Hofer Filmtage 2011 - Morgen geht's los!

114 Filme insgesamt – plus vier Sondervorstellungen – laufen dieses Jahr in Hof, die zuvor nicht öffentlich gezeigt wurden. Vom 25. bis 20. Oktober wird die Kleinstadt, die fast schon Tschechien ist, wo Döner und Bratwurst herrlich billig sind, ganz im Zeichen des Films stehen. Insbesondere des deutschen Films, der Schwerpunkt liegt wie immer auf deutschen Produktionen, oftmals Erstlingswerken – Hof ist immer sowohl Leistungs- als auch Möglichkeitsschau des deutschen Films, mit kleinen und größeren, mit Mainstream- und Abseitsproduktionen. Handverlesen ausgesucht vom ewigen Festivalleiter Heinz Badewitz.

Wenn ein erster, kurzer Überblick über das Programm – traditionell benutzerunfreundlich auf die Homepage geklatscht – nicht trügt, ist die Krise im Kino voll angekommen. Nachdem auf dem Münchner Filmfest im Sommer Ben von Grafensteins „Kasimir und Karoline“ Premiere feierte, läuft in Hof mit „Mary & Johnny“, eine Schweizer Produktion unter der Regie von Samuel Schwarz und Julian Grünthal, eine weitere Adaption des Ödön von Horvath-Stückes. Ursprünglich verfasst im Zuge der Weltwirtschaftskrise nach 1929, ist nun die Zeit gekommen, die tragisch-verfluchte Liebesgeschichte der Frau, die nach Höherem strebt, und des Mannes, der unter die Räder gekommen ist, auf die Leinwand zu bringen, die weltwirtschaftlichen Umstände verlangen es.

Ein fünfteiliger Musikfilm – eine filmische Symphonie vielleicht – von Klaus Wyborny trägt den bezeichnenden Titel „Studien zum Untergang des Vaterlandes“; und auch in der metaphorischen Form der Epidemie verbreitet sich das krisenhafte Unheil. David Mackenzie, dem die diesjährige Retrospektive gewidmet ist, bietet seinen vorletzten Film „Perfect Sense“ – in diesem Jahr produziert – ein Liebespaar, um das herum die Welt still und leise untergeht, weil seuchenartig ansteckend alle Sinne absterben. Eine Epidemie auf leisen Pfoten – anders als bei Niki Drozdowski, der in seiner deutschen Horrordystopie „Extinction – The G.M.O Chronicles“ ein Virus auf die Menschheit loslässt, das wahllos Gene kreuzt und Mutationen hervorruft – ein Gegengewicht zu Soderberghs „Contagion“.

Ein Gegengewicht zu von Triers „Melancholia“ bietet Mike Cahills Debütfilm „Another Earth“, den ich schon vorab sehen konnte: ein neuer Planet taucht am Himmel auf, aber nicht, um die Erde zu verschlingen – Earth 2 ist vielmehr eine genau Kopie unseres Planeten (oder unserer eine des anderen…?). Vor diesem Hintergrund – Mond und Erde am Firmament – entfaltet sich die traurige Story von Rhoda, die ein schlimmes Trauma mit sich schleppt. Die Zerstörung einer Familie büßt sie mit vier Jahren Haft, mit 21 Jahren, bei ihrer Entlassung, ist nichts mehr von ihren Lebensplänen – ein M.I.T.-Studium der Astrophysik übrig, und sie verdingt sich als Putzfrau. Nähert sich so, unerkannt, an William an, dessen Leben sie in Leid verwandelt hat, der dauerbetrunken in seiner vernachlässigten, verlotterten Wohnung rumgammelt. Putzt für ihn, macht ihm das Leben ein wenig schöner. Natürlich kommen sie sich näher, und Earth 2 ist so was wie der gute Stern, der über ihrer Beziehung steht – wenn sie auch auf Lüge aufgebaut ist, ist mit der zweiten Erde am Himmel immer auch die Möglichkeit einer Hoffnung, einer Alternative gegeben.

Eine kleine Geschichte ist das, nicht unüblich für Independent-Filme, es geht um Wunden und um Heilung, um Isolation und ums Zusammenkommen – doch Cahill verknüpft dieses Drama geschickt mit einem Science-Fiction-Aspekt, der dem Film eine neue, erweiterte Dimension verleiht – eine existentielle, sozusagen, weil stets die Frage im Raum steht, was anders verlaufen wäre, wenn ein kleiner Moment anders verlaufen wäre; und was wohl die Menschen da oben tun, getan haben, tun werden, getan hätten oder tun würden – die da oben sind nämlich wie wir da unten, aber vielleicht ist da ein kleines Bisschen, das sie und ihren Lebensweg doch unterscheidet…

Zu sehr schwelgt Cahill in dissonanter Musik, zu sehr in einer extra verwackelten Kamera, die Unmittelbarkeit und Nähe präsentieren soll, aber dann doch eher auf minimalistische Art manieristisch wirkt – fast wie bei von Trier, der die Schönheit seines Weltuntergangs auch mit zittrigen Bildern verschmutzen wollte, aber noch etwas mehr. Insgesamt aber ein beachtenswerter Erstling, unterhaltsam, emotional, philosophisch und – gerade weil im großen Ganzen vom ganz Kleinen erzählt wird – schlicht schön.

All meine Eindrücke von den Hofer Filmtagen finden Sie auf unserem Screenshot-Festival-Blog, täglich gefüllt von

Harald Mühlbeyer