FILMZ 10: Nicht nur nachts um 3...
... ist die Welt noch in Ordnung
Die schlimmste Zensur, heißt es, sei die Selbstzensur. Darum gleich rausgehauen: der Auftakt des diesjährigen FILMZ.
Heute (oder gestern?) hat FILMZ zum zehnten Mal eröffnet. Und: Gelungen war es. Nicht, weil sonderlich Neues geboten wurde, großer Bombast oder dergleichen. Sondern weil FILMZ mit etwas aufwartete, was noch viel wertvoller und genialer ist: Gelassenheit.
Das heißt aber auch: Der Glamour wurde souverän anderen übergeben. Die stellvertretende Videobotschaft kam diesmal nicht vom Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel, sondern von Landesvater Kurt Beck, der persönlich das Wort an die FILMZ-Gäste richtete. Derweil Beutel zusammen mit seiner Bildungs-, Kultur- und wasweißich-Ministerin Doris Ahnen live auftrat und beide von der Bühne fast gar nicht mehr verschwinden wollten.
Er – nach eigener Auskunft – von Conny Froboess und Peter Kraus, sie von Doris Dörrie und Margarethe von Trotta geprägt: Zusammen ließen diese Honoren keinen Zweifel daran, dass wenn es logisch so weiter geht, FILMZ nächstes Jahr von Kurt Beck live gewürdigt und der Einspieler dann direkt von Angela Merkel stammen wird…
Kein Frage, FILMZ ist oben angekommen, zumindest in Rheinland-Pfalz und jetzt auch nahezu offiziell. Mehr aber noch: berechtigt!
Die beiden Eröffnungsfilme zeigten sich entsprechend wenig machohaft, sondern souverän wie der gesamte Auftakt des Festivals des deutschen Films.
Einfach und stimmungsvoll: DRIVING ÉLODIE. Lars Hennings Kurzfilm erzählt von einem jungen Set-Runner, der in der Nacht die Hauptdarstellerin zum Flughafen fahren soll. Ein kleiner Beobachtungsfilm, stimmungsvoll, unspektakulär, nicht magisch – viel besser: zauberhaft ist seiner kleinen Allwirklichkeit.
Den Hauptfilm, DAS LIED IN MIR von Florian Micoud Cossen, leitete Hauptdarstellerin Jessica Schwarz mit einem Videogruß ans FILMZ-Publikum ein: Schrecklich leid tat es ihr, dass sie nicht da sein kann. Was ernst zu nehmen ist, weil Jessica Schwarz eine innige Beziehung mit FILMZ verbindet.
Aber mehr noch war ihr Film ein Genuss:
Die Schwimmerin Maria muss durch einen fast griechisch-tragischen Zufall (ein spanisches Kinderlied aus ihrer Kindheit, von der sie bislang nichts wusste; ein halb ungewollter Zwischenaufenthalt) herausbekommen, dass sie eigentlich keine Deutsche ist, sondern eigentlich Argentinierin - d.h. mit einer geheimen Zusatzvergangenheit ausgestattet, die sie, wie den Zuschauer, auf eine Tour in eine andere Alltäglichkeit und ihr Leben führt.
Ja nun, das klingt wirr, kryptisch – ist der Film aber gar nicht, sondern hier nur besonnene Überlegung, was man bei diesem spannenden, wunderbar erzählten Film vorab verraten sollte und was nicht.
DAS LIED IN MIR bietet nämlich nicht nur einen formidablen Schnitt (oder eine großartige Montage), sondern auch eine famose Dramaturgie, die angesichts des Stoffes so unglaublich leicht hätte in die Hose gehen können. Zwischen Zeitpolit- und Seelendrama weiß Cossen die Balance und den Zuschauer intensiv bei Laune zu halten. Selbst Standardsituationen und die unvermeidlichen Großen Momente sind hier originell in Szene gesetzt (Marias Papa erzählt ihr von ihrer Vergangenheit nicht irgendwo, sondern genau irgendwo, auf der Hoteltreppe hinterm Aufzug) – so dass alle Klippen, die da dräuen, elegant umschifft werden. Die nötige Distanz hat Cossen denn stets zur Hand, lässt Marias wahre Familie allein über die Sprach so fremd erscheinen, dass man ganz eingenommen ist von diesem Moment-Realismus… Kurz: ein einfacher wie kluger, packender wie unaufgeregt-konsequenter Film. Einer, der keine seiner Figuren „vergisst“ und perfekt besetzt ist mit Jessica Schwarz und Michael Gwisdek (der oftmals viel zu wenig oder viel zu standardisiert zeigen darf, was er kann, und daher – gerade weil er nicht mit seinem Rollentypus komplett bricht – hier in allen Nuancen überzeugt).
Sekt gab es nach dem Film, auch Kuchen, und dann ging es weiter ins LOMO. Und siehe da: Auch hier war irgendwie alles entspannter, weniger „hysterisch“ voll und trotzdem gut besucht. Allein schon, dass die beiden Macher der Eröffnungsfilme es bis nach zwölf dort ausgehalten haben und dabei aussahen, als sei es nicht nur Pflicht, war ein Punkt für das FILMZ-Festival, das sich mit einer relaxten Schmissigkeit zu seinem Jubiläumsauftakt sympathisch präsentierte.
(zyw)