Die Mona Lisa der Scheibenwischer - "Flash of Genius"

von Claudia Bosch

„Flash of Genius“
USA 2008. Regie: Marc Abraham. Buch: Philip Railsback basierend auf dem Artikel „The Flash of Genius“ von John Seabrook. Kamera: Dante Spinotti. Musik: Aaron Zigman. Schnitt: Jill Savitt. Produktion: Universal Pic., Spyglass Ent., Strike Ent., Intermittent Prod. Produzenten: Gary Barber, Roger Birnbaum, Michael Lieber.
Darsteller: Greg Kinnear (Robert Kearns), Lauren Graham (Phyllis Kearns), Dermot Mulroney (Gil Privick), Alan Alda (Gregory Lawson).
Laufzeit: 119 Min.
Verleih: Kinowelt.
Kinostart: 25.06.2009.


Mal ehrlich, wann macht man sich schon Gedanken über die Entstehungsgeschichte alltäglicher Gebrauchsgegenstände? Wohl eher selten, schließlich gibt es weitaus wichtigere Dinge, über die man sich den Kopf zerbrechen muss. Ist man jedoch ein Erfinder, führt schon so mancher Geistesblitz dazu, dass man fortan an nichts anderes mehr denken kann. Robert Kearns (Greg Kinnear) ist so jemand. Während einer regnerischen Autofahrt im Detroit der sechziger Jahre ärgert sich der Professor für Ingenieurwesen darüber, den Scheibenwischer seines Wagens stets mechanisch bedienen zu müssen und außerdem nur eine einzige Wischgeschwindigkeit zu haben, was bei Starkregen gefährlich werden kann, da man kaum noch etwas sieht. Und so beginnt sich Kearns zu fragen, wieso ein Scheibenwischer eigentlich nicht funktionieren kann wie ein Auge, oder anders gesagt, wieso er nicht blinzeln kann.

Mit dieser Überlegung als Ausgangspunkt macht sich der passionierte Tüftler ans Werk und entwickelt tatsächlich einen elektrisch betriebenen Scheibenwischer – seine ‛Mona Lisa’ –, der auf die jeweilige Regenintensität reagiert und den Wischrhythmus automatisch anpasst. Von seiner Frau und den sechs Kindern tatkräftig unterstützt, geht er mit seinem Geschäftspartner Gil Privick (Dermot Mulroney) das Wagnis ein, seine Erfindung dem Autokonzern Ford vorzustellen. Bei einer Testvorführung zeigen sich die Ford-Ingenieure beeindruckt und nach Verhandlungen mit leitenden Funktionären scheint einer Zusammenarbeit nichts mehr im Wege zu stehen.

Robert Kearns will die Fertigung der Scheibenwischer unbedingt selbst übernehmen und investiert in eine Halle. Und dann, völlig überraschend, zeigt Ford keinerlei Interesse mehr an dem Deal, was bei Kearns berechtige Existenzsorgen aufkommen lässt. Als wäre der Schock über diese Enttäuschung nicht schon groß genug, stechen ihm kurze Zeit später mehrere nagelneue Ford-Modelle mit elektrischen Intervall-Scheibenwischern ins Auge. Entsetzt stellt der Universitätsprofessor Nachforschungen an und ist sich schließlich sicher, dass Ford seine Erfindung gestohlen hat.

Trotz aller Widrigkeiten beschließt der Familienvater gegen den Automobilriesen vorzugehen – ein Kampf, den er eigentlich nicht gewinnen kann. Ford hat nicht nur die besseren Anwälte, sondern auch die finanziellen Mittel, um einen langen Rechtsstreit zu führen. Doch Kearns verfolgt unbeirrbar seinen Weg – vielleicht sogar zu rigoros, denn der Prozess kostet ihn nicht nur seine besten Jahre, sondern auch seine Familie. Und so muss sich am Ende nicht nur er, sondern auch der Zuschauer die berechtigte Frage stellen: „War es das alles wert?“

Greg Kinnear, bekannt aus Filmen wie „Sabrina“ (1995, Sidney Pollack) oder „Besser geht’s nicht“ (1997, James L. Brooks), beweist bei der Darstellung von Robert Kearns Gefühlsleben ein gutes Gespür. Glaubhaft gelingt ihm die Gratwanderung zwischen zuversichtlicher Euphorie, tiefer Depression und wiederkehrendem Kampfgeist. Man kann gut nachvollziehen, dass der Universitätsprofessor die Welt nicht mehr versteht. Schlimm genug, dass man ihm so mir nichts dir nichts die Erfindung klaut, er wird nun auch noch als Lügner hingestellt, der sich zu unrecht bereichern möchte. Er steckt also nicht nur beruflich gesehen in einem Dilemma, sondern auch als Familienvater. Denn wie soll er seine Kinder zu Ehrlichkeit und Gerechtigkeit erziehen, wenn er sich nicht gegen das ihm widerfahrene Unrecht zur Wehr setzt? Im Vergleich zu der präzise gezeichneten Hauptfigur bleiben die Nebenfiguren eher blass – einzige Ausnahme Alan Alda in der Rolle von Kearns Anwalt. Er tritt nur in wenigen Szenen in Erscheinung, doch diese zählen zu den stärksten des Films.

„Flash of Genius“ beruht auf einer wahren Begebenheit. Das Wissen darum macht die an sich eher dröge Geschichte ein wenig spannender, aber dennoch ist die Thematik einfach viel zu uninteressant, als das man daraus einen unterhaltsamen Film machen könnte. Sicher, das dramaturgische Grundkonzept „ein Einzelner gegen einen schier unbesiegbaren Gegner“ gehört zu den bevorzugten Stoffen des Hollywoodkinos, und ähnlich geartete Biopics wie „Erin Brockovitch“ (2000, Steven Soderbergh) stießen bei Kritik und Publikum auf positive Resonanz, doch hier geht es um einen Mann, seinen Scheibenwischer und einen Patentstreit, was für einen Kinofilm schlichtweg einen zu dürftiger Stoff abgibt.

Insbesondere der finale Teil, in dem sich das Biopic in ein „courtroom drama“ verwandelt, zieht den Film unschön in die Länge. Zwar stellt der Prozess gewissermaßen den Höhepunkt der Story dar, doch durch die langsame Erzählweise von Regisseur Marc Abraham rutscht man schon bevor diese Sequenz überhaupt begonnen hat unruhig im Sessel hin und her.

Die atmosphärischsten Momente gelingen immer dann, wenn Marc Abraham den Regen als Stilmittel einsetzt, beispielsweise als die ganze Familiebande während eines Gewitterschauers aufgedreht nach draußen stürzt, um endlich die neue Erfindung auszuprobieren. Selten herrscht im Film eine derart ausgelassene Leichtigkeit vor. Später dann, als die nagelneuen Sportwagen im strömenden Regen an Kearns vorbeifahren und er realisiert, dass jene mit seiner technischen Entwicklung ausgestattet sind, wirken die Bilder wie aus einem Film Noir entnommen. Von dieser Sequenz an verdüstert sich die Gesamtstimmung des Films. In der letzten Einstellung des Films erzeugt der Regisseur ebenfalls mit Hilfe des feuchten Nasses ein aussagekräftiges Bild, das nachhaltig in Erinnerung bleibt.

„Flash of Genius“ ist keinesfalls ein schlechter Film, auch die Inszenierung kann sich sehen lassen, aber trotzdem wird man ihn sich wohl kein zweites Mal zu Gemüte führen, weil er einen trotz des hervorragend agierenden Hauptdarstellers nicht ausreichend gefangen nimmt.