Die neuen Slumdog Millionaires kommen aus Mexiko - „Kick it: Zwei wie Feuer und Wasser“
Von Ciprian David
„Rudo y Cursi”
Mexiko 2008, Regie, Buch: Carlos Cuarón. Kamera: Adam Kimmel. Musik: Leonicio Lara. Produktion: Alfonso Cuarón, Alejandro Gonzales Iñárritu, Guillermo del Torro, Frida Torresblanco
Darsteller: Gael García Bernal, Diego Luna, Jessica Mas, Dolores Heredia, Guillermo Francella
Länge: 98 Min
Verleih: Universum Film Home Entertainment
DVD-Verkauf ab 15.01.2010
Ein Hauch Frische lässt sich mit dem neuen Film von Carlos Cuarón aus Südamerika spüren. Mit den Regisseuren Alfonso Cuarón, Alejandro Gonzales Iñárritu und Guillermo del Torro als Produzenten wird schon die Entstehung von „Kick it: Zwei wie Feuer und Wasser“ zu einem Märchen.
Der Film erzählt die Geschichte zweier Halbbrüder, Tato (Gael García Bernal) und Beto (Diego Luna), die irgendwo in der mexikanischen Provinz auf einer Bananenplantage arbeiten. Die harte Arbeit auf der Plantage, das wenige Geld, die große Familie, die davon kaum Leben kann, sind Teile eines Universums, in dem sich die zwei, auch Hobbyfußballer, mit spielerischer Leichtigkeit und Lebensfreude bewegen. Träume von einem besseren Leben sind ein wichtiger Bestandteil der Überwindung der materiellen Not.
Doch alles ändert sich rasant, nachdem die zwei vom Talentsucher Batuta (Guillermo Francella) entdeckt werden und sich auf einmal als Profifußballer der ersten Liga wiederfinden. Das neue Leben spielt sich jetzt zwischen Stadion, Villa und Medien ab, statt alter Bekanntschaften strömen auf einmal berühmte oder obskure Persönlichkeiten in das Leben der zwei. Doch das neue Universum ist mindestens genauso dynamisch wie die Protagonisten in der Arena: mit Geld tauchen neue, komplexere Probleme auf, denen die ehemaligen Bananenpflücker nicht gewachsen sind. Leidenschaften werden durch die neue Umwelt ausgebeutet, seien es Liebe, Spielsucht oder Drogen, und verwandeln ehemals glückliche Leben in verzweifelte Rennen nach Ruhm, Anerkennung und sogar Überleben.
Dabei ist dies kein Film über Fußball. Das Spiel bietet sich als Rahmen an und als Metapher der südamerikanischen Ungezwungenheit, des spielerischen Umgangs mit dem Leben, denn das ist, was die zwei Protagonisten ausmacht.
„Kick it: Zwei wie Feuer und Wasser“ greift auf ein klassisches Motiv des Kinos zurück, das des sozialen und materiellen Aufstiegs, um es durch Mexiko als Geschehensrahmen neu durchleuchten zu lassen. Denn vom Augenblick ihrer Entdeckung durch Batuta bis zum Ende des Films schaffen es die zwei Brüder, ihre Art, die Welt anzuschauen, nicht anzupassen.
Trotz seines Erfolges als Fußballer will Tato nicht auf seinen Traum verzichten, im Musikgeschäft eine ähnliche Position zu erobern. So wird ihm ein Musikvideo dank seiner Berühmtheit gegönnt, in dem deutlich wird, wie verankert er in der kitschigen Folklore seines Heimatsortes ist, wie unpassend sein Verhalten und sein Ruhm sich gegenüberstehen. Von der Schwärmerei für eine Teleshopping-Moderatorin kann er trotz seines neuen Status nicht ablassen, und das wird ihm in der Beziehung mit der Frau zum Verhängnis.
Seinem Bruder Beto ergeht es ähnlich. Einerseits kultiviert er weiter seine Spielsucht, bereichert sie noch mit Drogenkonsum und gerät somit in verhängnisvolle Beziehungen zu den dunklen Mächten der Gesellschaft. Vom Denken im Rahmen der alten Umwelt kann er auch nicht ablassen: Obwohl finanziell durch den Fußball gesichert, verkauft er kosmetische Produkte nur um das besser zu machen, was seiner Frau eine gewisse Unabhängigkeit gesichert hat.
Fußballspielen wird zunehmend zu einer Kulisse des Spiels der Medien und der bereits etablierten Ausbeuter mit den Protagonisten, die Spiele werden zunehmend Verpflichtungen gegenüber Dritten.
Dass die rechte Ecke des Tores beim Elfmeterschießen aus der Perspektive des Torwarts nicht dieselbe ist wie aus dem Blickwinkel des Stürmers, wird durch Wiederholung vor dem letzten Akt zur visionären Anfangsszene des Films. Die Ansichtsunterschiede der zwei Brüder sowie derer Starrheit lassen sich trotz der radikalen Änderungen um sie herum nicht ändern, sie werden somit zu einem ironischen Beispiel der sozialen Spaltung der Gesellschaft in Lateinamerika und der daraus resultierenden Unstimmigkeiten.
Was die Charaktere sympathisch macht und den Film bestimmt, ist ihr spielerischer Umgang mit den Geschehnissen. Temperamentvoll und unschuldig wie zwei Kinder, gepflückt und begleitet von einer ebenso leichten und spielerischen Kameraführung, erleben sie große Umwälzungen mit unerschütterlichem Optimismus, bis sie am Ende des Films der Welt zurückgegeben werden.
Die intime Nähe zwischen den Charakteren lässt sich durch die zahlreichen, teils sehr aufschlussreichen Interviews mit den Schauspielern, Produzenten und dem Regisseur auch auf der Entstehungsebene des Films wiedererkennen. Nicht zuletzt befindet sich unter den Extras Tatos „sehenswertes“ Musikvideo in voller Länge.
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