FddF LU: Miesester Stil #1
Das Ludwigshafener Filmfestival ist nichts für Cinephile. Das Filmbild ist oft genug verschwommen, wenns der Beamer nicht über 35 Meter Zeltlänge schafft; sitzt jemand eine oder zwei Reihen vor einem, sieht man das halbe Bild nicht; wenn es regnet - was es regelmäßig tut - hört man den Film kaum mehr, bis er lauter gestellt wird. Für Cineasten ist es auch nichts: im Zwei-Stunden-Takt folgt Film auf Film, manchmal auch weniger, wer mehrere Filme nacheinander sehen will, hat kaum Zeit, aufs Klo zu gehen; und die Timetables sind zwischen Kinozelt 1 und Kinozelt 2 gegeneinander verschoben, ein einigermaßen nahtloser Wechsel ist nicht möglich.
Doch das ist OK, wenn man die Gegebenheiten akzeptiert: Dass es hier eigentlich weniger um Film geht als um das Event. Festival als Urlaub zuhause, mit Freizeitwert drumrum, mit Essen, Trinken, Naturerholung. Im Grunde also kaum etwas anderes, als ein Multiplex bietet, nur nicht urban, sondern im Naherholungsraum: Filme als Aufhänger für schöne Stunden, die am Ende gar nichts mehr mit Film zu tun haben müssen; Filme als Anlass, zu kommen, und das Drumrum als Anlass, zu bleiben. Vielleicht nicht der Weisheit letzter Schluss, vielleicht nicht jedermanns Sache, aber eine Entscheidung, zu der Festivaldirektor Michael Kötz (Dr. Michael Kötz, darauf wird Wert gelegt) steht.
Dass Kötz aber sowenig Liebe zum Film empfindet, wie er während der Vorstellung von "Schuld sind immer die anderen" offenbarte, das entsetzt dann doch. Und ja: Ich bin sauer. Wird natürlich keinen jucken. Was aber hier geschah, überschritt die Grenzen bei weitem. Und ein Festivaldirektor, der sich die Leidenschaft zum Film auf die Fahnen geschrieben hat, darf nicht einmal den Anschein von Bigotterie aufzeigen. Diese Leidenschaft für die Filmkunst wird bis zum Überdruss in Programmheft, Pressemitteilungen und nicht zuletzt in den Ansprachen von Dr. Kötz besungen; doch wenn einer keine Achtung hat für einen Film, wenn er ihn nicht in voller Länge durchspielen lässt, wenn er ihn willkürlich, eigenmächtig unterbricht, spricht es eben doch dafür, dass da einer ein Filmfestival durchzieht, dem die Kunst nur Nebensache ist.
Nach dem Film kommt der Abspann. Der Abspann gehört zum Film dazu. Man muss nicht sitzenbleiben - aber man kann es. Man kann dann den Film nachklingen lassen, lässt sich von der Musik aus der filmischen Welt hinausbegleiten, kann den Credits auch noch einige Infos zum Film und seinem Werden entnehmen. "Bleiben Sie sitzen während des Abspanns", dekretierte Kötz vor dem Film, "das lohnt sich, und ich werde dann das Team nochmal vorstellen!" Was einerseits seinen Stolz auf die anwesenden Filmemacher ausdrückt, was andererseits auch lesbar ist als Achtung vor dem Film in seiner ganzen Länge.
Pustekuchen. Abspann läuft eine Minute, Kötz geht ans Mikro. "Ich erfahre gerade, dass der Abspann vier Minuten dauert!", wundert er sich; zack, geht das Licht an, wusch, geht der Ton runter: der Film, der noch läuft, wird abgebrochen, de facto beendet, bevor er zu Ende ist, nur, damit Regisseur, Produzentin und Hauptdarsteller beklatscht werden können.
Kleiner Tipp: Nächstes Mal nicht erst drei Minuten, sondern 30 Minuten vor Schluss den Film unterbrechen. Aufmerksamkeit für Filmemacher wie für Festivaldirektor ist garantiert!
Harald Mühlbeyer