DVD: TAKING WOODSTOCK
Was immer bleibend wird
Zuerst sind statische Aufnahmen des kleinen Ortes Bethel und des Motels „El Monaco“ zu sehen. Das Bild teilt sich, im Splitscreen werden verschiedene Ansichten gleichzeitig gezeigt. Der Beginn des Films verweist also gleich auf die Rezeption des berühmten Festivals, darauf, wie Woodstock überhaupt als so einem „planetarischen Ereignis“ (Allen Ginsberg) wahrgenommen wurde. Maßgeblich dafür war neben den entstandenen Musikmitschnitten eben der Dokumentarfilm von Michael Wadleigh, der Konzertaufnahmen zeigt und auch von den Vorbereitungen bis zum Abbau Bilder des Drumherums einfängt. Wadleigh verwendet dabei ebenfalls Splitscreens um mehrere Moment auf einmal sichtbar zu machen.
Hier zeigt das geteilte Bild zunächst den abgeschiedenen Ort, die rosa blühenden Wiesen, Rehfiguren im Vorgarten, alles im herrlichen Sonnenschein. Doch bei genauerem Betrachten ist die Idylle nicht perfekt. Die Holzhäuser wirken heruntergekommen, von den Reklametafeln blättert die Farbe, längst vergangen ist der Glanz, den sie in den 50ern gehabt haben. In dem Land ist nicht alles gut, natürlich wird später auf den Vietnamkrieg verwiesen, auf die Rebellion der Jugend gegen übertriebene Strenge und Ungerechtigkeit. Bethel allerdings scheint der letzte Ort zu sein, wo Veränderungen Einzug halten können, vielmehr ist er dem langsamen Untergang und Verfall geweiht.
Sinnbild dafür sind die Inhaber des örtlichen Motels. Juden, die während des Krieges aus Rußland geflüchtet sind. Sonia Teichberg (Imelda Staunton) haben die Erfahrungen der Flucht, der Entbehrungen, starrsinnig, herrisch und geizig gemacht. Ihr Temperament und ihre Unbeweglichkeit wirtschaften das „El Monaco“ in den Ruin. Ihr Ehemann Jake (Henry Goodman) hat resigniert, wirkt gebrechlich und älter als er eigentlich ist. Der Sohn Elliot (Demetri Martin), Anfang 20, kommt über den Sommer nach Hause, um seinen Eltern zu helfen, ihre Existenz zu retten. Elliot scheint der einzige zu sein, der dort irgendeine Initiative zeigt, er hat Bethel noch nicht aufgegeben. So organisiert er jedes Jahr ein kleines Festival mit örtlichen Bands und Künstlern und lässt eine Hippie-Theatergruppe in der Scheune leben. Doch seine Bemühungen werden wenig honoriert, vor allem nicht von seiner Mutter.
Da liest Elliot in der Zeitung, dass der Bürgermeister einer Nachbargemeinde es untersagt hat, dort ein Musikfestival auszurichten. Kurzerhand meldet sich Elliot bei den Organisatoren, schließlich besitzt er die Genehmigung zur Ausrichtung einer solchen Veranstaltung. Plötzlich landen Hubschrauber im Vorgarten des ländlichen Motels und schwarze Limousinen fahren vor. Der junge Musikproduzent Michael Lang (Jonathan Groff) ist sofort begeistert. So ist es endgültig vorbei mit der Ruhe in Bethel. Das „El Monaco“ wird zum Hauptquartier der Veranstalter, die zunächst natürlich sehr skeptische Sonia lässt sich durch das für sie unglaublich viele Geld, das Lang ihr bringt, dazu überreden.
Schon bald kommen auch erste Gäste und schnell wird klar, dass das Festival viel größer werden wird, wie alle in Bethel vermutet hatten. Die Alteingesessenen des Ortes sind darüber nicht erfreut, feinden Elliot an, da er die Hippies zu ihnen gebracht hat. Doch andere, wie der junge, verstörte Vietnamveteran Billy (Emile Hirsch), der bisher völlig verloren in seiner alten Heimat wirkte, blühen durch den Kontakt mit all den Fremden, die so frei und freundlich miteinander umgehen, wieder auf. Ebenso ergeht es Elliots Vater, der neuen Lebensmut schöpft, und endlich erkennt, dass sein Sohn sich loslösen muß und ein eigenes Leben beginnen soll, in mitten dieser jungen Menschen. Selbst Sonia hat einen kurzen Moment, wo sie sich ihrem Sohn öffnet. Elliot findet wirklich während dieser Tage zu einer eigenen Identität, er kann seine Homosexualität zugeben und am Ende seine Heimat ohne schlechtes Gewissen verlassen, schließlich hat er ihr endlich die nötige Veränderung und eine andre Perspektive auf das Leben gebracht.
Regisseur Ang Lee (“Brokeback Mountain“, “Tiger and Dragon”) verzichtet darauf, die Musikerauftritte in Woodstock zu zeigen. Sein langjähriger Drehbuchautor James Schamus verarbeitet in dem Drehbuch die Erinnerungen des echten Elliots, verändert sie jedoch. Es geht Lee und Schamus nicht um eine Rekonstruktion der Ereignisse, auch nicht um eine kritische Betrachtung des Festivalgeschehens mit Drogenexzessen, Verletzungen, schlechter Versorgung und schrecklichen Wetterbedingungen. Nicht, dass diese Dinge ausgeblendet werden, aber alles, was Lee zeigt, steht unter dem Thema der Liebe, der Freiheit, der Gemeinsamkeit. „Taking Woodstock“ ist eben kein Film über das reale Festival, sondern über die Bedeutung und den Zauber, den es später, bis heute, innehat. Der nostalgische Blick machte Woodstock zu dem, was es heute ist. Es ist der Inbegriff für alles Positive der Hippiekultur. Zwar wird in der letzten Unterhaltung im Film zwischen Elliot und Lang von dem Festival in Altamont gesprochen, das kurze Zeit später das Scheitern der Hippiebewegung markieren wird, als dort ein Fan beim Konzert der Rolling Stones getötet wird. Doch Woodstock wird davon nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, das Festival wird für alle Zeiten das Festival der Liebe und der Musik sein und bietet auch heute noch jungen Menschen wie Elliot die Möglichkeit von Frieden, Liebe, Freiheit zu träumen.
Auf seinem Weg zum Konzertgelände trifft Elliot einmal einen Polizisten, der ihm erzählt, er sei eigentlich nur gekommen, um ein paar Hippies zu verhauen, doch irgendwie sei er doch von ihnen in ihren Bann gezogen worden. Daraufhin macht er ein Peacezeichen. Ähnlich ergeht es dem Zuschauer bei Lees Film. Wenn mancher vielleicht eine ernstere Beschäftigung mit dem Thema sehen wollte, ein anderer sich vielleicht wünschte, mehr von den Musikern zu sehen, oder noch ein anderer einen so beeindruckenden Lee-Film wie seinen letzten großen Erfolg „Brokeback Mountain“ zu sehen hoffte, ganz kann sich keiner der Stimmung in Lees Bethel entziehen.
„Taking Woodstock“ erscheint auf einer DVD, die neben dem Audiokommentar des Regisseurs entfallene Szenen, ein sehenswertes Making Of, sowie zwei kurze Featurettes enthält.
Elisabeth Maurer
DVD "Taking Woodstock"
Regie: Ang Lee
Drehbuch: James Schamus nach dem Roman von Elliot Tiber
Kamera: Eric Gautier
Musik: Danny Elfman
Produzenten: Ang Lee, James Schamus
Darsteller: Demetri Martin, Imelda Staunton, Henry Goodman, Emile Hirsch, Liev Schreiber, Jonathan Groff
Vertrieb: Universal
Laufzeit: 120 min
Veröffentlichung: 18.2.2010
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