Deutschland "Unter Strom" - Interview mit Zoltan Paul

UNTER STROM
BRD 2009. Regie: Zoltan Paul. Buch: Uli Brée, Zoltan Paul. Produktion: Clementina Hegewisch.
Länge: 90 Minuten.
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 10.12.2009


Schon auf dem Filmfest München war unser Redakteur Harald Mühlbeyer begeistert von Zoltan Pauls rasanter, anarchischer Komödie UNTER STROM.
Ein Ehepaar lässt sich scheiden – und wird just danach von einem gerade wegen Mordes Verurteilten als Geiseln genommen. Frankie (Hanno Koffler) zwingt nun die zankenden Daniel (Harald Krassnitzer) und Anna (Catrin Striebeck), im Jaguar, der nun beiden je zur Hälfte gehört, ihn ins Waldhaus, das auch gerecht geteilt wurde, zu fahren. Peinlich: Dort wartet Annas Liebhaber (Franz Xaver Zach), der sich vorsorglich schon mal ein paar Viagra eingeworfen hat. Unterwegs lesen sie noch den Wirtschaftsminister (Tilo Nest) auf (was die einzige Stelle ist, wo die Drehbuchautoren den Zufall walten lassen); dieser stellt sich als der Liebhaber von Kommissar Kaminski (Ralph Herforth) heraus, für welchen wiederum Kommissarin Freesmann (Sunnyi Melles) schwärmt. Wobei Frankie ohnehin ziemlich in der Patsche sitzt: denn sein Freund Cheesie (Robert Stadlober) und seine Freundin Gloria (Anna Fischer), die ihm eigentlich helfen sollten, haben während Frankies U-Haft romantisch zueinandergefunden und gar ein Kindlein gezeugt.
Im Waldhaus treffen alle aufeinander. Und es zeigt sich, was man alles aus Liebe tun kann oder vielleicht doch besser lassen sollte.
Harald Mühlbeyer hatte die Gelegenheit, mit Zoltan Paul ein E-Mail-Interview zu führen.



UNTER STROM ist sehr, sehr witzig. Wie lange haben Sie an dem Film gefeilt?


Der Plot „Ehepaar lässt sich morgens scheiden und am Abend sind sie wieder ein Paar“ ist fast zehn Jahre alt. Aus diesem Plot sind zwei vollkommen verschiedene Geschichten entstanden mit vollständig ausgearbeiteten Drehbüchern. Aber irgendwie hat sich der Stoff finanzierungstechnisch nicht durchgesetzt. Ich blieb aber dran und vor ca. vier Jahren traf ich Uli Brée, den Koautor, und bei einem Spaziergang in den Tiroler Alpen haben wir die Idee der Zwangssituation mit einer Geiselnahme geboren. Dann haben wir ca. ein Jahr lang gemeinsam am Drehbuch gebastelt.

War die Finanzierungsfrage da dann gelöst? Oder haben Sie einfach ins Blaue hinein das Buch geschrieben, immer hoffend auf Investoren/Filmförderung?


Ins Blaue hinein. Die Finanzierung mit dem fertigen Buch war dann der übliche Hick-Hack, nervenaufreibend. Hat eben drei Jahre gedauert mit vielen Ablehnungen von der Fördererseite her, von Sendern, Verleihen und und und.
Schließlich förderte die MDM - Leipzig. Aber die anderen lehnten ab. Also hing die Produktion wieder in der Luft und wir waren schon soweit, dass wir sagten: Es klappt nicht. Da wurde ich so besessen und stur, dass ich die Produzentin Frau Hegewisch bekniet habe, es trotzdem durchzuziehen. Wir reduzierten die Drehtage von 30 auf 23, die Schauspieler erklärten sich bereit, auf Rückstellung zu arbeiten, und schließlich haben wir das ganze mit einem Minibugdet durchgezogen. Ohne Vorproben, ohne Netz, mit 2 Kameras einfach drauf los. Es war ein Höllenritt.

Was hatten denn die Filmförderer, die Sender, Verleiher etc. für Vorbehalte gegen den Film?


Bei den Förderern war es immer ganz knapp, hier und dort war die Hälfte der Jury dafür, die andere nicht, und dann geht der Daumen nach oben oder nach unten und dann hat man den Salat. Den privaten Sendern war das Buch nicht stromlinienförmig genug, passte in kein Bonbon-Komödien-Schema, den Öffentlich-Rechtlichen war es wiederum zu trashig. Der Verleih war aber schon früh klar.
Natürlich ist es auch so, dass ich ein Quereinsteiger bin, ich komme als Regisseur und Schauspieler vom Theater und habe bisher nur einen Film gemacht, das Psychodrama GONE, der mit Komödie nun absolut nichts zu tun hatte und ein reiner Festivalfilm war. Also fehlte auch irgendwo das Vertrauen, ob denn dieser Hitzkopf da so eine spritzige Komödie überhaupt filmisch umsetzen kann.

Wie sind Sie an die Schauspieler gekommen, es sind ja alles bekannte Gesichter? Hat denen - im Gegensatz zu Investoren - das Buch gefallen?

Die waren alle hell begeistert. Die Zusagen kamen innerhalb von Tagen und das bei absoluten Minigagen. Die Schauspieler haben ja auf Rückstellung gearbeitet. Offenbar fehlt es in Deutschland an guten Komödienstoffen, an Stoffen, die anarchisch, trashig und auch originell sind, es fehlt an gutem Schauspielerfutter.

War es sehr schwierig beim Schreiben, all die verschiedenen Charaktere mit ihren je eigenen Zielen und ihrem eigenen Plot miteinander zu vernetzen?

Das kann man wohl sagen. An der Dramaturgie bin vor allem ich monatelang gesessen. Es sieht ja alles simpel und relativ logisch aus, aber dieser drei-mal-drei Figurenkonstellation war schon eine Herausforderung. UNTER STROM ist ja ein Ensemblefilm, die Rollen sind ziemlich gleichwertig, die Verzahnung musste perfekt sein. Beim Schneiden hatten wir auch nicht viel Spielraum in der Dramaturgie, weil alles aufeinander aufbaut. Als wir versucht haben, nicht so ganz gelungene Szenen rauszuschneiden, ging das überhaupt nicht.

Hatten Sie im Buch schon alles vorgezeichnet, alle Gags, das Timing etc? Oder kam da beim Dreh noch Input dazu? War für "Improvisation" (im weitesten Sinn) überhaupt Zeit?

Wir haben uns zu 99 % an das Buch gehalten. Wir hatten ja wie gesagt kaum Zeit, für Diskussionen war einfach kein Raum da. Höllisch, muss ich sagen. Es war nicht lustig, weil ich dauernd auf die Uhr schauen musste, anstatt schön langsam die Szenen zu entwickeln. Auch für die Schauspieler war es ein Wahnsinnsstress. Improvisieren war einfach nicht drin, alles musste wie ein Uhrwerk funktionieren, sonst haut es ja mit dem Timing nicht hin, man hat keine Schnittmöglichkeiten, die Anschlüsse fehlen etc. Wir haben aber mit 2 Kameras gedreht, sodass genug Material da war. Mit einer Kamera hätten wir das tägliche Pensum kaum geschafft.

Sie lassen die ganze Filmgeschichte mitschwingen, vor allem in der Figur von Robert Stadlober: "Alle großen Rätsel des Lebens werden im Kino gelöst." Hier also die unvermeidliche Frage nach Vorbildern...

So eine direkte Vorbildadresse kann ich gar nicht nennen. Es sind so viele Einflüsse da, auch die Zitate, die kommen so aus’m Bauch beim Schreiben, da denkt man dann gar nicht lange nach, woher sie stammen, wenn sie für die Figuren und die Geschichte funktionieren. Natürlich liebe ich Tarantino, und die Coen-Brüder, und Woody Allen, und den Kaurismäki, und Almodovar und auch den Murnberger mit seinen Haas-Filmen. Nicht zu vergessen Kusturica. Irgendwie kann man diese Regisseure in UNTER STROM aufspüren, die hatten wieder ihre eigenen Vorbilder und Inspirationsquellen und so weiter.
Filmemachen ist ein ewiges Antwortfinden auf die bereits gemachten und gemochten Filme und auf das eigene Bauchgefühl. Man will einfach Filme machen, die man selber gerne sehen möchte und von denen man annimmt, dass ihn auch viele Zuschauer mögen werden.

Der Film hat zwar einen Verleih, aber eine große Werbekampagne gibt es nicht; wahrscheinlich auch nicht viele Filmkopien. Wann und wo kann man den Film sehen?

Das Werbeetat ist minimal, weil wir einfach keine Verleihförderung bekommen haben. Und ohne ist es der reinste Wahnwitz. Die Förderungen vergeben Verleihförderung für deutsche Blockbuster, die dann manchmal derart floppen, dass einem ganz übel wird. Das ist Geldvernichtung im großen Stil. Ich habe schon machmal eine ziemliche Wut im Bauch, welche Filme da Geld hinterhergeschmissen bekommen. Und wir stehen jetzt da ohne Unterstützung nach einem Supererfolg beim Münchner Filmfest, bei der Leipziger Filmkunstmesse und in Biberach. Jammern hilft nicht, wir müssen da durch.
Wir haben uns also aufs Internet konzentriert, und es hat ziemlich viel Spaß gemacht mit der Website und mit diesem ganze Zeugs wie Twitter, Facebook und so. Wir starten in der ersten Woche bis auf ein paar Städte im Süden in den UCI-Kinos mit 25 Kopien, in der zweiten kommen noch etwa 10 dazu, wenn wir einen guten Start hinlegen mehr. In Berlin sind es der Zoopalast, Filmpalast Friedrichshain und Colosseum.
Auf unserer Website www.unterstrom-film.de sind immer alle aktuellen Termine aufgeführt.
Wir setzen Deutschland UNTER STROM!!!