Interview: „Wenn man Marilyn einfach mal im Interview gesehen hat, dann weiß man ganz genau, warum sie so anziehend war.“ Gespräch mit dem Schauspieler Rudi Hindenburg
Rudi Hindenburg spielt in „Der Fall M.M.“
Inspector Clemmons, den ersten Polizisten am Todesort Marilyn Monroes. Die Autorin
Jana Pulkrabek hat in diese Figur ein Faktenwissen einfließen lassen, das über
dasjenige des realen Inspector Clemmons hinausgeht. Aus Clemmons wurde so eine
Hauptrolle. Er führt nicht nur als zum Publikum sprechender Erzähler durch das
Stück, sondern spielt auch im Drama selbst eine wichtige Rolle. Als aufrechter
Ermittler muss sich Clemmons Vertuschungsversuchen und Schikanen zu erwehren
versuchen und steht für die ehrliche Suche nach der Wahrheit in bester Sam-Spade-Manier.
Während die Rückblenden auf Marilyns Leben eher dem Tanz und Gesang verhaftet
sind, sind die Gegenwartsszenen, in denen Clemmons vorkommt, klassisches
Theaterschauspiel. Anders als die meisten Beteiligten ist Hindenburg daher
nicht Tänzer, sondern Schauspieler.
BU = Bettina Uhlich
TG = Tonio Gas
RH = Rudi Hindenburg
TG: Vielleicht
fangen wir einfach einmal damit an, wie es losging. Wie haben Sie reagiert, als
Sie erfahren haben, im Zusammenhang mit einer der berühmtesten Persönlichkeiten
der Welt eine Hauptrolle zu spielen? Hatten Sie vorher schon Interesse an
Marilyn?
RH: Die
Figur Marilyn war mir vorher irgendwie schon bekannt; ich wusste, dass es diese
Person gab und dass sie sehr großen Einfluss in ihrer Zeit hatte. Ich fand es
spannend, sich dann mit ihr zu beschäftigen, denn ich fand sie im ersten
Augenblick nicht sonderlich attraktiv. Dann habe ich sie aber über Videos
gesehen. Da hat sich entfacht, welchen Charme sie hatte, und das hat mich dann
schon fasziniert.
TG: Wie
war denn speziell die Vorbereitung, haben Sie bestimmte Bücher gelesen,
bestimmte Filme gesehen? Welche konkret?
RH: Nein,
Bücher und Filme habe ich nicht gelesen und gesehen. Wir haben uns viel mehr
auf die Fakten konzentriert; wie es damals wohl abgelaufen sein könnte.
TG: Hatten
Sie da bestimmte Quellen, oder sind Sie eher instruiert worden?
RH: Wir
wurden schon primär instruiert. Aber es gibt ein Buch, auf das sich auch Jana
Pulkrabek, die Autorin und Regisseurin, glaube ich, hauptsächlich bezogen hat,
da fällt mir jetzt aber der Titel leider nicht ein. Ich habe das Buch selber zu
Hause, bin aber noch nicht ganz dazu gekommen, es zu lesen. Aber aus ihm
stammen eigentlich die meisten Fakten.
Hier ist anzumerken, dass die Crew nur drei
Wochen Probenzeit hatte. Da erscheint es für einen Hauptdarsteller schwierig, sich
ein enzyklopädisches Hintergrundwissen anzueignen, zumal er zuvor noch kein
ausgesprochener MM-Fan war. Nach Auskunft das Theaters Kiel waren die folgenden
Quellen für das Ensemble besonders wichtig: Matthew Smith: „Warum musste
Marilyn Monroe sterben?“; Michael Schneider: „Marilyns letzte Sitzung“; Jay
Morgalis: „A Case for Murder“.
TG: Haben
Sie denn persönlich eine Theorie? Meinen Sie, dass man den Fall lösen kann?
Haben Sie zumindest eine Tendenz?
RH: [überlegt] Ja, schon. Naja, irgendwie
ist es schwierig. So eine richtige Tendenz? Da würde ich vielleicht sagen, dass
die CIA die meisten Gründe hatte, sie zu ermorden.
TG: Vielleicht
noch ein bisschen zum Künstlerischen. Wir haben uns gefragt: Was sind die
Unterschiede, wenn jemand eine Person spielt, von der jeder ein Bild hat, wie
bei Ihrer Kollegin Sonia Dvorak als Marilyn, oder wenn man zwar schon die
Hauptrolle hat, aber eine Person spielt, von der die Öffentlichkeit nicht ein
bestimmtes Bild hat. Sind Sie da freier? War das eher besser oder eher
schwieriger für Sie?
RH: Man
kann sagen, es war schon eine Herausforderung. Diese Person besteht ja im
Prinzip aus Fakten. Ich habe in einer gewissen Art und Weise kein Material zu
der Figur selbst. Und da war es schon schwer, diese Informationen so zu
verpacken, dass man das als Spielszene irgendwie machen kann. Denn es sind halt
wirklich sehr viele Informationen, die für das Stück, für die Entwicklung
wichtig sind. Für uns war die Herausforderung, das irgendwie spielbar zu
machen. Das war definitiv eine Herausforderung!
TG: Jetzt
haben Sie sich mit dem Kriminalfall, aber auch mit Marilyn beschäftigt. Was hat
sich in Ihrer Haltung zu Marilyn verändert?
RH: Ich
kann durchaus verstehen, dass sie damals so eine unglaubliche Aufmerksamkeit
bekam, sie war eine ganz hinreißende Person.
TG: Können
Sie in einem Satz sagen, was die Einzigartigkeit von Marilyn ausmacht? Wollen
Sie das einmal versuchen?
RH: In
einem Satz ist schwierig, aber ich glaube, es ist die Kombination aus
Zerbrechlichkeit, unglaublicher Präsenz, Faszination, die doch schon
unbeschreiblich ist. Ich glaube, sowas ist schwierig, irgendwie nachzustellen.
Ich habe jetzt auch den Film gesehen, „My Week With Marilyn“, und ich finde,
das fängt es nicht ein. Vielleicht hat es auch etwas mit der Synchronisation zu
tun. Aber ich finde, es ist sehr, sehr schwer einzufangen, was diese Frau
damals bedeutet hat.
TG: Das
ist ganz interessant – wir haben den Film gestern gesehen, und wir hatten auch gewisse
Probleme mit der Synchronfassung. Was waren denn Ihrer Ansicht nach die
wesentlichen Schwierigkeiten und Probleme bei dem Film?
RH: Ich
lehne mich jetzt arg aus dem Fenster: Michelle Williams wurde ja sehr gelobt
für ihre Darstellung, aber ich finde sie fehlbesetzt. Ich finde, das hätten
andere besser machen können, weil sie diesen Charme nicht einfangen konnte. Ich
fand sie streckenweise [überlegt]… „naiv“
hat ja etwas Positives, aber ich fand das schon sehr grenzwertig, manchmal
dämlich, wenn man’s so direkt sagen darf. Aber es kam einfach nicht das rüber,
was Marilyn ausmacht. Wenn man Marilyn einfach mal im Interview gesehen hat,
dann weiß man ganz genau, warum sie so anziehend war.
BU: Ich
bin genau der gleichen Meinung.
TG: Bettina
ist natürlich die viel größere Marilyn-Expertin als ich; ihre Jean-Harlow-Biographie
enthält ja ein Schlusskapitel über Marilyn, die zeitlebens Jean Harlow als Idol
verehrt und sich teilweise mit ihr verglichen hatte.
RH: Ich
muss sagen, das fand ich ganz schön bei Sonia in ihrer Marilyn-Rolle: Irgendwie
ist sie der Marilyn näher gekommen, in diesem Charme, als vielleicht die Dame
in dem Film, aber vielleicht ist es auch nur meine persönliche Meinung.
BU: Was
würden Sie denn sagen, warum sie auf Frauen und Männer gleichermaßen wirkt?
Denn ich bin ja auch so begeistert, und ich glaube, zig junge Mädchen sagen
„aaaaaah“ und kleben genauso an ihr wie Männer. Eigentlich spricht sie ja mit
allen Merkmalen Männer an, aber warum sind denn Frauen auch so entzückt von
ihr? Das würde mich noch mal interessieren, was Sie als Mann dazu meinen.
RH: Ich
glaube, sie ist irgendwie so – kindlich, also in gewissen Teilen, dass man
nicht so richtig eifersüchtig auf sie sein kann, sondern sie ist von so einer
Reinheit, einer Unschuld…
BU: …Billy
Wilder hat es in Interviews ja auch immer gesagt, dass diese Unschuld das
Spezielle war.
RH: Sie
ist so unschuldig, dagegen kann man schwer etwas sagen. Man kann nicht
eifersüchtig auf das sein, was sie geschafft hat. Bei einem Mann weckt sie
natürlich Beschützerinstinkte, aber bei Frauen in einer gewissen Art und Weise
auch.
BU: „Wenn
man sie als Freundin gehabt hätte, hätte man sie retten können“, das haben ja
viele gesagt, das ist mir auch immer bei den Recherchen begegnet.
TG: Bettina,
Du hast einmal über Jean Harlow in einem Interview gesagt, dieses Unschuldige
wäre auch durch diese Verbindung von Sexappeal und Komik gekommen. War
vielleicht auch Marilyn in Wahrheit eine Komödiantin und wirkt sie dadurch so
unschuldig?
RH: Ich
glaube, sie hat sich als Figur Marilyn Monroe nicht ganz so ernst genommen. Wie
man ja weiß, ist sie privat ganz anders gewesen, und das alles hat ihr sehr zu
schaffen gemacht. Die Komik? Schwierig zu sagen. Wenn man so ein zerbrechliches
Leben hatte, gibt man nach außen auch ein sehr zerbrechliches Bild von sich ab.
Vielleicht reichen meine Kenntnisse da aber auch grad nicht aus.
TG: Sie
haben gerade gesagt, was ich auch noch sagen wollte: Marilyn weckt
Beschützerinstinkte. Ihre auch?
RH: Klar!
Definitiv! [lacht]