Filmfest München: The Artist as an Old Man
Zunächst sollte ich vielleicht aus PR-Gründen noch erwähnen, dass im Dezember, pünktlich zum "Parnassus"-Start, ein Buch über Terry Gilliam herauskommen wird, das einzige in deutscher Sprache; inklusive einer Analyse des aktuellen Films... Dieser zweite Band der Edition Screenshot (nach Bernd Zywietz' Buch über M. Night Shyamalan) wird "Perception is a Strange Thing. Terry Gilliam und seine Filme" heißen. Der Autor möchte hier ungenannt bleiben, räusperräusper...
Was man von Takeshi Kitano halten soll, was er will, das man von ihm hält, ist nie ganz klar; das führt ihn in den Bereich des Grotesken. Sein neuer Film "Achilles and the Tortoise" ist Porträt eines Künstlers als Kind, junger Mann, alter Mann; zugleich ein Melodram; zugleich Psychoporträt; zugleich Komödie; zugleich Satire auf den Kunstbetrieb. Da ist das verwöhnte Kind reicher Eltern, das von allen gelobt wird, weil es so gut malen kann (für ein Kind, wohlgemerkt); das dadurch seine Liebe zur Malerei entdeckt und nur noch am Malen ist - keiner sagt was, es ist ja reich. Dann verarmen die Eltern, begehen Selbstmord, und Machisu malt noch immer.
Als junger Mann kommt er zur Kunstakademie und lernt endlich die Kunstgeschichte kennen wie auch zeitgenössisches Action-Painting. Bei allem macht er mit, handwerklich ganz gut, aber eben nicht wirklich talentiert - das wird die große Tragik seines Lebens sein: dass er die Kunst liebt, ein Maler werden will, aber diesen Traum niemals erreicht. Als alter Mann (von Kitano selbst gespielt) verliert er seine Tochter in der Prostitution, auch seine Frau, die zunächst alles mitmacht aus Liebe zur Kunst und zum besessenen Gatten. Der nur seine Bilder sieht - und dabei jede Originalität vermissen lässt. Der sich durch die Kunstgeschichte durch imitiert, kopiert, pastichisiert und dabei niemals auf einen grünen Zweig kommt.
Das ist an sich schon eine schön tragische Geschichte von der Besessenheit, die niemals Erfüllung erlangt; und es ist eine bitterböse Komödie voll absurdem, satirischem, unsinnigen Witz. Wie er stets strebend sich bemüht, und es bringt nichts! Das Actionpainting mit farbeimerbeladenem Fahrrad gegen eine Leinwand! Schließlich mit dem Auto - inklusive erstem Todesfall für die Kunst. Wie er dann die Meister kopiert, Miro, Klee, Hundertwasser; und wenn er Lob für eine einzige eigene Arbeit bekommt, kopiert er auch sich selbst. Wie er Konzeptkunst probiert, Allegorien auf die Missstände der Welt auf die Leinwand bringt, die Metapher aber nie so recht hinkriegt!
Und dann ein Fahrradunfall, bei dem der Radfahrer Fahrerflucht begeht, das Auto aber auf dem Kopf steht, mit einem Sterbenden, der aus dem Fenster hängt: das ist ein surreal-absurdes Bild, das Takeshi Kitano selbst arrangiert hat, außerhalb der Künstlersphäre innerhalb seiner filmischen Welt. Und damit zeigt er: all die unoriginellen, epigonenhaften Gemälde im Film - die von Kitano selbst stammen - zeigen zwar die Tragik des Untalentierten; doch Kitano hat daraus einen durchaus originellen Film gedreht, der tatsächlich sowas wie echte Kunst ist. Absurd witzig und voll innerer Tragik. Oder vielleicht doch nur eine Quatsch-Biographie, die so tut als ob?
Harald Mühlbeyer