Achtung, die Cyber-Orks kommen! - "Pandorum" von Christian Alvart

von Sarah Böhmer

„Pandorum“
USA 2009, R: Christian Alvart, B: Travis Milloy, K: Wedigo von Schultzendorff, M: Michl Britsch, P: Paul W.S. Anderson, Jeremy Bolt, Robert Kulzer, Martin Moszkowicz.
D: Dennis Quaid (Payton), Ben Foster (Bower), Cam Gigandet (Gallo), Antje Traue (Nadia), Chung Le (Manh), Eddie Rouse (Leland), Norman Reedus (Shepard).
Länge: 108 Minuten.
Verleih: Constantin Film
Kinostart: 01.10.2009


Was passiert nach dem Ende der Welt? Regisseur Christian Alvart gibt sich postmodern - oder hat er einfach nur Nietzsche gelesen? Denn die Antwort in seinem neuen Film "Pandorum" lautet: die ewige Wiederkunft des Gleichen. Und je länger der Film läuft, desto drückender macht sie sich bemerkbar...

Leider ist der Name der futuristischen Arche Noah "Elysium" nicht Programm, denn auch wenn das Raumschiff für den Aufbau einer menschlichen Kolonie ein Paradies zum Ziel hat, ist es selbst definitv keines. Davon können der Ingenieur Bower (Ben Foster) und sein Lieutenant Peyton (Dennis Quaid) ein Lied singen, als sie mit Gedächtnisverlust in völliger Dunkelheit aus dem Kälteschlaf erwachen. Neben nicht vollfunktionsfähigen technischen Geräten und blockierten Ausgängen stellen sich den beiden nämlich noch eine Reihe unangenehmer Fragen: Wer sind wir? Wo ist der Rest der Crew? Wo kommen die menschenfressenden Kreaturen her? Welches Jahr haben wir? - Und wieso hat uns eigenlich keiner geweckt? Während Peyton im blockierten Vorraum der Brücke am einzigen funktionierenden Computer (dem manuell bedienbaren Generator sei Dank!) die Stellung hält, kundschaftet Bower auf dem Raumschiff die Lage aus. Die ist nicht rosig: von einer handvoll verstörter Crew-Mitglieder, deren strapazierter Überlebensinstinkt ihre Teamfähigkeit gefährlich angeschlagen hat, erfährt er nicht nur, dass die Erde nicht mehr existiert, sondern auch, dass die menschenfressenden Kreaturen die mutierten Nachfahren der eigenen Crew-Angehörigen sind! Als einzige Rettung bleibt, dass Ingenieur Bower den Reaktor rechtzeitig erreicht, um ihn manuell wieder hochzufahren, bevor dieser sich für immer ausschaltet und das Raumschiff nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden kann. Doch diese Mission wird nicht nur von äußeren Feinden gefährdet. Denn Pandorum - paranoide Schizophrenie gekoppelt mit Größenwahn, ausgelöst von emotionalem Stress (!) - lauert in den Psychen der Überlebenden - und zudem stehen weltbewegende Enthüllungen unmittelbar bevor...

Wer sich schon immer gefragt hat, wie wohl ein Patchwork aus der "Alien"-Quadrilogie, „Event Horizon“, „Battlestar Galactica“, „Solaris“ und „Herr der Ringe“ aussieht (und dem eingefleischten Science-Fiction-Fan fallen sicher noch mehr hübsch eingebettete Bezüge auf), erhält mit "Pandorum" die Antwort. Der Unterhaltungwert ist zwar nicht unbedingt eine Multiplikation der eben genannten, muss sich aber auch nicht verstecken. Doch leider kann auch die streckenweise hohe Spannung und das blutrünstige Nahkampf-Ekel-Potenzial nicht darüber hinwegtäuschen, dass es dem Film an Eigenständigkeit mangelt. Schon das kalte, düstere, teils metallische, teils schleimige Setting erinnert verdächtig an „Alien“ - woher kommt eigentlich die Annahme, dass in 200 Jahren so wenig Wert auf Innen-Architektur in Raumschiffen gelegt wird? Bei Star Trek geht es doch auch! - und warum sehen die menschenfressenden Mutanten aus wie Orks? Und neben der altbekannten Mission, den Fortbestand der Menschheit mit einer Kolonie auf einem erd-ähnlichen Planeten zu sichern, begegnet man auch der paranoiden Schizophrenie/Größenwahn, pardon: Pandorum, mit mäßiger Begeisterung. Noch dazu diese ewigen Wettläufe gegen die Zeit wegen diesen bösen Reaktoren... Und natürlich ist bei einer Raumschiff-Arche Noah auch nichts anderes zu erwarten, als dass die selbstzusammengefundene Rettungscrew alle ethnischen Gruppen beinhaltet und jedes Geschlecht abdeckt - es ist nur etwas fragwürdig, dass nur die "Arier" der Truppe überleben. Aber immerhin zaubert der liebe Deus ex Machina dem Zuschauer dafür am Schluss noch eine kleine Entschädigung.

Das einzig Originelle, das man dem Film zugute halten kann, ist sein revolutionärer Verzicht auf die bedrohliche außerirdische Lebensform an Bord. Mit fast schon humanökologischer Philosophie präsentiert er dem Mensch als größten Feind seine eigene Nachkommenschaft, deren schnelle Anpassung an die selbstverursacht ruinösen, naturfremden Lebensumstände sie zu blassen, kannibalistischen, animalischen Monstern gemacht hat. Doch leider verbrät Pandorum dieses originelle Potenzial völlig, indem er die Fakten nur in einer kurzen, rasend geschnittenen Erklärungssequenz zusammenfasst und den Zuschauer dabei auch noch mit Höhlen- bzw. Raumschiffmalerei, einem durchgeknallten Schamanen und einem wahnsinnigen Lieutenant ablenkt. Danach wird nicht mehr darauf eingegangen, und man begnügt sich lieber mit weiteren Kampf- und Verfolgungsszenen. Selbst die ewig interessante Frage, ob es Moral auch dort gibt, wo ihr Fehlen nicht gerichtet wird, geht im spektakulären Finale unter - egal wie eindringlich der fehlbesetzte Good Guy Dennis Quaid sie auch ins All schreien mag. In Sachen Originalität und Sozialkritik funktioniert der aktuelle Sci-Fi-Film "District 9" um Längen besser. Und wenn die Kamera im Abspann à la Alien noch einmal durch die Innenräume der Elysium schwebt, fragt man sich, ob dieser Film dem Science-Fiction-Kanon überhaupt etwas hinzugefügt hat. Beunruhigend, dann zu lesen, dass Regisseur Christian Alvart eine Triologie plant. Selbst das Nachspiel bedient Klischees: Was ist das nur mit diesem Sequel-Wahn?