Eine Familie im Spätsommer - „Home“ mit Isabelle Huppert jetzt auf DVD

Von Elisabeth Maurer




In der Tragikkomödie „Home“ der Schweizerin Ursula Meier spielt Isabelle Huppert Marthe, die mit ihrem Mann Michel und den drei Kindern Judith, Marion und Julien in einem Haus an einer nie fertig gestellten Autobahnstrecke mitten in weiten Feldern lebt. Alle fühlen sich wohl in dieser Abgeschiedenheit, und die Kinder verwenden die unbefahrene Autobahn als Spielplatz. Doch dann wird die Straße doch noch fertiggestellt, und als die Autos kommen, gerät das glückliche Familienleben immer mehr ins Wanken.

Die hohen, durch die Hitze schon braungefärbten Felder um ihr Haus und die tiefstehende Sonne legen über die Bilder eine spätsommerliche Atmosphäre, wodurch der Film von Anfang an eine gewisse Wehmut innehat. Die Autobahn ist zwar zunächst als fester Bestandteil des Familienlebens zu sehen. Doch steht sie auch für eine ständige Bedrohung der Idylle. Die Familie lebt anscheinend harmonisch zusammen, der ungezwungene und freie Umgang miteinander erinnert an das Leben in einer Hippiekommune. Aber schnell wird klar, dass es auch Probleme gibt, es wird zum Beispiel angedeutet, dass Marthe aufgrund negativer Erfahrungen ihr Zuhause nicht verlassen will, nicht einmal zum Einkaufen. Die älteste Tochter Judith langweilt sich und verbringt ihre Zeit nur auf der Sonnenliege. Die sechzehnjährige Marion hingegen schämt sich ihres Körpers und hat mit der Pubertät zu kämpfen. Diese Konflikte brechen mit Inbetriebnahme der Autobahn auf, da nun die Außenwelt in die Abgeschlossenheit eindringt. Ihr alternatives Leben kann die Familie nur aufrechterhalten, solange sie sich abschottet.

Damit steht die Autobahn eben auch für eine Grenze zur restlichen Welt und zur Realität. Auffällig ist, dass die Familie immer über die Straße gehen muss, um irgendwo anders hinzugelangen, selbst zum Picknicken, auf ihrer Seite der Autobahn scheint es keinen Weg zur anderen Welt zu geben. Vor allem Marthe versucht, diese Grenze aufrechtzuerhalten, weil sie sich selbst auch nicht traut, sie zu überschreiten und Gefahren für ihre Familie außerhalb ihres Heimes fürchtet. Als die Situation durch die Belastung des Autoverkehrs durch Lärm und Verschmutzung für die Familie immer unerträglicher wird, will Michel das Zuhause verlassen. Doch Marthe weigert sich, und ihr Mann fühlt sich verpflichtet, seine Familie durch drastische Mittel zusammenzuhalten. Nur ein Aufwachen Marthes und ein Erkennen ihrer Lage bewahrt die Familie vor einem schlimmen Ende.

Die Mutter muss erkennen, dass sie ihre Kinder nicht vor der Welt schützen kann, dass ein Einbruch der Realität unaufhaltsam ist und sie zum Weiterleben Veränderungen zulassen muss. So zeigt sich, dass Judith durch die neue Autobahn die Emanzipation von ihrer Familie gelingt, und auch Marion wird durch die neue Situation selbstbewusster. Übertragen gesehen zeichnet der Film das Bild einer Familie in ihrem Spätsommer, wenn sich alle Kinder langsam loslösen. Die Mutter, deren Leben sich bisher nur darum drehte, den Kindern eine unbeschwerte Kindheit und ein harmonisches Heim zu bieten, muss nun ihrerseits eine Weiterentwicklung zulassen, sonst steht das Ende der Familie bevor.

Meier porträtiert diese Familie in ihrem ersten Kinofilm durch die Präsentation von ihrem Alltagsleben in traurigen und komischen Momenten, Mittelpunkt ist natürlich die sehr zerbrechlich wirkende Huppert, aber auch die anderen Darsteller ziehen den Zuschauer in ihren Bann, vor allem der junge Kacey Mottet Klein als Julien.

Die nun veröffentlichte DVD bietet neben Trailern und der Originalfassung keine weiteren Extras, doch lohnt es sich auf jeden Fall den Film anzusehen, der ja leider nur kurz in den Kinos zu sehen war.


Lesen Sie auch unsere Kritik zu "Home", die zum Kinostart erschienen ist.

Regie: Ursula Meier. Drehbuch: Ursula Meier, Antoine Jaccoud, Raphaëlle Valbrune, Gilles Taurand, Olivier Lorelle. Kamera: Agnès Godard. Produzenten: Denis Delcampe, Denis Freyd, Thierry Spicher, Elena Tatti.
Darsteller: Isabelle Huppert, Olivier Gourmet, Adèlaide Leroux, Madeleine Budd, Kacey Mottet Klein
Vertrieb: Arsenal Filmverleih
Laufzeit: 98 min
Veröffentlichung: 15.1.2010

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