Nippon 2010: „Oh, My Buddha!“ - Der Charme der 70er und das Problem, keine Probleme zu haben

„Oh, My Buddha!“, Japan 2008. Regie: Tomorowo Taguchi


Ein Mädchen liegt im Sterben, immer wieder stoppt ihr Herz, immer wieder kehrt sie zurück ins Reich der Lebenden, sobald ihr Name gerufen wird. Natürlich ist es ihr Wille, der sie am Leben hält - sie wartet auf ihren Freund Jun, der schließlich kommt und ein kitschiges Liebeslied auf seiner Gitarre spielt, sodass sie getrost sterben kann. Bereits die Eingangsszene von „Oh my Buddha“ etabliert die meisten der wichtigen Themen des Films, auch wenn der Film sich in eine ganz andere Richtung bewegen wird.

Natürlich ist die drastisch kitschige Eingangsszene nur ein Tagtraum der Hauptfigur Jun - der hat nämlich eben keine Freundin, erst recht keine, die ihn herbeisehnt, und er leidet darunter, kein Unglück zu haben. Elend gibt Musikern etwas, worüber sie singen können, sinniert er, was also sollte man tun, wenn man ein glückliches Kind zweier offenbar glücklicher Mittelstand-Eltern ist?

Ganz problemfrei ist sein Leben natürlich nicht, denn neben dem Keine-Freundin-Haben hat Jun auch Probleme mit den „Jocks“ an seiner Schule, die mit „Humanities“ wie ihm nichts zu tun haben wollen und ihn bei jeder Gelegenheit verprügeln. Einen Ausweg aus dem trüben Alltag scheint die Hippie-Kultur zu bieten – wir befinden uns im Japan der 1970er. Der Nachhilfelehrer döst lieber auf Juns Bett und klärt ihn über Kondome auf, als über Mathe zu sprechen - und Juns Schulfreunde haben die Idee, zu einer Insel zu fahren, auf der es angeblich „free sex“ gibt - „wie in Schweden“!

Der Regisseur Tomorowo Taguchi ist international bekannt als Schauspieler (u.a. „Tetsuo“) und hat mit „Oh, My Buddha!“ seinen zweiten Spielfilm vorlegt. Er verfilmt den autobiographischen Roman eines Freundes und porträtiert damit sowohl die Zeit seiner eigenen Jugend als auch den Mittelstand, von dem er sagt, er werde viel zu selten in Filmen gezeigt - weil der Mittelstand zu wenig Probleme hat und darum im Film schnell langweilig wirken kann.

„Oh, My Buddha!“ ist allerdings so beschwingt, so energiereich gespielt und pointiert erzählt, dass er keine Sekunde langweilt. In gewisser Weise bietet der Film alles, was „8000 Miles“ bieten wollte, wobei hier allerdings mit sehr viel mehr Raffinesse gearbeitet wurde. Der Film lässt genug Luft, um das gut gebaute dramaturgische Gerüst mit reichlich Leben zu umhüllen. Jede Figur hat ihre eigenen kleinen Momente und wird von den Schauspielern und der Regie liebevoll ausgestaltet. Der Musik werden ganze Szenen zugestanden, was völlig angemessen ist, da der Wandel vom frühen „softeren“ Bob Dylan zum veritablen Rock eins der großen Themen des Films darstellt.

Für ein westliches Publikum ist dabei wahrscheinlich besonders spannend, zu beobachten, wie sich die 70er - mit allem was dazugehört - in Japan geäußert haben. Bob Dylan wird diskutiert, von freier Liebe geschwärmt und gesungen; gleichzeitig schlägt aber bei jeder Gelegenheit die anerzogene Scheu wieder durch. Als ein Mädchen Juns Arm umfasst, schreckt er zurück: „Die Leute schauen alle!“

„Oh, My Buddha!“ ist eine Komödie, ein Musik-, Coming-of-Age- und Liebes-Film, der gekonnt seine Effekte erzielt und es gleichzeitig schafft, persönlich zu wirken. Tomorowo Taguchi hat bereits angekündigt, dass er weiter als Regisseur arbeiten will, auch wenn der Job mit sich bringt, dass man nie zum Essen komme. Man darf gespannt sein, in welche Richtung er sich weiterbewegt.


Martin Urschel


„Oh, My Buddha!“, Japan 2008.
Regie: Tomorowo Taguchi. Drehbuch: Kosuke Mukai nach einem Roman von Jun Miura. Musik: Yoshihide Otomo.
Darsteller: Daichi Watanabe, Kazunobu Mineta, Shigeru Kishida, Chiemi Hori, Lily Franky
Länge: 114 Min.
www.shikisoku.jp