Nippon 2010: “Sawako Decides” – Das Fräulein vom Land
“Sawako Decides” / “Kawa no soko kara konnichi wa”
Japan 2009, Regie: Yuya Ishii
Mit „Sawako Decides“, dem bei dem hochangesehenen PIA Filmfestival prämierten Film von Yuya Ishii, leuchtete zum letzten Mal die Leinwand der Nippon Connection 2010.
Der Film erzählt mit viel Humor die Geschichte von Sawako, gespielt von Hikari Mitsushima, die auch in „A Piece of Our Life –Kakera“ bei der diesjährigen Nippon Connection zu sehen war. Nach 5 Jahren, 5 Freunden und 5 Berufen in Tokyo ist Sawako zur Überzeugung gekommen, sie sei ein unterdurchschnittlicher Mensch, und gefällt sich in dieser Situation zusammen mit ihrem unsympathischen Freund und dessen abweisender kleinen Tochter. Kenichi, ihr Freund, arbeitet in einer Firma, die Spielzeuge herstellt, wird aber bald gekündigt, nachdem er eine Mutter mit Rädern als Spielzeugauto erfindet. Natürlich behauptet er, dass er nicht die Schuld daran trage und auch überhaupt nicht gefeuert worden sei, sondern eben das Ökoleben für sich entdeckt daher seinen Job gekündigt habe und sich jetzt aufs Land zurückziehen möchte. Besonders günstig ist der Moment, denn Sawakos Vater liegt im Sterben und seine Firma braucht eine führende Hand.
So befindet sich Sawako in der Situation, zwischen Trennung und der Reise nach Hause zu wählen. Eine Reise, die sie nicht besonders gerne machen möchte, weil sie seit fünf Jahren, nachdem sie mit dem örtlichen Kapitän der Tennismannschaft durchgebrannt ist, nicht mehr mit ihrem Vater geredet hat. Aber als unterdurchschnittlicher Mensch hat man nicht so viel herumzuwählen und Kenichi besteht darauf aufs Land zu ziehen, also geht es ab in ihren Heimatsort.
Dort wird Sawako mit Verständnismangel von allen Seiten konfrontiert, von den Angestellten der Firma ihres Vaters, wo sie jetzt die Geschäfte führt, bis hin zum zufällig vorbeifahrenden Fischer. Die Situation nimmt mehr und mehr kafkaeske Dimensionen an, die sich zusätzlich in einem politischen Kontext integrieren lassen, denn „Sawako Decides“ ist auch ein Film über die globale Finanzkrise. Somit gehört er den Filmen an, die dieses Jahr bei Nippon Stadt und Land vergleichen.
Voller Geschick weckt die Handlung des Films im Zuschauer den Wunsch, dass Sawako endlich gegen die verständnislose Welt um sie herum rebelliert. Dafür ist aber natürlich die Rebellion gegen das eigene Selbstbild nötig. Dass Sawako dieses nicht findet, ist in erster Linie ausschlaggebend für die Art, wie der Film mit Standardsituationen umgeht: sein Humor besteht meistens darin, dass Sachen verkehrt passieren, wie beispielsweise, dass Sawako als Chefin von ihren eigenen Untertanen geschimpft wird. In zweiter Linie lässt sich Sawakos Ablegen der Unentschlossenheit und der Unsicherheit trotz des Fehlens ihrer Rebellion gegen sich selbst als eine Aussage zur Bekämpfung der Finanzkrise lesen: wie sie selber sagt, sind wir alle unterdurchschnittlich, uns geht es schlecht, darum müssen wir uns umso mehr bemühen, dass wir alles auf die Reihe kriegen.
Alles in allem ist Sawako Decides sehr gelungenes Unterhaltungskino mit leisen politischen Tönen. Aus Natur, Wirtschaft und Exkrementen schmiedet Regisseur Yuya Ishii eine packende, rührende, aber vor allem skurrile Parabel der Wirtschaftskrise.
Ciprian David
“Sawako Decides” / “Kawa no soko kara konnichi wa”
Japan 2009
Regie: Yuya Ishii
Darsteller: Hikari Mitsushima, Masashi Endo
112 Min.