DVD: „Durst“ – Vampirismus à la Chan-Wook Park

„Durst“ / „Bakjwi“
Südkorea 2009. Regie: Chan-Wook Park


Wie in „Old Boy“ und „I'm a Cyborg, But That's OK“ thematisiert der südkoreanische Starregisseur Chan-Wook Park auch in diesem Film die Grenzen des Menschlichen. Ob „Monster“, die zweite Persönlichkeit des Hauptcharakters, Erzeugnis einer 15 Jahre langen Einsperrung in „Old Boy“, oder eine Frau, die denkt, sie sei ein Cyborg und deswegen mit ihrer in Gefühlen und Hunger manifestierten Menschlichkeit in Konflikt gerät, die gemeinsame Linie wird in „Durst“ weitergeführt.

Der Rahmen ist in „Durst“ ein anderer: Der Priester Sang-hyeon (Kang-ho Song), Seelsorger für Sterbende, geht seinem Glauben nach und bietet sich in einem biomedizinischen Labor in Afrika als Testsubjekt in der Studie über einen bisher hundertprozentig tödlichen Virus an. Dort wird er versehentlich mit dem Blut eines Vampirs infiziert und nach klinischem Tod als Blutsauger wiedergeboren. Zuerst als lebender Beweis für Wunder wahrgenommen, entpuppt sich der Priester als von Perversionen und Blutsucht geplagter Mensch. Während er seinen Blutdurst weiterhin aus der Priesterkleidung heraus und auf unorthodoxe Art am Sterbebett seiner Gläubigen stillen kann, wird er von seiner neuen Natur gezwungen, die sexuelle Facette seiner Süchte auf viel blutigere Art zu befriedigen.

Eine reichlich mit Splatter-Elementen geschmückte Bluttransfusion zeichnet den Weg von Sang-heyon. Zuvor als Priester das heilige Blut Christi an Gläubige ausschenkend holt er sich es zurück von den Sterbenden unter ihnen, und zwar direkt aus ihrem Leib, durch die Infusionsschläuchen, die sie am Leben erhalten. Den Beichten seiner Gläubigen geht er nach und bietet sich weiterhin als Seelsorger an, dazu aber auch als Blutentsorger für die, die bloß noch auf dem Tod warten.

Als Geistlicher vermeidet er Gewalt. Doch seine Kindheit holt ihn ein, er kommt mit der Familie eines Schulfreundes wieder in Kontakt und wird durch dessen Frau in seine Vergangenheit verwickelt. Der Vampir in ihm verlangt nach ihr, geißeln muss er sich täglich um mit Schmerz vom Schmerz abzulenken. Doch da treffen sie sich. Nachts. Mitten auf der Straße, ganz allein. Die barfuß von zuhause flüchtende Hobby-Schlafwandlerin steckt er in seine Schuhe, und das ist der Anfang vom Ende. Von nun an werden rasant die Sexualität und die Schmerzensgeschichte des Anderen entdeckt.

Doch was sie beide zunächst als Befreiung aus den bisherigen Verhältnissen erleben, ist von kurzer Dauer. Denn das Leiden, das den unerfahrenen Liebhaber mit Tae-ju (Ok-bi Kim) zu verbinden scheint, enthüllt sich immer mehr als reine Sexualität, beflügelt von ihrer Sucht nach der Freiheit des Ausbruchs ins Neue. Die für ihn immer deutlichere Angewiesenheit aufeinander mag sie genauso wenig anerkennen wie seine moralischen Bedenken und seinen Glauben. Dazu verfolgt sie der überspitzt dargestellte Geist des aus dem Liebesdreieck beseitigten Ehemannes. So wird der Ehebruch nur Anlass zur Hysterie, die alle Annäherungsversuche in Zorn enden lässt.

So sehr sich der Regisseur von einem Jahrhundert Vampirfilm bedient, so beiläufig, humorvoll, schematisch und spielerisch wird in „Durst“ darauf eingegangen. Im Vordergrund stehen immer das Leiden des zum Monster gewordenen Menschen, seine Einsamkeit und seine Ausweglosigkeit, die bis zum Ende aufrechterhalten werden. Die in der westlichen Welt ungewohnte Dramaturgie, am Anfang den Zuschauer auf ein Melodram einzustimmen, um mittendrin damit zu brechen und sich in ein düsteres Drama ohne Höhepunkte zu verwandeln, wirkt etwas gewöhnungsbedürftig. Ebenso funktioniert es mit den Charakteren des Films, die viele ihrer Facetten anreißen, ohne dass diese weitergeführt werden. Nichtsdestotrotz ist „Durst“ als Vampirfilm eine willkommene Erneuerung, die trotz der Flut der themenverwandten Produktionen der letzten Jahre nicht zu übersehen ist.

„Durst“ wurde unter anderem beim Fantasy Film Fest in Berlin gezeigt, genau am Geburtstag und doch in Anwesenheit des Regisseurs. Dafür wurde ihm vom Festivalpublikum vor der Diskussionsrunde gratuliert. Beides ist unter den Extras auf der DVD zu sehen. Mit einer Autogrammstunde, auch im Bonusmaterial enthalten, hat er im Gegenzug seine Fans beglückt.


Ciprian David


„Durst“
Regie: Chan-Wook Park. Drehbuch: Seo-Gyeong Jeong, Chan-Wook Park. Buch: Émile Zola (Thérèse Raquin). Kamera: Chung-hoon Chung. Musik: Young-ook Cho.
Darsteller: Kang-ho Song, Ok-vin Kim, Hae-sook Kim, Ha-kyun Shin, In-hwan Park
Produktion: Ahn Soo-Hyun, Chan-Wook Park
Verleih: MFA+
Start: 18.2.2010


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