Kino: „Young Victoria“ - Die Liebe einer Königin
„Young Victoria“, GB / USA 2009, Regie: Jean-Marc Vallée
Keine andere berühmte Monarchin trägt diesen Namen, keine andere englische Königin regierte so lange wie sie, nur Elisabeth I. hat einen ähnlichen Status inne wie sie inklusive der nach ihr benannten Epoche. Beim Lesen des Titels weiß man’s: es geht um Queen Victoria – um die Mädchenjahre einer Königin.
Und so ist die Titelheldin auch das absolute Zentrum der Geschichte, nur am Rande geht es um ihre Zeit, ihr Land, ihr weiteres Leben. Die kleine Victoria wächst ohne das Wissen um ihre Stellung in der englischen Thronfolge auf, streng behütet und abgeschirmt von ihrer Mutter (Miranda Richardson) und deren machthungrigem Sekretär und Geliebten Sir John (Mark Strong). Diese versuchen sie auch weiterhin unter Kontrolle zu halten, als endgültig feststeht, dass Victoria (Emily Blunt) Königin werden wird, weil ihre Onkel keine weiteren Kinder zeugen. Stur schafft es die trotz ihrer bisherigen Abgeschnittenheit von der Welt erstaunlich selbstbewusste Victoria, sich der Einflussnahme zu widersetzen. Als sie dann 18jährig gekrönt wird, verlässt sie sich auf den Rat des Premierministers Lord Melbourne (Paul Bettany).
Doch ist es bei all dem Beziehungsgeflecht am Hof und den unterschiedlichen persönlichen und politischen Interessen der Menschen, die sie umgeben, sehr schwer für sie zu entscheiden, wer ihr wirklich hilfreich beisteht und wer sie nur als Spielfigur zu seinem Vorteil ausnutzt. Ihr Onkel mütterlicherseits zum Beispiel, König Leopold von Belgien (Thomas Kretschmann), plant seit Jahren, Victoria mit ihrem deutschen Cousin Prinz Albert (Rupert Friend) zu verheiraten. Beide jungen Leute wissen von diesen Absichten und sträuben sich gegen diese Verbindung, weil sie die Fremdbestimmung ablehnen. Und trotzdem sind sie sich bei ihrem ersten Treffen sofort sympathisch. Es dauert einige Zeit, bis Victoria wirklich glauben kann, dass Albert nicht vorhat, sie zu kontrollieren, sondern sie zu unterstützen. Doch als sie in ihre erwachsenen Rollen eingewachsen sind, ein Kind haben, endet der Film mit der Aussicht auf die lange, gute Liebe und Zusammenarbeit des Paares.
Die Handlung hält sich ungefähr an den historischen Ablauf, doch verspricht der Film natürlich keine Genauigkeit in faktischen Details. Auch gibt er anders als thematisch verwandte Filme wie „Elizabeth“ keinen genauen Einblick in die komplizierten Machenschaften innerhalb der Politik und des Hofstaates. Außerdem stellt er nicht den Prunk und die Dekadenz der Herrscher dar, wie dies zum Beispiel in „Marie Antoinette“ geschieht. „Young Victoria“ wirft keinen Außenblick auf die Epoche, daher wäre es unnötig den Lebensstil der Königin genau zu rekonstruieren und kritisch zu betrachten, er konzentriert sich eher auf die Gefühle und die Liebe seiner Figur. Dies macht den Film zu einer kurzweiligen Liebesgeschichte vor historischem Hintergrund. Es ist vielleicht auch mit das Interessanteste an Victorias realer Person, dass eben aus einer arrangierten Ehe in Wirklichkeit eine tiefe Liebe und Zweisamkeit entsprang im Gegensatz zu den vielen anderen Beispielen aus den Königshäusern Europas.
Der Film erzählt diesen Beginn ihrer Liebesgeschichte mit einigen eher ungewöhnlichen Kameraoperationen. So zeigen die Bilder viel weniger als in vergleichbaren Filmen große Panoramen der Bälle und Festessen, ebensowenig pompöse Details der Kleider und Dekorationen. Sehr oft sind Victoria und auch Albert und ihr Onkel, König William und sein Gefolge, in Großaufnahme zu sehen, um sie herum alles unscharf, die gefüllten Tische, die anwesenden Würdenträger und schönen Damen. Dies macht die Begrenzung auf die privaten Gefühle der Personen deutlich und verbildlicht außerdem das für sie oft nicht zu durchblickende Leben in ihrer Position.
Zuletzt sei ein Hinweis erlaubt für all diejenigen, die sich in Kürze über die spannende und langjährige Geschichte der britischen Monarchie, und ihrer Königinnen im Besonderen, informieren wollen. Dazu bietet Marita A. Panzers Buch „Englands Königinnen“ erstaunlich unterhaltsame kurze Darstellungen der Biografien der Königinnen mit Auszügen aus historischen Dokumenten und verständliche Verweise auf die politische und gesellschaftliche Lage sowie die familiären Hintergründe.
Wer allerdings nur oder zudem Lust auf eine historische Liebesgeschichte mit den obligatorischen, aber nichtsdestoweniger schön anzusehenden, im übrigen oscarprämierten Kostümen, ebenso schönen Bildern mit teilweise herausragenden Aufnahmen und durchweg hochkarätigen Schauspielern hat, ist bei „Young Victoria“ gut aufgehoben.
Elisabeth Maurer
„Young Victoria“, GB / USA 2009, Regie: Jean-Marc Vallée
Regie: Jean-Marc Vallée. Drehbuch: Julian Fellowes. Kamera: Hagen Bogdanski. Musik: Ilan Eshkeri. Produzenten: Sarah Ferguson, Tim Headington, Graham King, Martin Scorsese.
Darsteller: Emily Blunt, Rupert Friend, Paul Bettany, Miranda Richardson, Mark Strong
Verleih: Capelight
Laufzeit: 105 min
Start: 22.4.2010
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