, dass das alles zwar toll in einen Western passt, aber leider nicht in diesen Film. Denn der reiht alles aneinander, ohne so richtig die Übersicht zu haben, wann was angemessen, wann was notwendig und wann was überflüssig ist. Viele wichtige Plotelemente – Morde, die vielleicht von Indianern, vielleicht aber auch von Banditen begangen wurden, oder Hinweise auf Vermisste – werden nicht gezeigt, sondern nur aus zweiter Hand von irgendwelchen Leuten irgendwelchen anderen Leuten berichtet. Überhaupt gibt der Film zu Anfang keine Hinweise, wo die Linien der verschiedenen Gegnerschaften verlaufen, wie die Figurenkonstellation konstruiert ist, worum es eigentlich geht. Das ist wohl eine bewusste Mystifizierung von Schamoni; die aber weniger Spannung als Konfusion aufbaut. Irgendwann tritt ein durchgeistigter, weltabgewandter Reverend auf, der im Namen Gottes Bisons vor sich her scheucht; und dann fällt er einfach aus dem Film und ward nicht mehr gesehen. Oder wurde er ermordet, und ich habs nicht so richtig mitgekriegt?

Trotzdem ist in diesen Zwischenräumen, die sich auftun, wenn alles nicht so recht zusammenpasst, eine gewisse Coolness zu spüren; Hardy Krüger gibt den harten Kerl, Stephen Boyd kämpft für Gerechtigkeit und zugleich für seinen Anteil am Schatz, von oben, von den Felsen, beobachtet Indianerhäuptling Arschloch das Geschehen, die Kartoffeln wachsen und gedeihen, die Musik stammt von Udo Jürgens (!), und einen der Soldaten spielt Fußballweltmeister Paul Breitner, mit seiner typischen wilden Mähne, mit Barttracht und seiner langen Nase: das ist irgendwie schon so verquer, dass es wieder gut ist; nicht mal unbedingt in einem Trash-Sinn, sondern einfach, weil klar wird: hier hat Peter Schamoni so richtig reingehauen, denn wenn schon Genre, wenn schon Western, wenn schon deutsch: dann richtig.

Harald Mühlbeyer