Filmfest München: Eröffnung

Ich war eingeladen. Bin ich stolz! Ich hatte eine Einladung von Dr. Markus Söder persönlich für den gestrigen Eröffnungsabend des Filmfests! Im Mathäser, einem Riesenkinopalast mit angeschlossenem Kaufhof, Kino 10 - naja: So richtig ab ging's in Kino 6, dort war alles live, in meinem Sälchen nur per Videoübertragung der Eröffnungsfeierlichkeiten. Aber wer wollte kleinlich sein!

Schöne Beobachtung: Wie da oben auf der Leinwand Reden und Grußworte vor sich gingen, und wie wir im 10er-Saal guckten, aber nicht klatschten. Da war ja keiner echt! War ja nur Kino!

War aber doch echt. Diana Iljine, die neue Filmfestleiterin, war tatsächlich da, sprach tatsächlich ins Mikrophon, und sie war tatsächlich nervös. Nein: Wie süß, wie sie am Mikrophon spielte, wie sie nicht wusste, wohin mit den Händen, wie sie zögerlich Klatschen andeutete, wenn Gäste auf die Bühne kamen (Katja Eichinger und Giorgio Moroder waren kurz mal da), und wie sie erzählte vom Weltall, von der Milchstraße, die in vier oder fünf Milliarden Jahren mit der Andromeda-Nachbargalaxie verschmelzen wird, was nochmal zwei Milliarden Jahre dauern wird, und wie klein und unbedeutend wir und die Filme zu sein scheinen, aber nein - ein gewagter argumentativer Sprung -, Filme sind wichtig trotz Universum, sie können unser Leben, unser Denken ändern... Woody Allen verfällt in melancholischen Pessimismus, weil das Universum sich ausdehnt, und Diana Iljine macht ein Filmfest: So schön ist München!

Wie sie von den Galaxien erzählte, die "mit 110 Stundenkilometern pro Sekunde" aufeinander zu rasen - so ein goldiges Mädchen, dachte wohl auch Herr Staatsminister Ludwig Spähnle, der sich väterlich-fürsorglich sich freute, dass nach Eberhard Hauff und Andreas Ströhl nun auch mal eine Dame randarf (vermutlich freut er sich, dass nun das schöne Geschlecht mit am großen Tisch sitzt, wo die Gelder verteilt werden, was fürs Auge etc.) Aber wir wollen nichts unterstellen! Die Grußworte waren schließlich angemessen kurz und lustig - Bürgermeister Christian Ude zog anhand historischer Zitate zwingende Parallelen zwischen Filmfest und Biergarten -, und schließlich geht es beim Film ja ohnehin darum, schöne Frauen schöne Dinge tun zu lassen.

Im Eröffnungsfilm "Starbuck" von Ken Scott ging es dann darum, einen hässlichen Mann hässliche Dinge tun zu lassen: David Wozniak hat in weniger als zwei Jahren 533 Kinder gezeugt, er war Samenspender, der die insgesamt 24.000 Dollar gut gebrauchen konnte. Es war das einzige, was er in seinem Leben zustande gebracht hat: er ist ein Töpel, ein Versager, selbst im Ausliefern des Fleisches aus seines Vaters Schlachterei ist er schlecht. Und kriegts mit seinen Kindern zu tun, die ihn verklagen und die Klinik, die wissen wollen, wer er ist - sie kennen nur seinen Decknamen Starbuck...

Scott dekliniert verschiedene Arten der Vaterschaft durch, da ist der Kollege, der Angst hat vor dem Baby, das seine Frau  bekommt, da ist Davids Anwalt, alleinerziehend mit vier nervenden Gören, und da ist David, distanzierter, anonymer Vater von ganzen Hundertschaften, und von seiner On-and-off-Freundin abgewiesen, die zwar von ihm schwanger ist, ihn aber keinesfalls für vatertauglich hält. Dass der Film nicht in Hollywood-Familiensülze versinkt, ist das eine; das andere sind die vielschichtigen Komikvarianten, die Scott darbietet, von Fußballslapstick über emotionalen Humor, vom Witz der tolpatschigen Dummheit bis zu Anleihen am Judd Apatow-Universum (sieht der Anwalt nicht ein bisschen aus wie Jonah Hill?); bis hin zu witzigen, überraschenden Details, die den Film durchziehen.

Bis dann eine der größten Happy-End-Umarmungen der Filmgeschichte diese Story vom Plastikdosenwichser, der vielfacher Vater wurde, glücklich beschließt.



Harald Mühlbeyer