FILMZ 10: Sehen Sie!



Die Dame, der Herr? Bock auf Film(z)?

Weil, haha, da hätten wir was für Sie!


Heute um 17:30 Uhr Cinestar 7 präsentiert unser liebstes Mainzer Festival des deutschen Kinos Oliver Kleines BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG. Der hat Wumms und Herz, mit Jacob Matschenz einen der besten deutschen Nachwuchsdarsteller – und ist nicht umsonst mit allerhand Preisen ausgezeichnet worden, darunter den Frist Steps Award 2010. Hat schon auf dem Max Ophüls Preis gefallen, dazu die Besprechung hier im Anschluss. Nicht verpassen!
Wie, Sie können heute nicht? Macht nix, kommt nochmal: am Samstag, 27.11. um 20.00 Uhr im Cinestar 6. Sehen Sie!

Ansonsten, noch eine Empfehlung: MEIN LEBEN IM OFF, morgen, Donnerstag, 25. (Cinestar 7) und Freitag um 20.00 Uhr (Cinestar 6). Die wunderbar leicht schräge, aber nicht verquere Geschichte von Frank, dem schwulen Autorenversager (Thomas Schmauser). Getriezt von seiner Clique samt stets böse beleidigender Ex und vom Lebenspartner mit Kinderwünschen verfolgt, verfolgt Frank eines Tages selbst: Der so zynisch-egomanische wie selbstmitleidige Kindskopp beobachtete eine Fremde in der Straßenbahn und läuft ihr hinterher zu ihrer Arbeit. Wo Frank dann auch gleich anheuert. Kathrin (Katharina Marie Schubert) hat’s ihm nämlich angetan, ein Buch will er über sie schreiben, freundet sich mit ihr an. Zieht auch bei ihr ein. Ach ja, Kathrin ist übrigens ... ne, verrate ich nicht, sonst überrascht sie vielleicht eine der beste Szenen: Stellen Sie sich vor, sie sitzen mit einer nachts über der Stadt - und sie stopft sich Schnittchen ins Gesicht, als gäbs kein Morgen mehr.



Kling jetzt alles vielleicht nicht so doll, ist es aber. Denn Regisseur und Drehbuchautor Oliver Haffner hat mit viel scharfen Dialogen und skurriler Situationskomik, die nicht in Klamauk abdriftet eine – trotz oder gerade wegen Schwul- und Schwanger-Sein – einen überaus einnehmenden Typen- und Menschenfilm geschneidert. Getragen wird MEIN LEBEN IM OFF von dem leicht fischigen Thomas Schmauser (den Namen muss man sich nicht nur merken, sondern auf der Zunge zergehen lassen), der als Frank so autistisch wie grantlig, unausstehlich wie bedauernswert ist. Kein Sympath – sondern was viel Besseres! Auch ganz groß: Katharina Marie Schubert (gerade mit einer Nebenrolle in DIE LETZTEN SCHÖNEN HERBSTTAGE) als verliebenswerte selbstbewusst wie (hormon-) verwirrte Kathrin, an und mit der sich Frank abkämpfen kann und muss, dass es kracht. Beide zusammen ergeben dann ein originelles, überraschendes Paar, dessen Reaktionen und Verhalten oftmals im großen Gestus wie in kleinen Nuancen abweicht von dem, was der Zuschauer von Filmpersonen so erwarten darf (und erwartet).

Und: Einen herzenswarmen End-„Gag“ bietet MEIN LEBEN IM OFF obendrein – ein Film, der (packen wir mal das große Lob aus:) glatt aus Österreich sein könnte!

(zyw)

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Bernd Zywietz schrieb zu BIS AUFS BLUT im Rahmen eines Beitrags zum Max Ophüls Preis 2010:

BIS AUFS BLUT – BRÜDER AUF BEWÄHRUNG, dieser fulminante Film über zwei Freunde und ihre Würzburger Rapper-Gemeinde, kommt zwischen Drogendeals und US-Kasernen, Jugendknast und Disco-Gerangel natürlich auch nicht ohne harte Selbstinszenierung und die eine oder andere Dresche, gar Messerstecherei aus. Im Gefängnis musste Tommy erfahren, wie es ist, Opfer zu sein – der Zellenobermotz kann an ihrem Knacken hören, ob einer gute Zähne hat. Auch die sexistischen Posen sind wenig zimperlich, werden Frauen wie es der Umgangscode vorgibt, übelst zu Geschlechtsobjekten reduziert, ist „Ficken“ und „Fertigmachen“ dasselbe; quasi eine entglittene Version der Gleichsetzungen von Ficken und Schießen – Baader & Co. grüßen ungläubig von Ferne. Was aber mit den Knallköppen versöhnt ist, dass hinter dem Dominanzgebahren und Drohgebärden zwar Jungs stecken, die vielleicht in einer Prügelei mal mehr (Tommys Freund Sule), mal weniger taugen (Tommy), die es aber gerade auch umgekehrt proportional auf dem Kasten haben. So kann Sule seinen „Bruder“ mit Körpereinsatz beschützen, ist aber selbst derjenige, der zuletzt als kaputtgekokstes Loser im Knast nichts mehr zum Festhalten hat als seine Posen. Auch was die Frauen betrifft, ist da nicht halb soviel los, wie die markigen Sprüche gerne (selbst-) suggerieren: Als nach Sules Anmachsprüchen die kesse Gymnasiasten-Göre ihn tatsächlich auffordert, ihre Brüste anzufassen, langt er schnell und zögernd hin, und es fehlt nicht viel, dass er verschämt kichernd davonrennt.

Bei Tommy selbst wiederum ist Gewalt hilfloses Ventil; seine Ex-Freundin Sina stößt er weg, weil sie ihn nicht mehr will, er nichts anderes (mehr) darob zu tun weiß, und seiner Mutter verpasst er gar ein Veilchen. Dass er darüber einem als Figur nicht verloren geht, liegt an der Regie und an Darsteller Matschenz selbst, dem man voller Empathie schließlich zusieht, wie die Maske abfällt, der vorgeschobene Kiefer, die krause Stirn und er alle Beherrschung und Harschheit in der Verzweiflung sozusagen abfallen, er zusammenklappt ohne diese Maskulinitätskrücken, ein Häufchen Elend ist.

Zuletzt – Achtung, Spoiler! – ist er wieder im Jugendknast; als er in die neue Zelle kommt, sind die Augen wieder eng, der Panzer wieder angezogen. Zwei Jungs stehen vom Tisch auf – und mit einem Blick auf den Muskelprotz am Tisch haut Tommy sie zusammen. Nur um daraufhin ein Kopfschütteln vom vermeintlichen Bully einzufangen, der weiter in seinem Heftchen liest. Sich schämend ob der sinnfreien Gewaltprophylaxe verkrümelt sich Tommy aufs neue Bett, um für seine Karriere als Physiklehrer zu büffeln... Nicht nett im Miteinander, aber ein gelungener Gag, der in seiner Humorigkeit wunderbar entlarvt: selten so knapp – und, ja, doch – sympathisch wurden Testosteron-Scheuklappen wohl selten vorgeführt.