Bloß nackt - "Emmanuelle" auf DVD

Mit DVDs lassen sich ab und zu Entdeckungen machen, sie lassen einen in der Rumpelkammer der Filmgeschichte stöbern, und ganz unten kommt dann irgendwas Schmutziges zum Vorschein, das einen ganzen Rattenschwanz von Schund hinter sich herzieht; und wenn man den Staub abwischt und auch gewisse schmierige Substanzen, dann bleiben von diesem Fund immerhin gewisse Erinnerungen übrig, Einblicke auch in eine ganz andere Zeit und in ganz fremdartige Gedanken und moralische Einstellungen.

Vor ein paar Jahren war die Kinowelt-"Schulmädchenreport"-DVD-Edition solch eine Entdeckung, die Anfang der 70er die Kommerzialisierung der Sex-Liberalisierung, damit in gewissem Sinne auch der ganzen kulturellen Umstülpung der 60er Jahre wie unter einem Brennglas verdeutlichten. Die auch viel vom reaktionären Gedankengut der Macher - Produzent Wolf C. Hartwig und Regisseur Ernst Hofbauer - erzählten, die den Mädels ganz selbstverständlich die Schuld zuschieben, wenn sie vergewaltigt werden; und in gewissem Sinne, ex negativo, auch von der Verklemmtheit und Prüderie bei all der oberflächlichen Textilfreiheit.

Solch einen Blick ins Schmierenfilmtheater erhoffte ich mir auch mit den "Emmanuelle"-Filmen von Just Jaeckin, die nun ebenfalls bei Kinowelt erschienen sind, die originalen aus den 70ern mit Sylvia Kristel - als Anfang der 90er diese ganzen Filme in den Privaten liefen, hatten wir noch kein Kabelfernsehen... Doch meine frohen Erwartungen auf diese Filme, die ja einen gewissen Mythos mit sich rumschleppen - anders als die Schulmädchen-Filme eben eine Art "Ästhetik der erotischen Darstellung" zu betonen etc.
Doch über den ersten "Emmanuelle"-Film bin ich nicht hinausgekommen. Der war mir schon zu doof.

Wenn's schon ums Ficken geht, dann soll er's auch zeigen. Muss ja nicht direkt pornographisch sein, das waren die "Schulmädchenreports" ja auch nie; aber immerhin sollten nicht die ständigen Bemühungen um schöne Darstellung im Weg stehen, wenn's eigentlich doch nur um das Eine geht - insofern schon sind diese Filme nicht nur schwülstig, sondern auch heuchlerisch.

Und zudem geben sie vor, die Sache der Frau zu vertreten, eine Art weibliche Erotik, das Ausleben weiblicher Lust zu propagieren. Emmanuelle reist ihrem Mann, Diplomat, nach Bangkok nach und wird dort in diverse Lust-Spektakel verwickelt - soweit so gut, doch ihr wird auch Mentor Mario zur Seite gestellt, der - vermutlich ungewollt - voll das Klischee des geilen Bocks erfüllt, der seine wollüstigen Begierden hinter einem dünnen Schleier von pseudointellektueller Hedonismusphilosophie versteckt - die der Film letztlich völlig unterstützt. Und die darauf hinausläuft, dass Frauen ihre Lust ausleben sollen - will sagen: sie sollen sich freiwillig den Gelüsten der Männer unterwerfen. Wo also Wolf C. Hartwig noch ehrlich war in seiner Meinung - Mädels in Minirock wollen vergewaltigt werden - da ist Just Jaeckin bigott: wenn man's auf den Punkt bringt, sagt sein Filmchen, dass eine Frau dann nicht mehr vergewaltigt wird, wenn sie ihrer eigenen Schändung zustimmt. Und dass dies dann die neue weibliche Lust sei.

Wo's doch eigentlich vor allem darum geht, nackte Brüste auf Film zu bannen; für ein lüsternes Kinopublikum.

Interessant ist der Film nur in einer Szene, wo er auch wirklich mal ehrlich ist, wo er eintaucht in die Lasterhöhlen Bangkoks, in denen männlicher Begierde unverstellt Raum gegeben wird: da befinden wir uns in einem Nachtclub, wo die Striptease-Tänzerin tatsächlich - und das wird gezeigt - ihre Vagina eine Zigarette paffen lässt; zu einer seltsamen Synthesizer-Version von Bob Dylans "Like a Rolling Stone". Das ist sleazy, das zielt direkt aufs männlich-voyeuristische Lustzentrum, das ist Vaudeville und Freakshow: das will ich sehen!

Ich habe mich nicht einmal dazu durchgerungen, den vierten Kristel-Emmanuelle-Teil zu sehen, der 1984 als 3-D-Film (auf der Höhe auch der heutigen Zeit!) herausgekommen ist. Was allerdings auch daran lag, dass mit den Rezensionsexemplaren leider keine 3D-Brille mitgeliefert wurde...

Harald Mühlbeyer


Emmanuelle-Box. 4 DVDs. Mit Sylvia Kristel. Extras: "Emmanuelle 4" in 3D; The Joys of Emmanuelle Teil 1-3; Interview mit Regisseur Just Jaeckin und Produzent Yves Rousset-Rouard; Fotogalerien; Trailer.
Anbieter: Kinowelt.


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