Festung Amerika - „Crossing Over“
von Claudia Bosch
USA 2009. Regie: Wayne Kramer. Buch: Wayne Kramer. Kamera: Jim Whitaker. Musik: Mark Isham. Schnitt: Arthur Coburn. Produktion: C.O. Films, The Kennedy-Marshall Company, The Weinstein Company, Movie Prose, Road Rebel. Produzenten: Wayne Kramer, Frank Marshall, Gregg Taylor.
Darsteller: Harrison Ford (Max Brogan), Ray Liotta (Cole Frankel), Ashley Judd (Denise Frankel) Jim Sturgess (Gavin Kossef), Cliff Curtis (Hamid Baraheri), Alice Braga (Mireya Sanchez), Alice Eve (Claire Shepard), Justin Chon (Yong Kim), Summer Bishil (Taslima Jahangir) Melody Khazae (Zahra Baraheri).
Laufzeit: 113 Min.
Verleih: Senator.
Kinostart: 25.06.2009.
Seit Jahrhunderten pilgern Auswanderer in die Vereinigten Staaten, das ‛Land der unbegrenzten Möglichkeiten’, in der Hoffnung dort ein besseres Leben führen zu können. Die Realität sieht jedoch häufig anders aus, denn um seinen persönlichen ‛American Dream’ überhaupt in Angriff nehmen zu können, muss man erst einmal ins Land gelangen, und wichtiger noch, eine Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung erhalten, was spätestens seit dem 11.September eine schier unüberwindbare Hürde für jeden potentiellen Einwanderer darstellt.
Der Film „Crossing Over“ verfolgt das Schicksal von Immigranten unterschiedlicher Ethnien, die alle nur ein Ziel vor Augen haben: die Einbürgerung. Ihre Lebenswege kreuzen sich mit denen einiger US-Bürger, die sie entweder bei ihren Bestrebungen unterstützen oder diese zu verhindern suchen. So trifft man zum Beispiel auf den Beamten Max Brogan (Harrison Ford), der für die Festnahmen illegaler Einwanderer verantwortlich ist. Im Zuge einer Razzia fleht ihn eine verhaftete junge Mexikanerin (Alice Braga) an, ihren kleinen Sohn von der Babysitterin abzuholen, da diese das Kind bei Nichtbezahlung auf die Straße setzen wird. Max wehrt zunächst ab, doch sein schlechtes Gewissen lässt ihm keine Ruhe, und so geht er der Sache nach. Zudem belastet ihn der Verdacht, sein Kollege Hamid (Cliff Curtis) und dessen arabische Familie könnten in den Mord an Hamids nicht ‛standesgemäß’ lebender Schwester verwickelt sein.
Wayne Kramer, der Regisseur von The Cooler“ (2003) und „Running Scared“ (2006), legt sein Drehbuch kaleidoskopisch an, indem sich die verschiedenen Erzählstränge hier und da überschneiden, was jedoch nicht sonderlich relevant für die Handlung ist. Der Fokus liegt klar auf den Figuren und deren Problemen, die sie, nebenbei bemerkt, teilweise selbst verschulden. Ganz offensichtlich gibt sich Kramer die größte Mühe beim Zuschauer um Mitleid und Verständnis für seine Protagonisten zu heischen, doch das permanente Drücken auf die Tränendrüse – auch durch die melancholische Musik – geht nach hinten los, und man fragt sich vielmehr, wieso überhaupt jemand in dieses hässliche, menschenverachtende Land möchte, das Einwanderern das Leben zur Hölle macht – denn das ist es, was der Regisseur mit seiner Inszenierung suggeriert. Sämtliche Bilder, die man in diesem Film von Los Angeles präsentiert bekommt stoßen eher ab, als dass sie irgendeinen Reiz hervorrufen würden. Alles wird in erdige, graue Töne getaucht, zahlreiche Szenen spielen nachts und die unpersönlichen, trostlosen Schauplätze lassen gar eine gewisse Lebensfeindlichkeit aufkommen.
Die übermäßig eingesetzten langsamen Flugaufnahmen über die Stadt erzeugen den Eindruck die ganze Gegend würde nur aus Straßen bestehen. Kramer greift darauf zurück, um zwischen den einzelnen Handlungslinien zu wechseln, doch diese aufsichtigen Übergänge wirken weder elegant, noch sinnvoll und sorgen lediglich dafür, dass der Film unschön in die Länge gezogen wird.
Auch Harrison Ford enttäuscht. Allerdings ist diese Tatsache nicht dem Schauspieler anzulasten, sondern seiner Rolle, die ihm lediglich zugesteht mit Leidensmiene herumzuschleichen, herumzusitzen und herumzufahren. Ein paar Gespräche darf Max Brogan auch noch führen, allerdings sind diese von eher langweiliger Natur und scheinen ausschließlich dazu zu dienen die ein oder andere handlungsrelevante Information zu streuen. Seinem Charakter fehlt die Tiefe. Zwar erfährt man, dass er eine erwachsene Tochter hat, zu der kein Kontakt besteht, doch dieses Detail aus seinem Leben reicht nicht um eine interessante Figur mit Ecken und Kanten zu ergeben. Ähnlich verhält es sich mit den anderen Protagonisten, da schon allein durch ihre Vielzahl gar nicht die Möglichkeit für feine Figurenzeichnungen besteht.
Kramer scheint geradezu krampfhaft Missstände im US-Einwanderungssystem anprangern zu wollen und sorgt dafür, dass sich stets etwas unangenehm Anklagendes über die Atmosphäre legt, das sich leider viel zu oft mit Rührseligkeit mischt, zum Beispiel, als der jungen Muslimin wegen ihrer vermeintlichen Sympathie zu islamistischen Terroristen die Abschiebung droht. Zynischen Anspielungen kommen hier ebenso zum Tragen wie in der finalen Vereidigungszeremonie. Irrwitzigerweise befinden sich unter den neuen US-Bürgern nämlich auch solche, die der Staat ob ihrer kriminellen Machenschaften ganz gewiss nicht im Land haben möchte. Während dieser Einbürgerungsfeier wird dann auch der Mörder von Hamids Schwester überführt, was leider genauso konstruiert vonstattengeht wie die gesamte Handlung.
Wayne Kramer hat leider die Chance verpasst die zweifellos auseinandersetzungswürdige Thematik in ein eindringliches, glaubhaftes Drama zu verwandeln, das den Zuschauer für die Situation der Einwanderer sensibilisiert.