exground 23: „Colorum“
Ein junger, frisch verlobter Polizist am Beginn seiner Karriere, der sich nebenher illegal als Taxifahrer etwas dazuverdient. Ein alter Mann, der sich nach dreißig Jahren Haft auf die Suche nach seinem Sohn macht, den er all die Jahre nicht mehr gesehen hat. Eines Abends schmiedet das Schicksal sie aneinander, als der Polizist den Alten aus Gefälligkeit mitnimmt und beide in einem Moment der Unachtsamkeit in einen Unfall verwickelt werden: ein junger Mann liegt blutend vor ihrem Fahrzeug, der Polizist gerät in Panik und begeht Fahrerflucht. Da er um seine berufliche und private Zukunft bangt, nimmt er auf Anraten seines Onkels den betagten Ex-Sträfling als Geisel und flieht aus der Stadt. Wie sich später herausstellt, war der angefahrene, inzwischen verstorbene Mann US-amerikanischer Staatsbürger, der Unfall wird zum Politikum. Die Reise in die heimatliche Provinz wird zur Reise in die Vergangenheit des Polizisten. Unterwegs kreuzen sie die Wege dreier Menschen, deren Leben durch diese Begegnungen ebenfalls eine Wendung erfahren wird. Am Ende werden sowohl der junge, als auch der alte Mann eine schicksalsschwere Entscheidung treffen, die einer der beiden nicht überleben wird.
Jon Steffan Ballesteros‘ mit Digitalkamera und niedrigem Budget gedrehtes Roadmovie „Colorum“ bildete am Sonntag den Auftakt der Reihe „news from asia“ auf dem 23. Exground Filmfestival. Und auch wenn damit keine filmkünstlerische Offenbarung, kein Geniestreich die überschaubare Sektion mit einer Auswahl aus der schier unerschöpflichen Fülle des asiatischen Gegenwartskinos einleitete, ist „Colorum“ nichtsdestotrotz ein sympathischer kleiner Film, der einen kritischen Blick auf die philippinische Gesellschaft wirft – und sich damit wohl auch bewusst von einem asiatischen ‚Kunstkino‘ à la Weerasethakul lossagt. Ballesteros orientiert sich formal und dramaturgisch vielmehr an klassischen Spielfilmmustern und Genrekonventionen, ohne erkennbares Bestreben, das ‚Rad neu erfinden‘ oder die Konventionen ironisch brechen zu wollen.
Somit bleibt er auch der Tradition des Road Movies treu, dass die beiden unverhofft und ungewollt aneinander geketteten Reisenden am Ende nicht mehr die Gleichen sein werden wie zu Beginn der Reise. Manche Szene gerät Ballesteros vielleicht etwas rührselig, zuweilen geraten die Darsteller an ihre schauspielerischen Grenzen. Auch wirkt zum Beispiel die Idee, die Behörden den Unfall als einen möglichen terroristischen Anschlag interpretieren zu lassen, etwas übertrieben. Dennoch gelingt es ihm durchaus geschickt, die Handlung am Ende dramatisch zuzuspitzen und den unterwegs kurz angerissenen Erzählsträngen rückwirkend eine tiefere Bedeutung zu verleihen – und dem Zuschauer nicht allzu aufdringlich die Botschaft mit auf den Weg zu geben, wie wenig mitunter nötig ist, um dem Leben eine neue Richtung oder gar neuen Sinn zu geben.
Christian Moises
COLORUM
von Jon Steffan Ballesteros
Philippinen 2009
Digital Betacam
109 Min.
OmeU