Grindhouse-Nachlese September 2024: SM-Baba Jaga und Ninja-Italowestern

 „Foltergarten der Sinnlichkeit 2“ / „Baba Yaga“, Italien/Frankreich 1973, R: Corrado Farina

 

„Ninja: Champion on Fire“ / „Ninja Avengers“ / „Ninja Operation 6: Champion on Fire“, Hongkong 1987, R: Joseph Lai


Eine wahrhaftige Hexe, vermutlich, vielleicht auch nur Einbildung/Obsession/Angst/Wunsch? „Baba Yaga“ ist einer der rätselhaftesten und gleichzeitig faszinierendsten Filme in der Grindhouse-Reihe, und dazu gehört auch der deutsche Titel „Foltergarten der Sinnlichkeit 2“, denn einen Foltergarten gibt es nicht, Sinnlichkeit zumindest in dem vom Titel angerissenen exploitativen Sinn auch nicht, und Teil 2 schon gar nicht. Weil „Foltergarten der Sinnlichkeit“ („Emanuelle e Françoise“ vom notorischen Joe D’Amato) erst 1975, also zwei Jahre später gedreht wurde! Was also dem deutschen Verleih durch den Kopf gegangen ist, ist komplettamente mysteriös, vor allem, weil die Stoßrichtung ja so klar ist: geiler Sexklopper, schreit uns der Filmtitel an, und nichts könnte ferner liegen.

Denn „Baba Yaga“ ist eigentlich eine Comicverfilmung, Valentina, die Hauptfigur, ist eine der Charaktere des Comic-Autors Guido Crepax, und der fand die Verfilmung auch ziemlich gelungen. Und der Regisseur Corrado Farina hat immerhin mit seinem vorherigen Film den Goldenen Leoparden gewonnen! Ist bei „Baba Yaga“ allerdings ziemlich im Clinch gelegen mit den Produzenten, hat danach mit dem Spielfilm aufgehört… schade eigentlich.

Er weiß nämlich sehr genau, wie er eine merkwürdige Atmosphäre zu schaffen hat, wie er mit dem Genres – Mystery, Grusel, Erotik, Giallo – zu spielen hat, und wie er zugleich von der Gegenwart, von den Rissen in der Gesellschaft erzählen kann. Und dabei auch noch spielerisch bleibt! Dass nackte Haut zu sehen ist, dass die Frauen in unergründlicher Erotik versinken, das ist nicht reißerisch dahingehauen, wie wir’s aus dieser Reihe gewohnt sind, sondern das hat Hand und Fuß, und die souveräne Machart, mit Vor- und Rück-Flashs, mit Fantasie- und Halluzinationsschnipseln, mit Fotoinserts, die Erinnerungen oder Ahnungen sein können, die hat ihre ganz eigene, ganz eigenwillige Qualität.

Der Vorspann, das sind Comic-Panels, und würde mich nicht wundern, wenn die aus’m originalen Valentina-Comic stammen. Dann unterhalten sich die Linksintellektuellen, es geht um Comics und Revolution, und um Fotografie und Film, um Kunst und darum, wie man über die Runden kommt. Weil sich alle irgendwo bewusst sind, dass sie Huren des Kommerzes sind, aber das reflektieren sie, und darüber reden sie, und das könnte fast sowas wie Woody Allen sein, nur halt avant la lettre, weil der damals seine dollen Comedies gedreht hat.

Valentina jedenfalls ist Fotografin, Mode, Werbung, aber sie hat Marx‘ „Das Kapital“ rumstehen – gespielt wird sie von Isabelle de Funès, Nichte des großen Louis, die hier aber eben nicht in dessen Tradition überkandidelte Hysterie, sondern wirklich schön zurückgezogen, aber zugleich aktiv zielstrebig – zumindest in den Bereichen ihres Lebens, die ihr vertraut sind… So will sie mit Arno (George Eastman – von den Produzenten aufgedrückt, abe
r nicht schlecht in seiner Rolle als Werberegisseur) erstmal nichts anfangen, und das macht sie ihm auch klar, als er ihr nachstellt.. Deshalb wandert sie durch die nächtlichen Straßen, und da ist der niedliche Hund, und sie streichelt ihn, und sie bedauert ihn wegen der Narbe an seiner Stirn, und dann werden die beiden beinahe umgefahren. Von einer Frau, die sich fortan in Valentinas Leben mischt, die sich reindrängt, die raumgreifend ihren Platz beansprucht, und Vals Aufmerksamkeit, und ihre Ergebenheit.

Untertöne von lesbischer Obsession, von Fetisch und Dominanz werden immer lauter, und sinnlich umstreicheln ihre Finger die Rolleiflex von Valentina, jaja, eine Kamera, die friert die Wirklichkeit ein, sagt sie (ein kleiner Reflex auf Godard, über den unsere Intellektuellen gerne diskutieren, und seine Wahrheit in 24 Bildern/Sekunde), jedenfalls: Valentina wird eingeladen, muss diese Frau, die sich als Baba Yaga vorstellt, besuchen, sie kann nicht anders, sie darf nicht anders. Ein altes, vollgestelltes Haus, mit allerlei Antiquitäten, Valentina tritt ein und weiß es nicht anders vor sich und Baba Yaga zu rechtfertigen, als dass sie hier ein paar Fotos machen sollte. Dabei ist Val gar nicht duckmäuserisch, keine graue Maus, nein, sie ist gut in ihrem Job, weiß das auch, wählt ihre Liebhaber und weist sie ab, geht ihren Weg, selbstsicher, selbstbewusst. Außer in diesem einen Bereich, wo Baba Yaga immer mehr von ihr beansprucht.

Dazu kommt: Wenn sie fotografiert, dass geht etwas kaputt. Die Filmkamera von Arno, beispielsweise, oder ihre Modelle, die schönen Frauen, die Val vor ihrer Linse hat, die brechen unerklärlich zusammen… Baba Yaga ist eben eine Hexe, eine böse, man kennt sie aus Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“, böse, verführerisch, ihr ist nicht zu entkommen…

Zumal die Baba Yaga hier etwas hat, mit dem sie Valentina kontrollieren kann, sie schenkt ihr eine Puppe, in Lederkluft, bloßgelegtem Oberkörper, SM-like, es gilt kein Widerspruch, Val muss die Puppe nehmen. Und die guckt, und vielleicht manipuliert sie Wille und Gedanken, und vielleicht kann sie auch zustechen mit ihrer Haarnadel – im Dunklen (!) wurden Fotos gemacht, die das zeigen… Und dann steht sie wahrhaftig da, nicht nur Val sieht sie, auch Arno, der inzwischen doch ihr Liebhaber wurde, vielleicht aus Trotz gegen Baba Yaga? Irgendwann befindet sich Val komplett in den Fängen der Hexe, und sie wird ausgezogen und von der Puppe ausgepeitscht, Qual – und Lust? Und in dem Hexen-Haus, da ist ein tiefes, ein bodenloses Loch im Dielenboden, vielleicht das Portal zur Hölle?

Was Val glauben kann, was Wirklichkeit ist, was fließende und was eingefrorene Realität, was ihr tatsächlich widerfährt… Corrado Farina baut die Ambivalenzen aus, und zwar nicht als Gegensätze, sondern als würden sie sich ergänzen zu einer neuen, eigenen Wirklichkeit, einer inneren Realität, der wir ausgeliefert sind, in einer Welt, in der der Kulturkampf von Polizei und Kirche, von Hippies und Linken brodelt, basierend auf faschistischer Vergangenheit, in die Val immer wieder in ihren (Wach)Träumen zurückkehrt…

 

Gegensätze in eins gefügt – das passt sowieso zu diesem Abend mit seinen beiden ganz unterschiedlichen Filmen, und es passt insbesondere auch zu dem zweiten Film selbst, aber ganz anders als in „Baba Yaga“. Weil „Ninja Operation 6: Champion on Fire“ nämlich zwei Filme in einem ist, ganz nach Art des Hauses IDF, von Hongkong-Produzent Joseph Lai zusammengezwungen, koste es, was es wolle. Also: geldmäßig nix, sinnmäßig alles.

Man macht das so: Nimmt einen alten Klopper, dreht paar Szenen dazu, und schon hat man einen neuen Klopper. Weil es halt so ist: Die Zeitläufte machen vor Genre-Moden nicht halt, und Kung Fu ist längst out, Ninja ist in, die Videotheken suchen Stoff, und der Titel (einer von vielen) deutet ja schon an, dass hier eine längere Ninja-Filmreihe bedient wird, natürlich ohne Zusammenhang. So ist das eben: Wenn die Citroën-Ente nicht mehr gefragt ist, stülpt man eine VW-Käfer-Karosse drüber.

Da hat man also, vielleicht sogar rechtmäßig, ich will da gar keine Anschuldigungen erheben, einen Film auf Lager, der (vermutlich) im China der 30er spielt, während der japanischen Besatzung, und dabei einen auf Italowestern macht, inklusive Kungfu-Kämpfen. Dann nimmt man eine Kamera, dreht auf einem Hügel mit vier, fünf Darstellern eine Zusatzhandlung, und zack: man hat nicht nur einen Ninja-Film, sondern auch einen, der sich ganz doll in den Westen verkaufen lässt. Weil man ein paar Stars in petto hat, die gegeneinander antreten, und die haben keine Schlitzaugen! Richard Harrison gegen Stuart Smith. Letzterer tritt zu Beginn aus einer Hütte aufm Hügel und atmet tief durch, und man meint, aha, Ricola, aber er ist eigentlich total böse und erklärt uns, dass er fünf Jahre im Knast war, und zwei Hanseln kommen, und das ist der Rest seiner Bande, wie der Dialog schlüssig erklärt, weil die anderen bei den vielen Versuchen, den Boss zu befreien, draufgegangen sind (man muss es ja auch nicht übertreiben mit Schauspielermassen, ist auch billiger), und dann sagt der Boss: „Scheiße.“ Und wer hat ihn verraten? Antonio! Der ist oben in Nordchina zugange, hat was mit den Japanern am Laufen. „Was machen die Japaner in Nordchina?“, fragt der Boss, der ja fünf Jahre hinter Gittern nix mitgekriegt hat, „Die rauben und plündern, genau wie wir!“, und wir schalten um zu Antonio.

Und das ist nun der alte Film, nämlich genau gesagt: „Django - Im Reich der gelben Teufel“ aus dem Jahr 1974, den hamse genommen und zusammengeschnitten, aber wir bekommen eine ziemlich gute Ahnung, was da so los ist: Antonio nämlich streift in Mönchskutte und mit riesigem Holzkreuz aufm Buckel durch die Lande, genauer über Eisenbahnschienen, und da hören wir Django wirklich ganz laut trapsen! Nur eben: Kein Italowestern, sondern Eastern, mit Zugüberfall und Schießerei und Verrat und so, wir brauchen eine Weile, bis wir durchsteigen, wer gegen wen warum kämpft, die einen jedenfalls haben Säbel, das sind die Japaner, und der andere, das ist Dragon, ein toller Kämpfer, der sich Antonio anschließt. Warum, wissen wir nicht, und Antonio trickst ihn auch immer wieder aus, dann ist er allein unterwegs, und in der nächsten Szene sind sie wieder zusammen!

Es ist ja so: Der alte Film, also der, den sie hier ninjamäßig aufgehübscht haben, der hält sich natürlich auch nicht mit Logik auf, man kann das mit Sicherheit annehmen, selbst wenn man ein gewisses Rausschneiden und Ummontieren miteinberechnet. Vielmehr ist dieser originale Film ja nicht nur ein Italowestern im Martial Arts-Format, sondern vielmehr ein Derivat der Italowestern-Degeneration, wie sie Bud Spencer und Terrence Hill ziemlich gut hingekriegt haben und wie sie dann viele nachzuahmen versucht haben. Also: Paar Buddies unterwegs, und sie hauen sich, und klopfen nicht nur auf Köppe, sondern auch Sprüche. Antonio ist der Plapperer, der immer nach dem eigenen Vorteil schielt, Dragon ist der Ruhige, der stoisch voranschreitet.

Und zwischendurch immer wieder die neuen Szenen vom grünen Hügel – also: das sollen natürlich immer andere Schauplätze sein, ist aber alles am gleichen Ort gedreht. Apropos drehen: Wenn sich die Gegner gegenüberstehen, dass machen sie ne Pirouette, und schwupps, haben sie Ninjakleidung an! Richard Harrison als Master Gordon in weiß und gold, die Gegner rot, und zackzackzack, sind die Bösewichter immer bald tot. Drei Kämpfe gibt es! Und damit wir zwischendurch und am Anfang nicht vergessen, mit wem wir es zu tun haben, hat Meister Gordon immer ein Stirnband um, auf dem groß NINJA steht!

Was ich erwähnen will, auch wenn es für empfindliche Gemüter ein Spoiler ist: Das Kreuz, das Antonio mit sich schleppt, mit dem er auch reitet, klettert und rennt, das ist eigentlich ein Hohlkreuz, und darin versteckt hat er ein Maschinengewehr. Mit dem ballert er am Ende, wenn es nun wirklich gegen die bösen Japsen geht, alle nieder, während Dragon schön rumkungfut. Und auf dem grünen Hügel ist auch alles gut, weil Master Gordon, der Harrison, der ist ja angeblich der Bruder von Antonio, und der hat Ringo, den Herrn Smith, am Ende besiegt, so dass von Ninja-Seite keine Gefahr mehr droht…

Was bleibt ist die Frage nach dieser Musik, die kenn ich irgendwoher, also nicht die paar Takte „Tubular Bells“, die immer wieder anklingen, oder auch mal Bach, sondern dieses mit Orchester gespielte Riff, das auch von ner Prog-Band stammen könnte, Alan Parson oder Ekseption oder was immer, das beim Ausklingen am Ende auch zu sowas wie den „Säbeltanz“ führen könnte, eine Musik also, die ganz ähnlich wie beim türkischen Quatsch-Actionreißer „Die Todeskralle aus Istanbul“ https://screenshot-online.blogspot.com/2022/04/grindhouse-nachlese-marz-2022-search.html mit voller Unwucht die Bilder überlagert, und ich hab das Gefühl, ich kenn die irgendwoher, und komm nicht drauf, und Google weiß auch nicht weiter…

Naja, nicht zuviele Gedanken verschwenden.

 

Harald Mühlbeyer

 

Grindhouse-Nachlese April 2024: Nackt für den Killer und CIA-Klauen

 „Nackt für den Killer“ / Der geheimnisvolle Killer“ / „Die Nacht der blanken Messer“ / „Strip Nude for Your Killer“ / „Nuda per l’assassino“, Italien 1975, R: Andrea Bianchi

 

„In den Klauen des C.I.A.“ / „Die Todesfalle des C.I.A.“ / „Ninja in the Claws of the CIA“ / „

Natürlich ist der Film frauenfeindlich. Die meisten Grindhouse-Filme sind das. Das ist ja Teil des Vergnügens, aus heutiger Sicht: Dass man reintaucht in ein sleazy Zeitalter, dass man den ganzen misogynen Mist durchschaut, sich wundert, sich schlau vorkommt, dass man im Vergleich sieht, dass heutzutage doch alles viel besser ist. Aber andererseits auch: Weil heute sowas nicht mehr gemacht hat, freut man sich auf diese Zeitreise in eine vollkommen andere Ära, setzt sich hinein in ein merkwürdiges mindset: Aus diesem heraus wurden die Filme gedreht, und mit diesem wurden die Filme geguckt, von irgendwelchen Herren, die daran etwas Erregendes fanden, vielleicht nicht mal sexuell, sondern einfach nur einen Thrill, einen Kitzel, und vielleicht auch das Ausleben der eigenen frauenfeindlichen Triebe beim Kinobesuch.

Heute steht man drüber, man guckt meta, und man erfreut sich an der ersten Szene: Eine Frau, nackt im Gynäkologenstuhl, wenn die Kamera zwei Zentimeter weiter runter gerichtet wäre, hätte man tiefste Einblicke. Der Doktor schraubt an und in ihr rum, die Dame stöhnt, und es könnte durchaus lustvoll sein – ist aber ihr Todesröcheln. Verdammt, murmelt der Doc, im Sinne von: Nasowas, schon wieder. Die Frau ist hopsgegangen, und mit nem Kumpel schleppt er die Leiche heim in die Badewanne, damit sein Tun verborgen bleibt…

Zwei Szenen später: Ein Hallenbad, eine Menge Männer lümmeln rum und kommentieren eine „heiße Schnitte“, die mit wiegenden Hüften vorbeischreitet, und der kecke Carlo scharwenzelt ihr hinterher, den Fotoapparat im Anschlag, mit dem er den knapp bedeckten Hintern ablichtet. An der Bar macht er sie an, obwohl oder gerade weil sie sich das Fotografieren verbittet, weil sie sieht ja super aus, und er als Fotograf sucht Models, und sie ist perfekt, naja, etwas pummelig am Bauch, aber weißt du, was da hilft? Sauna! Sie weiß, wie sie auf Männer wirkt, und sie genießt es, und in der Sauna zieht sie blank. Und bemerkt, dass der Fotoapparat ja gar nicht klickt – alles nur fake? Egal. Sie bumsen. Und Carlo lässt sich auch nicht stören, als seine Freundin reinkommt und sauer ist.

Er ist aber doch tatsächlich Fotograf, beim Studio Albatros, und um dieses Fotoatelier wird sich nun alles kreisen. Und zwar hat der Film zwei Impulse: Einmal das Hin und Her und Drumherum um Fotoshootings, Casting Couches und Rumvögeln, wie es ja bei jedem Fotostudio gang und gäbe ist – dieser Aspekt des Films behandelt den Voyerismus, und zwar total affirmativ: Frauen sind zum Ausziehen und Ansehen da, zum Ablichten, und dafür, dass der Film das Ablichten en detail bebildert. Der zweite Impuls sind die Morde, die sich rund um die Atelierbelegschaft abspielen, heftige Killings durch einen Täter in Leder-Motorradkluft, behelmt und mit langem Messer bewaffnet, der nach und nach alle abmurkst. Dies ist der vorwärtstreibende Strang des Films, bei dem ein paar originelle Mordideen zu erkennen sind, der das typischen Giallo-Rätsel aufbaut, das sich dann am Schluss genregerecht ins Uninteressante hin auflöst. Das Schöne an dem Film ist, dass er doch recht Unvorhersehbar ist, weil ständig jemand wegen Tod wegfällt, und es ziemlich lange unklar bleibt, wer denn nun Final Girl sein wird – also zusammen mit Carlo überleben wird. Weil dass der durchkommt, ist bald klar, er ist der Held des Films, wenn man so will.

Das ist die weniger schöne Seite des Films: Dass dieser Carlo als Held gehandelt wird. Wo er doch so ein Arschloch ist, wie wir es in der ganzen langen Geschichte der Cinema-Quadrat-Grindhouse-Double-Features bisher kaum je gesehen haben!

Sexistisches Schwein, aufbrausender Idiot, schmieriger Drecksack, Frauenvernascher und -missbraucher. Wie er beim Fotografieren mit den Models umgeht, sie anpflaumt und so weiter! Wie er die Weiber nimmt und fallen lässt, wie’s ihm seine Triebe einflüstern! Wie er Magda, die Assistentin, dominiert nach Gutdünken! Spät im Film, da ist sie im Atelier, und der Killer ist unterwegs, und das Licht geht aus, und er, aus dem Bett im Krankenhaus, mansplaint, was sie machen soll! Ach, das ist sicher nur die Sicherung. Der Kasten ist beim Eingang, mach dir keine Sorgen! Aber mach das jetzt halt so, wie ich sage, und nimm die Pistole mit, aber keine Angst, mach dir keine Sorgen! Wie man halt mit kleinen Mädchen spricht, wenn man Mann ist.

Bianchi verbindet seine beiden Sphären recht gut. Die Atelierchefin ist eine harte Lesbe, die ihre Models gegen Sex einstellt, das führt dazu, dass die Dame aus der Sauna bei ihr landet und nackig durch die Wohnung wandert, und der Wasserhahn in der Küche läuft, und sie macht ihn aus, und dann läuft der Wasserhahn im Bad, und sie will ihn ausmachen und wird vom Motorradfahrerkiller gekillt. Später läuft der Mann der Lesbe durchs Haus und die Wasserhähne laufen, und weil er offenbar im höheren Level ist, nimmt er aus Vorsicht ein Messer mit, wird aber trotzdem vom Motorradfahrerkiller gekillt. Der Mann ist ein notgeiles Würstchen zum comic relief, wir haben schon gesehen, wie er eines der Fotomodels vergewaltigt hat, weil sein Trieb so stark war, sie hat es dann über sich ergehen lassen, also alles gut.

Die ganze Anlage des Films federt die Arschlochigkeit des Carlo-Helden ab, weil alle so ähnlich drauf sind (Carlo freilich hat die Mittel dazu, seine arschige Neigung voll auszuleben). Und das Happy End, das Happy End! Da ist Carlo mit seiner Loverin im Bett, und der Killer ist überwunden, und was nun noch bleibt zum Glück ist Analsex.

 

Ja wirklich! Und mit diesem schrägen, aber ernstgemeinten Glück verbindet sich der erste Film des Abends mit dem Zweiten: „In den Klauen des C.I.A.“ aka „Die Todesfalle des C.I.A.“ endet mit zwei Männerndie sich schwören, fortan unverbrüchliche Freundschaft, eine wunderbare Beziehung zu führen. Also „Casablanca“, aber in einem plötzlichen und unvermuteten schwulen Kontext. Und ich glaube, der Film merkt das gar nicht. Naja, er merkt vieles nicht. Beispielsweise, dass der Bruder des Helden John, ein Vietnamveteran, plötzlich nicht mehr gelähmt ist, als er am Ende nochmal auftaucht – Regisseur John Liu spielt persönlich die beiden in einer Doppelrolle, John, den desillusionierten Superkämpfer, und James, den (zunächst) rollstuhlsitzenden Veteranen, der seinen Scheitel anders trägt und der John dazu bringt/zwingt, sich beim CIA zu verdingen. Das setzt den ganzen Film in Gang, der sich nun von Kampfszene zu Kampfszene weiterhangelt, vieles davon ist Ausbildung, manches auch ernst, aber alles auf jeden Fall gut gemacht! Die Martial Artists sind Künstler ihres Faches, Artisten der Kampfkunst, Liu macht hohe Kicks, dass es ein Lust ist!

Es ist nicht so ganz einfach, die Handlung nachzuvollziehen. Es geht, kurz gesagt, darum, dass die Russen eine neue Kampfmethode entwickelt haben, nämlich Hypnose bzw. Selbsthypnose der Soldaten, die damit alles vergessen und den reinen Tötungstrieb ausleben Ja, auch der Geschlechtstrieb ist ausgeschaltet, das fragt Col. Sanders explizit nach! Sanders wird gespielt von Christian Anders, der Schlagersänger, der sichder Kampfkunst ergeben hat und hier einen Gastauftritt hat – Gastauftritt auf merkwürdige Art: Er bringt John ins CIA-Ausbildungscamp und verschwindet dann aus dem Film. Einfach weg! Dafür kommt eine schöne laszive Dame ist Spiel, die so ein bisschen kämpfen tut, aber es nicht wirklich kann, und John hält ihr Bein gerade, ums zu zeigen, und tätschelt ihren Popo, aber eigentlich widersteht er ihren Verführungskünsten. Dafür wird er in die Intrigen von Pasco verwickelt, den Offizier, der ihn hasst und was weiß ich warum.

Jedenfalls interessant ist, dass alles Szenen mit hypnotisierten CIA-Soldaten nur in der spanischen Fassung vorkommen, nicht in der internationalen, und dass diese Szenen daher auf spanisch mit engl. Untertiteln zu sehen sind. In diesen Szenen gibt Pasco per Funkgerät Anweisungen, wie John angegriffen werden soll, oder wie die Soldaten ein süßes weißes Kaninchen packen und zerreißen sollen (das funktioniert dadurch, dass die Schauspieler rote Farbe auf den Karnickel schmieren und so tun als wär er tot). Im Wald sehen wir John bei seiner Kampfmeditation, und sein hypnotisierter Kumpel greift ihn an, und die hypnotisierte Frau schmiegt sich lasziv an einen Baum und dann lasziv an John, und dann kniet sie vor ihm, aber wir sehen nicht, was sie macht, nur, dass John sich total beherrschen muss, um nicht… Naja, egal, warum genau der CIA-Offizier dem CIA-Ausbilder mit allen Mitteln reingrätschen will, ist völlig unklar, vor allem, wo John doch der einzige in ganz Amerika ist, der die Selbsthypnose beherrscht und damit die US-Soldaten den Russen gleichstellen kann!
Jedenfalls flieht er mit einer Geliebten, und die wird von Tauchern getötet, und dann hat er eine Geliebte in Paris, und die wird auch getötet, weil CIA überall seine Leute hat, auch wenn das Trottel sind, und die Pariserin hat zwei Kinder, und das macht John schon richtig doll wütend, und in Spanien, da findet das Finale statt. Aber eigentlich ist sowieso so ziemlich alles in Spanien gedreht, auch und gerade die Szenen, die in Kalifornien spielen sollen. Man sieht das daran, dass Kisten und Flaschen immer spanisch beschriftet sind.

Einen Kampf gibt es im Keramikladen, und das gäbe eine Menge Möglichkeiten, aber die bleiben ungenutzt, und nur ein paar wenige Teller gehen kaputt, die ganzen Vasen und Töppe, die im Freigeländer drapiert sind, bleiben unangetastet! Wahrscheinlich, weil das Budget des Films nur einen ganz kleinen Posten für verscherbelte Töpferware vorgesehen hat.

Am Flughafen der Höhepunkt, irgendwie will der CIA-Direktor im Hubschrauber weg, tut das aber nicht, sondern es gibt viel Palaver, und ein paar Hypnotisierte tauchen auf, und Kampf und so. Und irgendwie geht es um wichtige Geheimdokumente, die John anscheinend hat mitgehen lassen, was wir bisher nie gesehen haben, aber jetzt sind alle hinter einem Aktenkoffer her. Und wir beginnen zu ahnen, warum im ganzen Film immer wieder chinesische Gesichtsmasken aufgetaucht sind, bei irgendwelchen Random-Leuten, die sie aufhaben, und im Wald an den Bäumen, die John zerhaut: Jetzt, am Ende, da haben wieder welche diese Masken auf, und zwar soll der eine offenbar Pasco darstellen, aber dessen Darsteller war möglicherweise nicht mehr verfügbar, aus dem Film gefallen wie lange zuvor Christian Anders, und jemand musste ihn doubeln, und das geht am besten mit Vollgesichtsmaske.

Dann Explosion, und vieles bleibt ungeklärt, außer dem Beziehungsstatus zwischen John Liu und Johnny Wong.

 

Harald Mühlbeyer

 

Grindhouse Nachlese März 2024 – Violent Streets und Beast of Blood

Grindhouse Doube Feature, 23. März 2024, Cinema Quadrat, Mannheim:

 „Bôryoku gai“ / „Violent Streets“, Japan 1974, Regie: Hideo Gosha

 „Drakapa, das Monster mit der Krallenhand“ / „Die blutgierigen Teufel“ / „Beast of Blood“, Philippinen 1970, Regie: Eddie Romero

 

Spanische Gitarre spielt auf einer Bühne, zwei Flamencotänzerinnen sind mit dabei, und es dauert eine Weile, bis man sich fertig gewundert hat – das soll doch ein japanischer Yakuza-Film sein? Dann renkt sich die Wahrnehmung schnell ein, wenn in dieser Bar Japaner auftauchen, sich streiten, und der eine rammt dem anderen einen Zettelspieß ins Gesicht, dem anderen haut er den Telefonhörer über den Schädel. Der Ton ist gesetzt, und wir wurden im Übrigen auch Zeuge der einzigen Fehlleistung in „Violent Streets“, die Regisseur Hideo Gosha immer wiederholen wird: wenn einem ein Hörer oder später Flaschen oder Vasen aufm Kopp zerschlagen werden, dann spritzt das Blut in realiter nicht in dem Maße, wie’s hier gezeigt wird. Sofort alles blutüberströmt! Aber das muss man wohl dem Genre zugestehen.

Tatsächlich aber haben wir mit diesem Film eine verwickelte Geschichte vor uns; Mittelpunkt ist die „Madrid“-Bar in Tokio, deren Besitzer Egawa einst Gangster war. Als Lohn für seine Dienste und Rente beim Ausstieg hat ihm seine „family“ die Bar übergeben, jetzt will sie sie wieder zurückhaben. Politik. Denn die Gangsterbande gibt sich jetzt ehrbar, und sie will und muss Konzessionen machen an die Osaka-Gangster, die Tokios Unterwelt übernehmen wollen. Man muss sich gut stellen, wenn man Geschäfte machen will…

Plötzlich sind wir in einem TV-Studio, bei der Show von Minami, Sängerin, die aufs Klo geht. Und dort entführt wird. Und wir sind bei der Gangsterbande hinter Unternehmensfassade, wo Yakazi als Hitzkopf den Osaka-Jungs einen mitgeben will, wer sonst hat wohl die Entführung eingefädelt? Denn Minami ist eine der Investitionen, wie die ganze TV-Unterhaltungswelt, wo sich jetzt das große Geld machen lässt. Während Egawa mit dem Gangsterboss noch ein Hühnchen zu rupfen hat – oder zu rupfen hätte –, weil seine Frau ihm während der Haft zum Boss übergelaufen ist. Er hat jetzt seine trinkfreudige Kellnerin als Geliebte.

Die Handlungsstränge verwirren sich. Minami wird erwürgt, weil ihr Bewacher sie bumsen will und sie sich wehrt – das ist eine tolle Szene, er hat den Fernseher eingeschaltet, weil gerade eine Aufzeichnung ihrer Show läuft, das müsste sie doch aufheizen, er jedenfalls wird ziemlich geil… Kidnapping jedenfalls im Eimer, die Geldübergabe wird trotzdem über die Bühne gebracht, auf der Baustellenruine eines Hochhauses. Der Bandenkrieg steht kurz bevor. Und plötzlich haben wir ein paar Killer, eine Stipshow, einer der Beleuchter wird von der Galerie gestoßen, eine Frau, die ihn lustvoll mit dem Rasiermesser aufschlitzt… Einer lädt von seinem LKW Schaufensterpuppen, will sie in der Pampa entsorgen, wird von hinten erschlagen. Einer an einer Druckmaschine, einer im Hühnerstall – hier ist auch Egawa mit dabei, und was nun doch recht verwirrend war und konfus, das lichtet sich allmählich. Hideo Gosha macht das sehr geschickt, wie er seinen Film, der völlig aus dem Ruder zu laufen droht, wieder einfängt – Teil seiner Strategie ist die klar konturierte Atmosphäre von Gewalt und Vergeblichkeit, von einer neuen Zeit in der Unterwelt und dem Versuch, sich zu halten, eine Kälte durchzieht den Film, die faszinierend ist – vielleicht Melville-geschult.

Ein Liebespaar bei einer Bühnenaufführung, von oben gefilmt, sich drehend wie auf einer Drehscheibe, mit wechselndem Licht – zwei Frauen, halt nackt sich räkelnd. Dann in der Garderobe zeigt sich: die eine ist einer Frau; die andere ein Mann mit langen Haaren und Kimono. War, was wir gesehen haben, eine normale Hetero-Sexshow, Mann und Frau, nur eben langhaarig, oder waren hier transvestitiv-transsexuelle Komponenten im Spiel, und wenn ja, für wen – für das Publikum im Film, oder nur als Täuschung für uns im Kino? Eine ähnliche Ambivalenz wie das Drehen des Paares – haben sich die beiden oder hat sich die Kamera bewegt? Es sind kleine Täuschungsmomente, Irritationen, die Gosha bewusst einbaut, und das führt zu einer latenten Verunsicherung, die der Filmstimmung zugute kommt. Ich meine, hallo, Schaufensterpuppen mitten im hohen Gras, ein Hühnerstall, an beiden Schauplätzen Mord und Totschlag, ja ein Massaker? Ein Waffenschmied, der sich als Bezahlung ausbedingt, dass er stiller Augenzeuge sein darf beim Abknallen der Gangster, der mit fetten Kopfhörern, radiohörend, fröhlich zuguckt bei der Ballerei?

Es ist eine Geschichte von untergründigem Verrat allenthalben, aber das Thema so subtil einflechtend, dass man nicht sagen würde: aha! Verrat von früher – Egawas Frau, die ihn für den Boss verlassen hat, die Bar, die ihm als viel zu geringe Entschädigung überlassen wird; Verrat der Gegenwart – die Bar, die ihm genommen werden soll; die Entführung, die ein Mord ist, die eingefädelt wurde aus Loyalität zu Egawa, freilich auch in Form eines Verrats seiner Untergebenen; schließlich, worauf es hinausläuft, der Verrat seiner Geliebten, judasmäßig. Die einzig Geradlinigen sind Egawa und sein Gegenspieler Yazaki, beide vom alten Schlag, sie passen nicht mehr ins Jetzt, wo das Gangstertum zum Unternehmertum wird.

 

Yazaki hat eine Haartolle wie Elvis – das ist ein schöner Übergang zum philippinischen Quatsch-Abenteuerfilm mit dem deutschen Quatsch-Titel „Drakapa, das Monster mit der Krallenhand“; die von John Ashley gespielte Hauptfigur hat feine daherfrisierte Haare im Dschungel und King-mäßige Koteletten, mehr als so manche Metzgerei zu bieten hat… Der Film ist der dritte Teil einer Trilogie um die Blutinsel, freilich als einziger in die deutschen Kinos gekommen, und man würde doch gerne wissen, wie ihn damals die Bahnhofskinobesucher aufgenommen haben, wo sie doch eigentlich die ganze Zeit überhaupt nicht wissen können, worum’s geht…?

Drakapa heißt das Monster, es hat schreckliche Hauer und schreckliche Klauen und schreckliche Zähne um Tiere und Menschen zu kauen, und das macht es auch, weil das Schiff gerade wegfährt von der Blutinsel aus Teil zwei – den keiner kennt –, und Dr. Foster ist der einzige Überlebende. Nein, das Monster auch, es ist nur ziemlich verbrannt und wieder auf der Insel. Dies als abrupter Anfang eines Films, der direkt anschließt ans vorherige Unbekannte. Die nächste Expedition von Foster, die wiederum macht diese Filmhandlung aus, wobei er vor allem bei der Rückkehr zur Insel alte Bekannte trifft, die wir nicht kennen, und ein Haus, in dem es mal eine Explosion gab, und der alte Bösewicht ist nach wie vor Dr. Lorca, und Razak, der Stumme, ist sein bulliger Helfer. Und grüne Menschen greifen des Nachts an, wobei „grün“ bedeutet, dass sie irgendwie mit Algen und Schlamm beschmiert sind, und nicht so richtig grünhäutig, wie es Foster noch von früher zu kennen scheint. Das aber bleibt alles unklar.

Neu ist Myra Russell, Journalistin vom Honolulu-Kurier, eine Zeitung, die nicht sooo angesehen ist, wie Dr. Lorca mal süffisant bemerkt. Denn natürlich hat er Ms. Russell entführt, um Foster zu sich zu locken. Der wäre aber ohnehin gekommen, weil noch eine Rechnung offen und so weiter.

Das, was wir kapieren, ist: Dr. Lorca ist ein Spinner, wie alle Mad Scientists, und er ist von seinem Genie überzeugt, wie alle Mad Scientists. Das Tolle ist: Er spricht genau dies aus: Wenn sein Experiment missglückt, geht er als Massenmörder in die Geschichte ein, wenn alles klappt, ist er ein Wohltäter. Er weiß das genau, und deshalb macht er weiter. Denn im Keller, da hat er eine Menge Maschinen und blinkende Lichter, und so Dinger, die sich im Kreis drehen, und Glaskolben, in denen was Grünes blubbert. Und auf der Bahre, da ist der kopflose Körper von Drakapa, und in der Ecke der Kopf. Beide bewegen sich, weil Lorca das so eingerichtet hat. Nur, dass der Drakapa-Kopf nicht zu ihm sprechen will, weil er schmollt.

Jetzt, was ist die Forschungsrichtung von Dr. Lorca, außer Kopftransplantation? Offenbar – ach, also, erstmal ist es ja so, dass das Monster irgendwie im zweiten Teil schon aufgetaucht sein muss, und deshalb wird seine Herkunft nicht so recht thematisiert, aber anscheinend ist es böse, weil es auf Chlorophyllbasis existiert, und aus dem Chlorophyll will Lorca das Böse herausfiltern, und deshalb hat er im Käfig die einigermaßen grünen algenbehangenen Menschen, deren Kopf er auf den Monsterkörper, damit deren Geist – oder so.

Es ist jedenfalls höchst erstaunlich, dass die deutsche Synchro sich nicht ansatzweise bemüht, so etwas wie Zusammenhänge zu konstruieren, wo doch klar ist, dass die vorherigen, offenbar für die Handlung essentiell wichtigen Filme in D nicht gelaufen sind. Es ist noch viel erstaunlicher, wie es Eddie Romero, dem Regisseur, gelingen kann, eine Filmhandlung, die ja doch einige Elemente enthält, die was her machen sollten, so dermaßen zäh und langweilig zu inszenieren! Die tapsen schweigend und ohne jeden Elan durch den Dschungel, und gefilmt ist das öde und ohne jeden Elan, und nur der Geräuschemacher hat hier was zu tun, nämlich hat der sich ein bisschen Laub auf den Boden gelegt und macht darauf ab und zu so Rascheln. Einmal knackt ein Zweig. Und am Schluss brauchts viele Schüsse und Handgranatenexplosionen auf der Tonspur. Aber ohne Zweifel haben hier ziemlich viele lediglich Dienst nach Vorschrift abgeleistet.

Dabei ist neben der Suche nach Dr. Lorca für Dr. Foster, den Guten, ja auch noch die Frage der Frau zu lösen! Weil nämlich eine der Eingeborenen hat ein Auge auf ihn geworfen, und sie offeriert sich ihm sehr offen, weil er ja schon lange nicht mehr mit ’ner Frau und so… Und er kann es nicht, weil nein, es geht nicht, er ist zu rein, sagt er, und er braucht eine Bindung für den Sex, aber er kann gerade keine Bindung eingehen, sagt er. Aber eigentlich, und das ist keinem der Protagonist*innen klar, ist natürlich im Film die gemischtrassige Liebe ein absoluten No-Go, wir befinden uns schließlich letztlich auf kolonialem Terrain, mit dem weißen Wissenschaftler und der weißen Jorunalistin, die die wilde Insel erforschen und die Geheimnisse lösen wollen. Und so.

Und natürlich muss sich Foster für die blonde Miss Russell aufheben, da kann er nix mit der Pseudo-Südseedame anfangen.

Man versteht nicht viel von dem Film, aber der Chauvinismus und alles, was daran hängt, der kommt natürlich gut rüber. Muss ja so sein. Ist schließlich Grindhouse.

 

Harald Mühlbeyer

 

Grindhouse-Nachlese Dezember 2023: Nicht ins Haus gehen! und Bronx 1990

Grindhouse Double Feature, 16.12.2023, Cinema Quadrat Mannheim:

 

„Das Haus der lebenden Leichen“ / „Don’t Go in the House“, USA 1979, R: Joseph Ellison

 

„The Riffs – Die Gewalt sind wir“ / „1990: I guerrieri des Bronx“, Italien 1982, R: Enzo G. Castellari

 

Große Feuer überall: Bei diesem Grindhouse Double Feature passten die Filme wie Faust auf Auge, Arsch auf Eimer, Feuerzeug auf Zunder, Asche in Urne. Da hat der Max, unser großer Kurator, mitten reingegriffen in die Kiste und zwei Filme für einen perfekt runden Abend rausgezogen.

 

„Don’t Go in the House“ heißt auf deutsch „Das Haus der lebenden Leichen“, und das ist fast schon betrügerisch falsch, aber wohl nicht justiziabel: Ja, naja, es gibt Tote, die aufstehen und rumlaufen, aber das sind keine Zombies. Sondern Halluzinationen. Donny hat sie tot gemacht, und Donny redet mit ihnen, und Donny erschrickt vor ihnen, und er ist es, der sich das „Leben“ in den Toten einbildet. Aus seiner Sicht erleben wir alles, und das macht diese bedrückende Atmosphäre aus, die den Film durchzieht.

Am Anfang: Ein Industriebetrieb. Öfen, Feuer, Donny starrt durchs Sichtfenster. Ein Kollege stochert im Feuerloch, das ist seine Aufgabe. Schnitt in die glühende, flammenumzüngelte Schlacke: Dort liegt eine Spraydose. Donny starrt. Der Kollege stochert. Die Dose wird von Feuer umflammt. Explosion. Der Kollege brennend am Boden. Donny starrt. Andere helfen, Donny starrt. Der Chef ist sauer. Er schimpft: Du stehst nur rum! Donny antwortet: Ich konnte nichts anderes tun, als Decken auf den Kollegen werfen! Was er nicht getan hat. Was er aber glaubt von sich, er ist da ganz ernsthaft. Sein Freund Ben baut ihn auf: So ein Schock, da reagiert jeder anders. Kann dir keiner was vorwerfen, dass du nichts getan hast! Und Donny steigt drauf ein: Genau, ein Schock! Ich konnte mich nicht mehr bewegen! Was er von sich glaubt, er ist da ganz ernsthaft.

Aber eigentlich, das weiß er im geheimen Inneren, ist er schlicht fasziniert von Feuer. Und er ist voll Hass, auf sich, auf die Welt; auf Frauen. Auf Mutter. Zuhause sitzt sie im Lehnstuhl, er pflegt sie täglich, kümmert sich, und heute, ja heute ist sie tot. In verzweifeltem Schmerz entringt sich seiner Seele ein Schrei – und dann wird ihm klar: Er kann jetzt alles machen. Die bösartige Frau bestimmt nicht mehr sein Leben. Er ist frei! Er kann laut Musik hören! Was er tut. So’n 70er-Discopop. Dann springt er auf einem Sessel rum, das hat er sich wohl schon als Kind gewünscht!

Wie er diese neue Freiheit erkannt hat? Es wurde ihm eingeflüstert. Drei Frauenstimmen sprechen unisono mit ihm. Donny ist zumindest schizophren. Und Pyromane. Und Serienkiller.

Dann sehen wir ihn mit Hammer und Nagel und Metallplatten. Und dann geht er in den Blumenladen, nach Ladenschluss bequatscht er die Floristin, als die den Bus verpasst, bietet er an, sie nach Hause zu fahren. Ach, können wir nur noch kurz bei Mutter vorbeischauen? Wollen Sie nicht Mutter kennenlernen? Sie geht in sein Haus – genau, wovor der originale Filmtitel warnt. Wird niedergeschlagen. Erwacht. Nackt. Mit den Händen oben an der Decke gefesselt. In einem Raum aus Metall, den Donny sich in sein Haus gebaut hat. Auftritt Donny, der Killer: In Feuerwehr-Asbestanzug mit Schweißgerät, oder eher Flammenwerfer. Und mit Benzinkanister. Was folgt, ist eine unglaublich harte Szene: Weil der Film bisher alles daran gesetzt hat, keine Distanzierung zuzulassen. Uns zu Donny gedrängt hat, und zugleich Donnys derangierte Psyche hat spürbar werden lassen. Und klargemacht hat: Hier passiert alles; das Schlimmste. Donny zündet die nackte Frau an. Die brennt lichterloh. Wir sehen ihren Todeskrampf, wie sie verkohlt.

Nach dieser krassen Szene hat Regisseur Joseph Ellison nicht mehr nötig, weiteren Gore zu zeigen, weitere Gewalt. Es reicht, dass Donny Frauen anspricht, sweettalked, und dann das Haus im Filmbild zu zeigen. Und irgendwann sind da drei verkohlt-verbrannte Leichen. Und im Oberstock verwest die Mutter vor sich hin.

Der Film ist sehr, sehr stark. Der Regisseur weiß genau, was er will, und was er wie einsetzen muss, um es zu bekommen: Kameraeinstellungen der Extraklasse, perfekte Bildkompositionen; Darsteller, die nicht viel tun, das heißt: die alles in ihrem Inneren zeigen, ohne es nach außen zu tragen. Eine Filmmontage, die perfekt das auslässt, was ausgelassen werden muss, damit das Kopfkino anspringt. Und das Haus! Das Haus! Ein enormes Herrenhaus, das „Psycho“ weit in den Schatten stellt… Überhaupt „Psycho“ – klar ist dies ein, nein das große Vorbild. Aber Ellison nutzt diesen Über-Film nicht, um sich ranzuwanzen: Wenn er einzelne Einstellungen direkt übernimmt – der Priester am Ende steigt die Treppe rauf so wie Martin Balsam im Bates-Mansion –, dann nicht, um zu klauen, sondern um den Resonanzraum des Bösen in der kaputten Seele nochmals zu erweitern.

Donny ist ein Opfer seiner Mutter. Häusliche Gewalt: Seine Sünden brennt sie über dem Gasherd aus, seit Kindesbeinen an; die rächt sich an ihm für den Vater, der die Familie verlassen hat. Das Mutter-Über-Ich spricht mit ihm, über den leiblichen Tod hinaus – und das Es spricht aus den Frauenstimmen. Donny ist ein Frauenmörder, aus Hass auf das Weibliche; und lässt sich leiten von den Frauen in seinem Kopf, die ihm alles erlauben. Feuer zerstört, Feuer reinigt. Donny heißt mit Nachname „Kohler“ – auch im Original.

 

Mit Feuer endet „The Riffs – Die Gewalt sind wir“; der internationale Titel „The Bronx Warriors“ – direkt vom italienischen Original her übersetzt – zeigt an, dass es sich um einen Rip-off von Walter Hills „The Warriors“ handelt, und sowieso setzt Enzo G. Castellari alles daran, sich mitten ins Genre zu setzen; von „West Side Story“ bis „Clockwork Orange“. 1982 ist ja auch die richtige Zeit dafür – Coppola verbindet ungefähr gleichzeitig ja auch das Jugendgangmotiv mit seiner Filmkunst (oder was davon nach „Apokalypse Now“ noch übrig ist)…

Jedenfalls: Eine Frau entkommt rüber in die Bronx. Dort herrscht Anarchie: Wir befinden uns im Jahr 1990, die Polizei hat das Gebiet längst aufgegeben, Gangs beherrschen die Straßen und die Häuserruinen. (Ist also nicht allzuweit entfernt von der Bronx-Realität Anfang der 80er…) Die Rollers schnappen sich die junge Frau: Die fahren auf Rollschuhen und haben so eishockeyhaftes Image. Mit ihren Hockeyschlägern erwehren sie sich auch der Riffs, die Motorradgang mit den beleuchteten Totenköpfen auf den Lenkstangen. Aber sie werden in die Flucht geschlagen. Trash, der Riffs-Anführer, hat Ann, die junge, geheimnisvolle Dame, für sich gewonnen.

Das Hin und Her geht seinen gewohnten Gang. Einmal die Gangs gegeneinander; dann Konflikte innerhalb der Gang; und dann die Polizei. Und dann ein eiskalter Killer. Und die Manhattan Corporation, der größte und mächtigste Konzern der Welt: Ann wird das Unternehmen erben, wenn sie 18 ist, also bald. Und deshalb floh sie in die Gesetzlosigkeit. Und deshalb ist der Konzern hinter ihr her, mit allen Mitteln. Das wichtigste Werkzeug dabei: Hammer, der Killer. Kurz und gut: Trash glaubt nicht, dass die „Tigers“ hinter all dem Unbill stecken, sondern, dass von außen Zwietracht gesät werden soll. Weshalb er sich aufmacht zu Oggio, gespielt vom unverwüstlichen Fred Williamson, Chef der Tigers und König der Bronx. Zwischendurch: Menschenfressende Lumpen, und dann noch diese clockworkorangemäßigen Stepptänzer, durch deren Gebiet Trash durch muss, naja, sorgt für Kämpfe und Tote.

Das Ende vom Lied ist, dass die Polizei – klar, die wird gelenkt von der Manhatten Corporation – angreift, geleitet von Hammer, der, jawoll, Polizeichef ist, und halt auch Killer, weil die Bronxianer eh vogelfrei sind. Die Polizei also mit Flammenwerfern auf die Menge der Bronxer, Feuer, Brennen – (fast) alle tot.

Das ist Exploitation vom Feinsten: Ausbeutung der Genregeschichte, indem die Errungenschaften vorheriger Filme genommen und wiedergekäut und ausgewalzt, aber auch perfekt durchperformt wird; und Ausbeutung der aktuellen Lage, indem die Kriminalitätsproblematik speziell von New York, die natürlich notorisch und in aller Munde ist, extrapoliert wird, verdichtet und vergrößert; und damit keine Ausbeutung der Zuschauer, die genau das kriegen, was sie wollen: Action und Spannung und Nervenkitzel und das Gefühl, dass dies irgendwas mit der Wirklichkeit zu tun hat. Dabei hat es natürlich eigentlich nur etwas mit den vorherigen Filmerfahrungen und mit den Filmerwartungen zu tun; die immerhin werden erfüllt.

Man muss, um diesen Film würdigen zu können, aber auf jeden Fall einen Blick auf die Hauptfigur werfen. Abgesehen davon, dass sie „Trash“ (in einem Film, der nicht Trash ist), wird sie nämlich gespielt von Mark Gregory. Der heißt in Wirklichkeit Marco De Gregorio. Er wurde wohl im Fitnessstudio entdeckt. Und jetzt ist es so: Er sieht aus, als hätte jemand einer Pre-Alpha-Version eines KI-Prototypen: Nimm einen Jim Morrison-Mutanten und mach aus ihm einen steroidvollen Bodybuilder, der in einer schlechten Hair-Metal-Band-Parodie mitspielt. Heraus kam Trash, ein junger Mensch, dessen Kopf nicht zum Körper passt, und dessen Bewegungen zu gar nichts passen. Er stakst durch die Gegend und weiß nichts mit irgendwas anzufangen. Und dies, zu seiner Ehrenrettung, vielleicht nur deshalb, weil seine Jeans so eng ist, dass er sie nie wieder wird ausziehen können.

Castellari ist natürlich ein Veteran des italienischen Genrekinos. Und er macht hier auch alles richtig: Alles, was der Film braucht, das hat er. Und er macht dann noch richtiger: Indem er seinem Film diesen Darsteller gibt, erhebt er ihn über die zeitgemäße Begeisterung für kaputte New Yorker Stadtteile und die Gangs, die darin herumfuhrwerken, mit Mark Gregory transzendiert Castellari seinen Film zu einem zeitlosen Werk, indem er dem glatten, sauberen Herunterspulen der Film-Standardkonfiguration diesen Störkörper reinsetzt. Und er setzt auch noch einige andere tolle eigene Ideen ein: Bei einer Versammlung am Flussufer, da sitzt einer am Schlagzeug und gibt einen Solo-Percussionsoundtrack zur Szene, einfach so, und warum auch nicht.

 

Harald Mühlbeyer

Grindhouse-Nachlese Oktober 2023 - Wilde Frauen, lebende Tote im Leichenhaus, eine Mannheimerin als Lady Streetfighter

Grindhouse Jubiläums-Triple-Feature, 28. Oktober 2023, Cinema Quadrat Mannheim

 „Wild Women“ / „La isla de las vírgenes ardientes“, Spanien 1977, R: Miguel Iglesias aka M. I. Bonns

 „Das Leichenhaus der lebenden Toten“ / „Invasion der Zombies“ / „No profanar el sueño de los muertes“ / „The Living Dead at Manchester Morgue“, Spanien/Italien 1974, R: Jorge Grau

 „Woman in Anger“ / „Lady Street Fighter“, USA 1980, R: James Bryan

 

Was gibt es schöneres als halbnackte Frauen, die miteinander kämpfen? Eigentlich nur halbnackte Frauen, die miteinander rummachen! Deshalb macht Miguel Iglesias in „Wild Women“ alles richtig: Dina, Kathy und Sei wohnen auf einer Insel, und am Anfang jagen zwei von ihnen die dritte. Bekleidet sind sie in selbstgemachten knappen Bikinis, und wenn sie kämpfen, dann mit selbstgemachtem Kungfu. Und ab und an sind sie nur in ihren knappen Höschen zu sehen, oben ohne! Ein alter Mann beobachtet sie durchs Fernglas, und dann schreitet er ein, weil der Anfangskampf nur ein Manöver war: Sie alle müssen fit bleiben, falls der Feind kommt.

Erst in irgendeinem der folgenden Dialog wird klar, dass der alte Mann, der sie so freundlich-bestimmt führt, ein Japaner sein soll: José Riesgo spielt Yamata, und wir erkennen, dass dieser Film auf einer wahren Begebenheit beruht. Weil: angelehnt an die Story vom japanischen Offizier auf der einsamen Insel, der nicht mitbekommt, dass der Krieg aus ist; erweitert durch seine drei treuen Frauen, Jungfrauen gar, die er vor ca. 20 Jahren aufgenommen hat. Da waren sie drei schiffbrüchige Kinder, jetzt sind sie seine Armee.

Waschechter Japaner
Harter Schnitt in eine Hafenkneipe, wo ein Pokerspiel aus dem Ruder gerät. Und eine Prügelei sich entspinnt. Und was für eine Prügelei! Käpt’n Paul gegen den alten Walter, der eine zeiht den anderen des Betrugs, und es geht los: Der eine haut den anderen. Der fällt um. Dann steht er auf und haut den ersten. Der fällt um. Dann steht der wieder auf und haut den anderen. Der fällt wieder um und steht wieder auf, und da geht der Tisch kaputt, und der Wirt ist verzweifelt, und der eine sagt, er gibt auf, und als er dann wieder aufgestanden ist, dann haut er wieder den anderen, und der wiederum sagt, er gibt auf, und als er aber wieder steht, da haut er wieder den einen. Und so weiter. Das ist eine Neuerfindung des „tit for tat“ von Dick und Doof, die ja auch immer warten, wie der andere reagiert (sprich: ihnen was antut), nachdem sie ihm irgendwas angetan haben. Prügel Pause Prügel, bis die Polizei kommt. Dann hauen alle ab, und die zwei Prügelnden müssen sich solidarisieren, um rauszukommen. Dabei geraten sie im Keller in ein Schlafzimmer mit einem nackigen Mann und einer nackigen Frau, die auf ihm liegt. Die ist dick, und weil fat shaming damals sehr lustig war, rät Paul, als er mit Walter zum Fenster rausklettert, zu einem Stellungswechsel. „Hab‘ ich probiert, hat nichts geholfen“, so die Antwort aus dem Bett – und das ist nur einer der vielen Höhepunkte der Synchronfassung, die wieder eine Menge Sprüche auf verschlossene Lippen gelegt hat. „Bleib unterm Tisch, du Träne!“ – das hatten wir schon vorher bei der Prügelei gehört.

Kurz gesagt: Walter weiß aus alten Kriegstagen, als er Bomberpilot war, den Ort, wo ein japanisches Schiff mit 400 Millionen Dollar untergegangen ist – just bei der Insel mit Yamato und seinen wilden Frauen. Paul hat das Schiff für diese Abenteuerexpedition, sie machen sich auf, aber ein Großteil der Crew hat aus Geldgier eine Meuterei vor. Einer der Matrosen, der immer Mundharmonika spielt, wird (fast) ermordet und rettet sich auf die Insel. Ein anderer kifft immer und hat Halluzinationen von tanzenden, halbnackten Frauen. Ein Blonder namens Mascareñas lacht immer dreckig. Es gibt also eine Menge Dynamik unter den Filmfiguren, zumal die Frauen sich des verletzten Mundharmonikamannes annehmen und Yamata Paul und Walter als Kriegsgefangene hält, weil sie die Insel durchsuchen. Während die Bösewichter, schwer bewaffnet, Sei fangen und kräftig vergewaltigen. Als Kontrast dazu dient das Anbandeln von Paul an Dina, die er davon überzeugt, kein Feind zu sein, indem er sie das Küssen lehrt. Und auch noch mehr: Als sie ihm die Hose öffnet, hui, da ist sie überrascht und lacht und holt ihre Gefährtinnen, und alle lachen und freuen sich über das, was sie da sehen, und es ist – eine Unterhose mit Stars & Stripes-Flagge. Wieder ein Witz!

Es gibt Fallen im Dschungel und Kämpfe und Verfolgungen, und damit’s für die Herren der Schöpfung im Kinosaal nicht öde wird, baden die feurigen Jungfrauen – so der direkt übersetzte Originaltitel – halbnackt, und Kathy und Sei machen miteinander rum, die eine umspielt die Brüste der anderen, rutscht dann tiefer, es wird romantisch, weil Regisseur Iglesias immer wieder auf glitzernd-wogendes Wasser überblendet.

Der Film wurde von 35mm-Material gezeigt, weil er super selten ist – in D bisher nicht digital erschienen, dabei muss er doch auf jeden Fall auf deutsch gezeigt werden, wegen der Synchro!

 

Nach der lustigen Abenteuer-Erotik führt Jorge Grau in tatsächlich unheimliche Gefilde. Klar ist „Das Leichenhaus der lebenden Toten“ nicht weit von Romeros „Night of the Living Dead“ entfernt, aber doch ganz eigenständig. George hat einen Antiquitätenhandel und reist übers Wochenende nach Norden, Windermere ist das Ziel. An einer Tankstelle zertrümmert Edna sein Motorrad, und er, schnoddrig wie er ist, lässt sich von ihr nicht nur mitnehmen, sondern übernimmt den Fahrersitz. Frau am Steuer, hat man ja gesehn, was rauskommt! Und überhaupt: Er muss nach Windermere. Sie muss nach Southgate. Er fährt sie hin (mit ihrem Auto!), und dann verirren sie sich. Er fragt, sie wartet am Auto. Und hier haben wir also das odd couple der Screwball-Comedy in einem gar nicht komischen Kontext, sondern reingesetzt erstens ins chauvinistische System, das George, der Mann, verkörpert, und andererseits in die Horrorfilm-Standardsituation der im Niemandsland Geparkten.

George will beim Bauernhaus um Rat fragen. Dort ist das Landwirtschaftsministerium grad mitten im Experiment: Radioaktivität gegen Schädlinge, und wenn man die Neutronendiffusion einschaltet, dann hat’s noch durchschlagendere Wirkung. George entpuppt sich als Öko-Späthippie, der Natur Natur sein lassen will, während unten am Bach Edna von einem nassen, wilden, bösen Mann angegriffen wird. Ein Zombie.

Offenbar Guthrie, der Verrückte, ein Landstreicher – der aber vor einer Woche im Bach ertrunken ist. Keiner glaubt ihr. Auch nicht George.

Schnitt ins Haus von Ednas Schwester. Die lebt mit Martin zusammen, der sie rumkommandiert, der sie einsperrt – mit gutem Recht. Weil sie unheilbar heroinsüchtig ist. Sie ist völlig durch. Und wird von Guthrie angegriffen. Während Martin schöne Naturfotos schießt in der Abenddämmerung. Sie flieht zu ihm, der Zombie hinterher, er ermordet mit brutaler Gewalt Martin, der Fotoapparat blitzt unaufhörlich, es ist eine Szene von vager Eleganz, in der sich Brutalität und Schrecken inmitten der schönen Natur entfalten.

Der Inspektor tritt auf, und er ist ein harter Hund. Er weiß natürlich sofort, was los ist, und hier zeigt sich, wie klug und gekonnt Jorge Grau seinen Film komponiert hat. Weil alles, was bisher geschehen ist, auf menschliche Täter hindeuten, aus Sicht der Polizei zumindest. Die Heroinsüchtige, die ihren Mann umbringt, ihre Schwester und ihr Komplize, die ihr nicht nur helfen, sondern im weiteren Verlauf mordsüchtig die Gegend unsicher machen. Haben sie nicht den Film aus Martins Fotoapparat verschwinden lassen? Auf dem sieht man eine völlig aufgelöste Frau, die aussieht, als hätte sie gerade ihren Mann gekillt – dass sie vor einem Zombie fließt, ist eine Interpretation, die polizeilicherseits nicht vorgesehen ist.

George glaubt nicht an Guthries Wiederauferstehung. Im Krankenhaus aber wird er Zeuge von der Aggression frischgeborener Babies, der die Hebammen wie der Arzt ratlos gegenüberstehen – eine der Schwestern flieht mit blutendem, vielleicht gar herausgerissenem Auge aus der Säuglingsstation!

Langsam klärt sich das Bild für George und Edna, die sich aus der Not heraus näherkommen – aber glücklicherweise nicht bis hin zu einer Liebesgeschichte! Das wäre völlig abgeschmackt, und Grau vermeidet das Abgeschmackte bravourös. Auf dem Friedhof kommt’s zum Gemetzel: Zombie Guthrie geht überlegt und planvoll vor, erweckt die frisch Verstorbenen unten in der Gruft, hat den Verwalter schon umgebracht, und in einem perversen Taufritual benetzt er die Augen der Leichen mit dessen frischem Blut. Zu viert gehen sie auf George und Edna los, und auf den Polizisten, der sie beschattet – er wird Zeuge des Übernatürlichen, Unglaublichen, das der Polizei nicht in den Sinn kommt, aber er wird nichts mehr erzählen können.

Der Inspektor sieht klar: Ihr ungewaschenen, stinkenden Langhaarigen, angezogen wie Schwule, Drogen, Sex, Satanismus, Hass auf die Polizei! Es geht in diesem spanischen Film, der in England spielt, um die Unterdrückung durch die waltenden Mächte, um die Borniertheit der Staatsgewalt, um den Konflikt zwischen den Generationen, zwischen den Reaktionären und den Freiheitsliebenden. Und es geht um den Anspruch an absolute Staatsgläubigkeit, nicht nur gegenüber der Polizei, die die Wahrheit für sich gepachtet zu haben glaubt, sondern auch gegenüber der Regierung, die mit ihrem radioaktiven Experiment den Segen einer fruchtbaren Landwirtschaft verspricht: Die Schädlinge werden in ihrem zentralen Nervensystem gestört, fallen übereinander her – natürlich, das hat man getestet, geht das nur bei niedrigen Lebensformen. Dummerweise betrifft es auch Säuglinge. Oder frisch Verstorbene…

Diese untergründige Kritik an Staatsmacht und Staatsgewalt spielt in England, zwischen dem Verbot von „A Clockwork Orange“ und der Kampagne gegen „Monty Python’s Life of Brian“, als die konservativen Moralwächter einen krassen Kampf gegen alles Neue führten – und stammt aus einem noch immer faschistischen Spanien, in dem Franco noch immer herrscht.

Und Grau weiß nicht nur diese Thema souverän durchzuführen – so, dass es nicht im mindesten die Horrorhandlung stört –, sondern bringt auch meisterhaft kleine Details in seine Inszenierung, die diesen Zombiefilm weit über den Durchschnitt heben: Am Anfang sehen wir eine Frau an der Straßenecke, die plötzlich ihren Mantel auszieht und nackt über die Straße läuft, aus Protest: „Freiheit für die Frauen!“; und als wir das erste Mal das Krankenhaus sehen, laufen George und Edna vorne rein – und in einem mit aufreizend unheimlicher Langsamkeit durchgeführten Kameraschwenk sehen wir dann den Hinterausgang, aus dem die Toten rausgetragen werden für die wöchentliche Fuhre ins Leichenschauhaus.

 

Der dritte Film des Abends ist grindhousemäßig rumpelig. „Lady Streetfighter“ heißt dieses im wörtlichen Sinne Amateurwerk, gemacht von einer wahren Liebhaberin: Renee Harmon als Produzentin, Drehbuchautorin und Hauptdarstellerin hat sich hier selbst verwirklicht, das Ergebnis ist dementsprechend allerbeste Unterhaltung! 12.000 Dollar hat der Film gekostet, und man fragt sich, wo das Geld hin ist. Naja, immerhin werden zwei Autos gecrasht – eines davon allerdings, der Legende nach, war das Auto von Harmons Ehemann, das sie halt mitgenommen hat zu Dreh, einen Abgrund runtergestürzt und dann wieder heimgebracht. Den Ehekrach hat sie ausgehalten für die Kunst.

Harmon war leidenschaftliche Filmerin, die sich von Fragen des Könnens oder des Scheiterns nicht aufhalten ließ. Sie hatte auch eine Schauspielschule und gab Drehbuchkurse, so konnte sie auch immer wieder Darsteller rekrutieren – der Legende nach hat sie die Teilnehmer ihre Schauspielkurse dafür zahlen lassen, an ihren Filmen mitzuspielen, und diese so finanziert…

Es ist nicht so, dass sie oder ihr Regisseur James Bryan gar nichts können; Autoverfolgungen sind recht OK, und nächtliche Lichtstimmungen sind auch OK. Aber worum es eigentlich geht bei dem Ganzen, das ist vielleicht nicht einmal ihnen klar. Es gibt eine Handlung; nur passt sie nicht zu sich selbst. Einzelne Szenen sind reingehauen wie unpassende Puzzleteile, Figuren ändern ihre Charaktere nach Belieben, die Dialoge sind - - - ach, man kann es gar nicht aufzählen. Prinzipiell wurde die Schwester von Linda Allen zu Tode gefoltert, hat aber das Geheimnis eines Mikrofilms mit einer Liste von Auftragskillern nicht verraten. Linda selbst tritt auf, warum ist egal, sie wird gleich mal von zwei Killern angegriffen, aber sie ist nicht umsonst „Lady Streetfighter“ – Harmon hat eigens Martial Arts-Kurse genommen, um so richtig kicken und schlagen zu können!

Das FBI ist auch mit dabei. Der alte Chef lässt sich von einem seiner freien Undercover-V-Männern berichten. Dann bekommt der einen Anruf, natürlich von Linda, weil dies Teil der Handlung ist, so, wie sie im Drehbuch steht, falls es eines gegeben haben sollte. Die räkelt sich in durchsichtigem Negligé auf dem Bett und stöhnt dem V-Mann voll ins Ohr, der windet sich in zunehmender Geilheit. Zumal der FBI-Chef sich gerade eine Zigarre ansteckt, und sie dabei von allen Seiten oral ableckt.

Derart sind die Szenen des Films: Immer auf den Effekt hin, immer auf Sex und Action hin, und immer darauf aus, Linda Allen = Renee Harmon gut aussehen zu lassen. Alle möglichen Haupt- und Nebenfiguren versichern ihr ständig, wie toll sie aussieht, was für tolle Brüste und wie toll ihre Figur – Drehbuchautorin Harmon gibt Hauptdarstellerin Harmon so richtig Zucker.

Sie ist auch gern mal nackt, unter der Dusche beispielsweise. Wir sehen auch den Duschkopf in Großaufnahme, und den Abfluss – und ha, das ist auf keinen Fall eine zufällige Hitchcock-Referenz! Allenfalls eine ausgesprochen schlecht hingeschluderte. Irgendein Typ durchschleicht das Appartement, und wie ein Blitz ist Linda raus aus der Dusche, weil geprügelt werden muss! Was wollte nun der Typ? Einen Teddybär! Den schlitzt Linda auf, darin eine Musikkassette, besprochen von ihrer Schwester, ich weiß nicht mehr warum. Damit soll irgendetwas erklärt werden, warum wer wie und was, aber das Gesabbere in all den Dialogen erklärt genau nichts, beziehungsweise noch weniger, weil alles mehr verwirrt wird.

Der FBI-Undercoveragent ist der Bösewicht. Linda verführt ihn. Er ist in sie verliebt. Will sie aber auch töten. Sie will ihn auch töten, ist vielleicht auch verliebt. Ein mexikanischer Messerrumfuchtler tut so, als wäre er freundlich, lobt ausgiebig Lindas Titten, dann tötet er Max Diamond und dessen Familie. Max Diamond ist irgendwann aufgetaucht als Name, aus der lauen Luft, er ist reich, handelt mit Drogen und Auftragskillern. Ist aber sehr nett und freundlich! Als kleines Aperçu hat er eine erwachsene Tochter mit dem mindset einer Fünfjährigen. Eine Party ist wirklich krass, da wird geflirtet und gestrippt, und Linda lässt Max an ihren Schuhen lecken, weil er das geil findet, und drei Männer in Toga werden durch den Filmschnitt immer wieder reingekloppt, wie sie sich zutrinken und „Toga! Toga! Toga!“ rufen, das kommt vier, fünf Mal vor.

Ein Kloster gibt es auch, dort ist wahrscheinlich irgendwo der Mikrochip versteckt. Das Kloster wird am Ende in die Luft gesprengt, das heißt, wir sehen ein brennendes Modellhaus von der Spielzeugeisenbahn oder so, das muss ja auch reichen.

Schießereien gibt es auch immer wieder. Und Linda weiß sich der Killer zu erwehren – eines der Autos, die in den Abgrund stürzen, zündet sie mit einem lässigen Schnipsen des Feuerzeugs in die Benzinlache an, der Bösewicht dadrin verbrennt mit Schreien – und mit einem ausgestreckten Mittelfinder, den er ihr brennenden Armes noch entgegenreckt.

Man kann das alles nicht kapieren, und man muss akzeptieren, dass man es nicht kapiert. Harmon hat den Film schon 1975 gedreht, wer weiß, warum er dann erst 1980 rauskam – vielleicht, weil noch am Soundtrack gebastelt werden musste, der aus 80er-Synthie-Sound besteht? Nein, nicht einfach irgendwas hingeschleudert, sondern eine unglaublich bizarre, auf Synthesizer- und Drumcomputerloops draufgepappte Neuversion von Ennio Morricones „Drei glorreiche Halunken“-Musik.

Renee Harmon wurde 1927 in Mannheim geboren, ist nach dem Krieg mit ihrem Mann, einem GI, nach USA gezogen. Es stört sie nicht im Geringsten (und wird von ihrer merkwürdig verschobenen Selbstwahrnehmung wahrscheinlich ausgeblendet), dass sie mit krassem deutschem Akzent durch den Film spaziert. „Hellau, hellau!“ bellt sie ins Telefon, und „wot is häppening hier“ denkt der Zuschauer.

 

Harald Mühlbeyer