Alle Jahre wieder: Filmische Dauerbrenner an Weihnachten
von Claudia Bosch
Denkt man an Weihnachten, schießen einem sofort die unterschiedlichsten Bilder durch den Kopf: gemütliches Faulenzen in den heimischen vier Wänden (aber erst nachdem noch schnell die letzten fehlenden Geschenke aufgetrieben wurden), das genau ausgeklügelte Umsetzen aufwendiger Rezepte (schließlich sollen die Weihnachtsgans oder der Karpfen ja besonders gut schmecken), ein gemeinsamer Kirchgang mit der Familie (wenn man schon das ganze Jahr über nicht dazu kommt, soll einen der Pfarrer wenigstens jetzt mal wieder in der Kirche sehen) oder aber die Auseinandersetzung mit so wichtigen Fragen wie „Sollen wir dieses Jahr Lametta an den Baum hängen oder nicht?“.
Schenkt man jedoch einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa Glauben, dann verbringt die Mehrheit der Deutschen (63 Prozent) die Feiertage am liebsten vor dem Fernseher. Das wissen auch die TV-Sender, was in einem regelrechten Wettrüsten um das 'interessanteste' Programm gipfelt. Vor allem Spielfilme stehen beim Publikum hoch im Kurs, und weil einige von ihnen mittlerweile zum Fest gehören wie die obligatorischen Geschenke unterm Baum, wird man von einer wahren Wiederholungsflut überschwemmt.
Ein fester Bestandteil sind – aus nahe liegenden Gründen – natürlich Kinderfilme. Die hibbelig durchs Haus tollenden Kleinen müssen ja irgendwie beschäftigt werden. Problematisch wird es allerdings, wenn sich das Fernsehgerät in der Kinder-Sperrzone – dem Bescherungszimmer – befindet. Um vorweihnachtliche Dramen zu vermeiden, schreckt so mancher Vater notgedrungen nicht einmal davor zurück, den Fernseher kurzfristig ins Kinderzimmer auszulagern. Ist dann die Welt wieder in Ordnung, steht einem unbeschwerten Filmgenuss nichts mehr im Wege.
Besonderer Beliebtheit erfreuen sich Astrid-Lindgren-Verfilmungen wie „Michel bringt die Welt in Ordnung“ (1973), die vier „Pippi Langstrumpf“-Streifen (zwischen 1968 und 1970 entstanden) und „Ronja Räubertochter“ (1984). Auch Erwachsene sehen immer wieder gerne zu, wenn Michel mit seinen Streichen das schwedische Dörfchen Lönneberga unsicher macht, sich das Mädchen Ronja in der rauen Räuberwelt zurechtfinden muss und die seltsame Göre Pippi mit ihren Freunden Annika und Tommy die wunderlichsten Abenteuer erlebt.
Michael Endes „Momo“ (1986), über das gleichnamige Waisenmädchen, das sich gegen Zeitdiebe zur Wehr setzen muss, um die kostbare Lebenszeit der Menschen zu retten, und diverse „Heidi“-Verfilmungen über die kleine Schweizerin, die aus ihrer idyllischen Bergheimat herausgerissen und in die Großstadt verfrachtet wird, beispielsweise die Schwarz-Weiß-Version von Luigi Comencini aus dem Jahr 1952, gelten ebenso als Dauerbrenner. Nicht zu vergessen die britische Jugendromanverfilmung „Der kleine Lord“ (1980), in der Alec Guinness einen hartherzigen Großvater mimt, der sich durch die Erziehung seines Enkels zu einem liebenden, gütigen Mann entwickelt.
Daneben findet man Trickfilme und eine Vielzahl an Märchenfilmen, von denen ein Großteil aus osteuropäischer Produktion stammt. Selbst wenn man in puncto Märchenfilm nicht sonderlich bewandert ist, fällt einem sofort ein Titel ein: „Drei Nüsse für Aschenbrödel“. 1973 als Koproduktion der DEFA mit dem Prager Barandov-Studio entstanden, gilt der Film als der Weihnachtsfilm-Klassiker schlechthin. Doch was macht den Jahrzehnte überdauernden Reiz des Films aus? Vielleicht liegt es an der erstaunlichen Leichtigkeit, mit der Regisseur Václav Vorlíček die märchenhafte Liebesgeschichte zwischen Aschenbrödel und dem Prinzen erzählt. Bei seiner Inszenierung legt er Wert auf Lebensnähe und verzichtet auf großartige Tricks. Aber auch das ungezwungene Spiel Libuse Safránkovás, in dem sich freche Lebenslust und Eleganz vereinen, und die natürlich-zarte Schönheit der damals einundzwanzigjährigen Hauptdarstellerin tragen zum Erfolg dieses Märchenfilms bei.
An US-amerikanischen Weihnachtskomödien kommt man an den Feiertagen auf keinen Fall vorbei. Ganz oben in der Hitliste die beiden 'Kevin'-Streifen „Kevin – Allein zu Haus“ (1991) und „Kevin – Allein in New York“ (1992) von Familienfilm-Routinier Chris Columbus. Die Komödien über den achtjährigen Jungen, der von seiner nach Europa reisenden Familie zuhause (im zweiten Teil in New York) vergessen wird und sich gegen trottelige Einbrecher zur Wehr setzen muss, bieten ungezwungene Unterhaltung für Jung und Alt.
Beim Überfliegen der Programmzeitschrift stolpert man ferner über Titel wie „Allein mit Onkel Buck“ (1989) – in der Besetzung nebenbei bemerkt „Kevin“-Darsteller Macaulay Culkin -, „Jack Frost“ (1998), oder „Verrückte Weihnachten“ (2004). In der Rolle des chaotischen Onkel Buck, der die drei Sprösslinge seines Bruders in Schach halten muss, findet man den 1994 früh verstorbenen Schauspieler John Candy. In „Jack Frost“ geht es um einen Vater, gespielt von Michael Keaton, der nach seinem Unfalltod noch eine letzte Chance erhält, ungeklärte Familienangelegenheiten zu regeln. Doch ungünstigerweise kehrt er nicht als er selbst, sondern als Schneemann auf die Erde zurück. Bei Joe Roths „Verrückte Weihnachten“ handelt es sich um eine Romanverfilmung – nämlich John Grishams „Skipping Christmas“. Das Ehepaar Krank will wegen dem Auszug der Tochter auf das Weihnachtsfest verzichten und stattdessen eine Kreuzfahrt unternehmen. Dumm nur, dass sich das Fräulein Tochter kurzfristig doch noch zum Heimatbesuch ankündigt und somit Panik ausbricht – kein Wunder angesichts der Tatsache, dass genau zwölf Stunden bleiben, um ein perfektes Weihnachtsfest zu organisieren. Für das Drehbuch dieser spritzigen, gagreichen Komödie zeichnet übrigens Chris Columbus verantwortlich.
Definitiv höher schlagen dürften die Herzen der Heimatfilmfreunde, die zusätzlich auf ein reichhaltiges Angebot an deutschen Komödien aus den Jahren 1940 bis 1970 zurückgreifen können. Alte Bekannte wie Heinz Rühmann und Heinz Erhardt verbreiten in Filmen wie „Die Feuerzangenbowle“ (1944), „Wenn der Vater mit dem Sohne“ (1955), „Das schwarze Schaf“ (1960) oder „Der Haustyrann“ (1959) gekonnt 'heile Welt'-Stimmung und sorgen dafür, dass die Lachmuskeln mal wieder zum Einsatz kommen.
Selbstredend offerieren die Sender daneben eine gehörige Portion Herzschmerz. Ganz oben in der Liste der häufigsten Ausstrahlungen: „Heidelberger Romanze“ (1951) über eine junge Amerikanerin, die sich in Heidelberg in einen Studenten verliebt von Paul Verhoeven mit Liselotte Pulver und O.W. Fischer und „Die Züricher Verlobung“ (1957) vom vielseitigen deutschen Meisterregisseur Helmut Käutner. Hier geht es um eine Autorin, die ihre eigene Liebesgeschichte als Drehbuch abfasst und dadurch allerlei Verwicklungen auslöst. Und wenn es einem bis hierhin noch gelang, standhaft die eine oder andere Träne zu unterdrücken, spätestens bei der „Sissi“-Trilogie gibt es endgültig kein Halten mehr. Wasser Marsch!
„Sissi“ (1955), „Sissi, die junge Kaiserin“ (1956) und „Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin“ (1957), alle von Ernst Marischka rührselig inszeniert, stellen das Leben der österreichischen Kaiserin Elisabeth ins Zentrum der Erzählung und ließen die blutjunge, liebreizende Hauptdarstellerin Romy Schneider schlagartig zur Kultfigur avancieren. Obwohl Marischka historische Tatsachen ausklammerte und veränderte, wurde die Reihe ein riesiger Erfolg. Für Romy Schneider hingegen begann ein lebenslanger Kampf gegen das Image des süßen, zarten Mädchens, das ihr die Rolle eingebrachte.
Nun aber zu einem weiteren Bereich wichtiger Weihnachtsfilme, denn was wären die Feiertage ohne alte Hollywood-Klassiker wie „Ist das Leben nicht schön?“ (1946) von Frank Capra oder „Wir sind keine Engel“ (1955) von Michael Curtiz?
Der amerikanische Komödienspezialist Capra nahm sich in „Ist das Leben nicht schön?“ einer optimistischen Geschichte um 'kleine Leute' an, die in Krisenzeiten für einander da sind, und widersetzte sich damit den düsteren Filmen der Schwarzen Serie, die in den 1940er Jahren das Kinoprogramm dominierten. James Stewart spielt darin George Bailey, der zusammen mit seinem Onkel eine kleinstädtische Bausparkasse leitet. Kurz vor Weihnachten verliert der Onkel 8000 Dollar aus der Kasse, was nicht nur den Betrieb, sondern auch die Ersparnisse vieler Bürger gefährdet. Aus lauter Ratlosigkeit trägt sich Bailey mit Selbstmordgedanken, die jedoch durch das Auftauchen eines Engels ins Wanken geraten. Zu guter Letzt gibt es dann doch noch ein Happy End für alle.
Wesentlich grotesker geht es dagegen in Michael Curtiz’ Weihnachtskomödie „Wir sind keine Engel“ zu. Am Heiligen Abend flüchten drei Strafgefangene von der Teufelsinsel und landen bei Familie Ducotel, die die Ausbrecher irrtümlich für Handwerker hält. Statt die Kaufmannsfamilie, wie zunächst geplant, auszurauben und zu töten, keimt bei den Gaunern immer mehr Sympathie für die in finanzieller Not steckenden Ducotels auf, und sie beschließen ihnen zu helfen. Mit allerlei Ideen und nicht zuletzt der Hilfe ihres Haustieres, der Giftschlange Adolf, schaffen sie es, sämtliche Probleme zu beseitigen (im wahrsten Sinne des Wortes) und nebenbei noch die Tochter der Ducotels zu verkuppeln. Am Schluss kehren die drei Geflohenen aus Heimweh wieder ins Gefängnis zurück. Dank der hervorragenden Darsteller Humphrey Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray sprüht diese Komödie vor beißendem Witz und einer großen Portion Selbstironie.
Neben solchen Weihnachtsklassikern werden aufgrund ihrer Publikumswirksamkeit auch Filme ausgestrahlt, die nicht unmittelbar etwas mit dem Fest zu tun haben. So stößt man beim Zappen auf zahlreiche Abenteuerfilme (z.B. „Des Königs Admiral“, „Der rote Korsar“, „Die Jagd nach dem Juwel vom Nil“, der „Indiana Jones“-Reihe, etc.), Western („Red River“, „El Dorado“), Kriegsfilme („Duell im Atlantik“), Musicals („West Side Story“), Kriminalfilme (Miss Marple und Co.) u.v.m..
Bibelfilme haben nicht nur an Ostern, sondern selbstverständlich auch an Weihnachten Hochkonjunktur, insbesondere die monumentalen Werke „Ben-Hur“ (1959) von William Wyler und „Die größte Geschichte aller Zeiten“ (1965) von George Stevens. Prinz Judah Ben Hur fällt durch einen versehentlich ausgelösten Vorfall beim römischen Statthalter Jerusalems in Ungnade und wird zur Strafe auf die Galeeren verfrachtet. Seine Mutter und Schwester landen im Kerker. Jahre später gelingt Judah die Flucht und er begibt sich auf die Suche nach ihnen. Dabei trifft er seinen Erzrivalen Messala wieder, der für das Verschwinden der beiden verantwortlich ist. Die Auseinandersetzung zwischen den Männern gipfelt schließlich in einem dramatischen Wagenrennen, das (wie schon im gleichnamigen Stummfilm von Fred Niblo aus dem Jahr 1926) den Höhepunkt des Historienspektakels bildet. Der Film erhielt bei der Oscar-Verleihung 1960 elf Academy Awards und verteidigte diesen neuen Oscar-Rekord bis 1998, als James Camerons „Titanic“ ebenfalls elf Trophäen einheimste.
„Die größte Geschichte aller Zeiten“ ist, wie der Titel schon vermuten lässt, die Verfilmung der Lebensgeschichte Jesu. Durch den gesamten Film zieht sich eine bedächtige Stimmung, die durch einen langsamen Erzählrhythmus voller tableuhafter Bilder und das zurückhaltende Spiel Max von Sydows noch verstärkt wird.
Wenn man darüber nachdenkt, welche Filme aus der letzten Zeit das Potential dafür hätten, sich in Zukunft zu Weihnachtsklassikern zu entwickeln, dann fallen einem Titel wie „Das ewige Lied“ (1997), „Der Grinch“ (2000), „Tatsächlich…Liebe“ (2003), „Bergkristall“ (2004) oder „Der Polarexpress“ (2004) ein.
Die TV-Produktion „Das ewige Lied“ von Franz Xaver Bogner thematisiert die Entstehungsgeschichte des Weihnachtslieds „Stille Nacht“, das zwei Freunde, Pfarrer Joseph Mohr und der Dorflehrer komponierten, um endlich für Frieden in ihrem verfeindeten Bergdorf zu sorgen. „Der Grinch“ dagegen will alles andere als harmonische Verhältnisse. Dieses bitter-böse Wesen versucht alles, um den Bewohnern von Whoville das Weihnachtsfest madig zu machen. In der prächtig ausgestatteten schrillen Comic-Verfilmung von Ron Howard kann sich Jim Carey was das Grimassenschneiden und seine Hyperaktivität angeht genüsslich austoben. In „Tatsächlich…Liebe“ erzählt Romantic-Comedy-Spezialist Richard Curtis (Autor von „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ (1994) und „Notting Hill“ (1997)) zehn herzerwärmende vorweihnachtliche Geschichten rund um die Liebe, was diesen Film also förmlich dazu prädestiniert an den Weihnachtstagen gezeigt zu werden.
In „Bergkristall“, dem die gleichnamige Novelle Adalbert Stifters zu Grunde liegt, widmet sich Joseph Vilsmaier einmal mehr einem heimatlichen Stoff. Die beiden Kinder eines Schusters verirren sich während eines Unwetters in den verschneiten Bergen. Sie findet Unterschlupf in einer Höhle und hoffen dort auf den sagenumwobenen Bergkristall zu stoßen, dessen magische Kräfte ihre getrennt voneinander lebenden Eltern wieder zusammenbringen sollen.
In den USA enorm erfolgreich ist „Der Polarexpress“ von Robert Zemeckis, vor allem die 3D-Version in den IMAX-Kinos. Das mag wohl auch daran liegen, dass nur wenige echte Spielfilme in den IMAX-Filmtheatern laufen. In dem Animationsfilm zweifelt ein Junge an der Existenz des Weihnachtsmannes, als plötzlich mitten in der Nacht ein Zug vor dem Haus steht, dessen Schaffner den Kleinen zum Einsteigen drängt. Zusammen mit den anderen Passagieren – allesamt Kinder in Schlafanzügen – beginnt eine spannende Reise zum Nordpol – die Heimat des Weihnachtsmannes.
Abschließend muss man sich tatsächlich eingestehen, dass Filme mittlerweile definitiv zum Weihnachtsfest dazugehören. Deshalb verwundern die Ergebnisse der Forsa-Umfrage auch nicht sonderlich. Es ist einfach schön mit der Familie, den Kindern, dem Partner (oder im Notfall auch alleine) im gemütlichen Wohnzimmer zu sitzen, die Kälte hinauszusperren, sich ein Glas Glühwein oder heißen Tee zu gönnen, dazu ein paar selbst gebackene Plätzchen oder schmackhaften Christstollen zu naschen und dabei Filme zu genießen, die man sich immer wieder gerne anschaut und die auch Erinnerungen wecken – vielleicht sogar an vergangene Weihnachtsfeste…
In diesem Sinne: Frohe Weihnachten und viel Spaß beim Filmeansehen!