Weltkongress in Dresden

Filmproduzenten für Sach- und Wissenschaftssendungen in Elbflorenz

In den Tagungsräumen „Bellevue“ des Westin-Hotels tummelten sich jede Menge Menschen, meist in Geschäftskleidung. Nur die ein oder andere extravagante Brille, Frisur oder Farbe der Kleidung ließ vermuten, dass es sich hier um einen Kongress von Filmemachern handelte. Überall ging es ums Geschäft: Auf den Fluren, in der Hotellobby, beim Essen – die neusten Filme wurden feilgeboten und zukünftige Co-Produktionen eingefädelt. Alle Jahre wieder vernetzten sich die Medienmacher aus aller Welt ohne viel Presse und ohne viel Wind.

Vom 30. November bis 3. Dezember 2010 fand der „World Congress of Science & Factual Producers“ (WCSFP) in Dresden statt. Im Mittelpunkt standen Film- und Fernsehproduktionen mit wissenschaftlichen und sachlichen Inhalten, auch jede Menge Dokumentarfilme.



Melbourne, Toronto, New York, Manchester, Tokyo, Florenz…: In der Reihe namhafter Städte ging nun Dresden als Austragungsort des 18. Kongresses ein. In Dresden, dem sogenannte Elbflorenz, produzierte die DDR ab 1955 Animationsfilme. Im Rahmen der Wiedervereinigung schloss das DEFA-Studio für Trickfilme 1990. Das Deutsche Institut für Animationsfilm (DIAF) verwaltet seither die hinterlassenen Filmmaterialien und Dokumente, und bildet langfristig ein Netzwerk zum gesamtdeutschen Animationsfilm. Heute beschränkt sich die Filmszene Dresdens auf kleinere Filmarbeitskreise, die Filmnächte am Elbufer und das Kurzfilmfestival „Filmfest Dresden“. Den mehr als 600 Konferenzteilnehmern, die von allen Kontinenten angereisten, ist die Stadt nicht zuletzt durch den Wiederaufbau der Frauenkirche ein Begriff.

Eigentlich könne man jeden Monat einen Kongress zu diesem Thema besuchen, meinten einige der Besucher, doch diese Veranstaltung hier sei etwas ganz besonderes: keine externe Organisation, sondern die eigenen Mitgliedern organisieren die jährlichen Treffen. Zur Begrüßung fielen sich Medienmacher um den Hals. Man kennt sich. Ein amerikanischer Produzent erklärt, dass es etwa 50 Leute gäbe, die die Inhalte der Wissenschafts- und Sachsendungen bestimmten, und die seien alle hier. Neben den Hauptakteuren der Branche ermöglichte der Kongress gleichzeitig einigen Produzenten aus sogenannten „aufstrebenden Märkten“ die Teilnahme. Der Geschäftsführer einer deutschen Produktionsfirma merkte positiv an, dass das Kongressprogramm wirklich auf die Bedürfnisse der Teilnehmer ausgerichtet sei. Zum Tagesprogramm gehörten Sitzungen, in denen aktuelle und zukünftige Entwicklungen diskutiert wurden. Besonderen Anklang fanden die Veranstaltungen zum Thema 3D und zum deutschen Markt.

Darüber hinaus gab es die Möglichkeit, Produzenten, Filmemacher und Rundfunkvertreter an einen Tisch zu bringen: Veranstaltungen wie „Speed Dating“ und Treffen zu Finanzierungsfragen im geschlossenen Rahmen gaben dazu die Möglichkeit. Letztere Treffen nannte sich „Close Encounters of the Funding Kind“, in Anlehnung an Steven Spielbergs „Close Encounters of the Third Kind“ („Unheimliche Begegnung der dritten Art“). Zwischen den unterschiedlichen Veranstaltungsräumen und sogar beim Essen war jeder auf der Suche nach den besten Deals und den besten Kontakten. Schließlich waren alle zum Kongress gekommen, um sich hier zu vernetzen. Das galt auch beim Abendprogramm, wie beispielsweise in einer Brauerei oder beim Karaoke-Singen. Durch das exzessive Knüpften und Pflegen von Geschäftsbeziehungen musste sogar das Gastronomie-Team auf der sogenannte Willkommens-Cocktailparty blitzschnell seine Bewirtungsstrategie umstellen. Zur Überraschung der Kellner blieben die Gäste nicht wie erwartet an einem Ort sitzen, sondern wechselten häufig ihren Platz oder feierten gleich eine Stehparty. In diesem Geschäftsbereich gehe es mehr um das Vertrauen zwischen den Beteiligten als in anderen Branchen, so die Veranstalter.

Die Medienleute blieben jedoch keinesfalls nur unter sich: Im Rahmen eines Workshops wurden Wissenschaftler, u.a. vom Max-Plank-Institut, speziell auf die Anforderungen der Medienbranche vorbereitet. Sie lernten ihre wissenschaftlichen Inhalte für eine mögliche Rundfunkvermarktung überzeugend und verständlich darzustellen. Durch den Kontakt mit den Forschern erhoffen sich die Medienmacher neue und aktuelle Inhalte.

Während der Veranstaltungstage hatten die Kongressteilnehmer die frisch eingeschneite Elblandschaft hinter den großen „Bellevue“-Fenstern bestaunt. Zum Abschluss des Treffens schipperten sie gemeinsam bei Dresdner Christstollen auf dem Dampfer über die Elbe: Ein Vorgeschmack auf den Kongress 2011 in Paris, wo sich Touristen mit dem „Bateau Mouche“ über die Seine fahren lassen.


Raphaela Helbig


(Bild: Auf dem „World Congress of Science & Factual Producers” spricht Ranga Yogeshwar über die Wettbewerbssituation wissenschaftlicher Sendungen im deutschen Fernsehen. Foto: Raphaela Helbig)